Schuhverkäufer Sacchi lehrt Raumverknappung

Von SPOX/Andreas Renner
Arrigo Sacchi lehrt und Ruud Gullit, Paolo Maldini, Carlo Ancelotti und Co. lauschen
© Imago

Nie wurde in Deutschland soviel über Fußball-Taktik diskutiert wie heute. Doch woher kommen 4-4-2 und 4-2-3-1 und ballorientierte Raumdeckung? Gemeinsam mit Sky-Kommentator und SPOX-Blogger Andreas Renner haben wir versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Herausgekommen ist die SPOX-Themenwoche: Die Geschichte der Fußball-Taktik in acht Teilen.

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Manch einer glaubt, ein guter Trainer müsse unbedingt auch ein guter Spieler gewesen sein. Wolfgang Overath, der Präsident des 1. FC Köln, zum Beispiel. Er soll bei der Suche nach einem Nachfolger für Christoph Daum Wert darauf gelegt haben, dass der neue Coach auch in der Bundesliga gespielt habe.

Nun, das kann man auch anders sehen. Arrigo Sacchi, der mit dem AC Mailand ganz entscheidend die Art und Weise prägte, wie heute Fußball gespielt wird, war kein guter Spieler. Das sei auch nicht nötig gewesen, hielt Sacchi seinen Kritikern immer wieder vor: "Ein Jockey muss schließlich auch nicht als Pferd geboren worden sein."

Erfindung der Viererkette

Was Sacchi der Fußballwelt brachte, war unter anderem die konsequente ballorientierte Raumdeckung und mit der Abschaffung des Liberos auch die Viererkette. Sacchis Raumdeckungskonzept setzte das fort, was die Holländer angefangen hatten.

Mit Pressing wurde der Raum, den der Gegner zum Spielen hat, extrem reduziert. Und die verteidigende Mannschaft begann, sich als Einheit in Richtung Ball zu verschieben. Und nicht mehr nur einem Gegner hinterherzulaufen.

Trainer mit 26

Sacchis Trainerkarriere begann in seinem Heimatort Fusignano. Weil er nicht gut genug war, um für seinen Heimatort zu spielen, trainierte er eben das Team. Mit 26 Jahren. Sein Geld verdiente er als Verkäufer in der Schuhfirma seines Vaters.

Die nächsten Schritte auf der Karriereleiter waren klein. Als Jugendcoach begann er in der dritten Liga, bevor er das Nachwuchsteam des AC Florenz übernehmen durfte, immerhin ein Serie A-Klub. Von da aus ging es nach Parma, damals in Liga 3.

Aber Sacchi war nun Cheftrainer der ersten Mannschaft. Mit nur 14 Gegentoren in 34 Spielen schaffte er den Aufstieg in Liga 2, denn eine solide Defensive war immer die Grundlage seines Systems.

Berlusconi greift zu

Im Jahr darauf verpasste Parma den Aufstieg in die Serie A nur knapp, besiegte aber den AC Mailand im Pokal gleich zwei Mal (damals gab es eine Gruppenphase und anschließend eine K.o.-Runde). Das war genug, um die Aufmerksamkeit von Silvio Berlusconi zu wecken, der Milan kurz zuvor gekauft hatte.

Dass Sacchi keine Spielerkarriere vorzuweisen hatte, thematisierte er gleich zu Beginn seiner Amtszeit beim neuen Klub. "Ich komme vielleicht nur aus Fusignano, aber was habt ihr eigentlich gewonnen?", fragte er seine Spieler.

Die Antwort war: Nicht viel. Ein Meistertitel in zwanzig Jahren war für einen Klub von Milans Rang eher ärmlich. Außerdem war da noch ein Zwangsabstieg in die Serie B (wegen eines Bestechungsskandals) im Jahr 1980. Wenig Erfolg in der Vergangenheit bedeutet eben auch eines: Nämlich die Bereitschaft der Spieler, sich auf Neues einzulassen. Das Alte hat schließlich nicht sonderlich gut funktioniert.

Es half natürlich, dass Berlusconi seinem neuen Trainer auch Spieler vom Kaliber eines Ruud Gullit, Frank Rijkaard und Marco van Basten besorgte (auch wenn der im ersten Jahr ständig verletzt war). Für die Holländer waren Sacchis Vorstellungen jedenfalls nicht total fremd und der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Milan verlor nur zwei Saisonspiele und holte den Titel.

Üben bis zum Umfallen