Schuhverkäufer Sacchi lehrt Raumverknappung

Von SPOX/Andreas Renner
Arrigo Sacchi lehrt und Ruud Gullit, Paolo Maldini, Carlo Ancelotti und Co. lauschen
© Imago
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Die größten Erfolge feierte Milan international. Im Europapokal der Landesmeister 1989 tat sich Sacchis Team zunächst noch schwer. Gegen Roter Stern Belgrad und Werder Bremen hatte Milan ernsthafte Probleme und auch viel Glück. Im Halbfinal-Rückspiel gegen Real Madrid im San Siro allerdings nicht mehr. Milan fertigte die Königlichen mit 5:0 ab und zog nach einem 1:1 im Hinspiel ins Finale ein. (siehe Grafik)

Auch weil Mittelfeldspieler Carlo Ancelotti, der bei seiner Ankunft vom AS Rom 1987 nicht sofort mit den Methoden des neuen Trainers zurecht gekommen war, mittlerweile eine Schlüsselfigur war.

Sacchi: "Er hatte am Anfang Probleme. Berlusconi sagte, wir hätten einen Dirigenten für unser Orchester, der keine Musik vom Blatt lesen konnte. Ich sagte zu (Berlusconi), dass ich (Ancelotti) schon beibringen würde, in der gleichen Tonart wie unser Orchester zu singen. Jeden Tag ließ ich ihn eine Stunde vor Trainingsbeginn erscheinen und zusammen mit einigen Spielern aus dem Nachwuchsteam alles einstudieren. Am Ende sang er in der perfekten Tonart."

Im Finale bekam es Steaua Bukarest zu spüren, das beim 0:4 nicht den Hauch einer Chance hatte. Keeper Silvio Lung behauptete hinterher, nie zuvor so viele Schüsse auf sein Tor bekommen zu haben.

"Bei uns hatten alle Schiss"

Ungefähr zu dieser Zeit wurden auch deutsche Trainer auf Sacchis Arbeit aufmerksam. Wolfgang Frank, der frühere Bundesligaprofi und spätere Raumdeckungspionier als Trainer bei Mainz 05 erinnert sich im Gespräch mit SPOX: "Damals trainierte ich Aarau in der Schweiz. Uli Stielike schickte mir ein Video von Milans Spiel gegen Bukarest. Nur hatte keiner von uns den Mut, das was Sacchi gemacht hat auch umzusetzen."

Schon gar nicht in Deutschland, wo man gerade auf einer Erfolgswelle schwamm. Frank: "Dabei muss man sich gerade im Erfolg weiter entwickeln. Aber bei uns hatten alle Schiss. Wenn man ein neues System einführt und dann ein Spiel verliert, dann heißt es sofort: Das System ist Mist. Wir waren damals auf einer total eingefahrenen Schiene."

Und zwar auf der Schiene Manndeckung. Sacchis Änderungen drangen zwar nach Deutschland durch, doch es sollte fast zehn Jahre dauern, bis die ersten Profitrainer den entscheidenden Schritt wagten.

Differenzen mit Baggio

Ein Jahr später wiederholte Milan seinen europäischen Triumph mit einem Finalsieg gegen Benfica Lissabon. Danach wurde Sacchi Nationaltrainer Italiens. Und war zunächst durchaus erfolgreich: 1994 erreichte Italien das Finale der WM in den USA, verlor dort aber im Elfmeterschießen gegen Brasilien. Aber Sacchis Philosophie stieß an ihre Grenzen.

Die kurze Zeit, die Nationaltrainer mit ihren Mannschaften haben, gab ihm wenig Gelegenheit, seine Prinzipien zu lehren. Und da für Sacchi nur die Mannschaft als Ganzes zählte, tat er sich mit Superstars wie Roberto Baggio schwer.

Sacchi betonte immer wieder, dass ein guter Fußballer nicht auch zwangsläufig ein brauchbarer Spieler sei, wenn er seine vorgegeben Positionen nicht einnimmt und schlechte Entscheidungen trifft. Ein Zwist, den viele Trainer bis heute austragen. Genau deshalb ist Lucien Favre nie ein Freund von Marko Pantelic geworden.

Wegbereiter der deutschen Revolution

Das Vorrunden-Aus der Italiener bei der Europameisterschaft 1996 beendete Sacchis Amtszeit als Nationalcoach. Seine früheren Erfolge konnte er nicht wiederholen, weder bei einer kurzen Rückkehr zu Milan (das in der Zwischenzeit unter Fabio Capello mit einer defensiveren Grundausrichtung große Erfolge gefeiert hatte), noch bei Ausflügen zu Atletico und Real Madrid (als Sportdirektor).

Seine Prinzipien fanden mit Verzögerung schließlich auch den Weg nach Deutschland. Sie lösten die entscheidende Revolution im deutschen Fußball aus. Nach Sacchi konnte es nicht weitergehen wie zuvor. Doch darum geht es am Sonntag...

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