Dirk Hebel ist Spielerberater bei der Agentur "Sportstotal" und berät mit seinen Kollegen Spieler wie Mladen Petric, Benedikt Höwedes oder Eren Derdiyok. Doch was gehört - neben Verhandeln und Telefonieren - überhaupt zu den Hauptaufgaben eines Beraters? Hebel gewährt im Interview mit SPOX einen interessanten Blick hinter die Kulissen.
SPOX: Die Transferphase ist seit knapp einem Monat vorbei. Wie sehr haben Sie sich auf Ihren Urlaub gefreut?
Dirk Hebel: Der erste Anruf am Morgen des 1.9. war gleich wieder von einem Bundesligamanager, der mir sagte: "Du weißt doch, nach der Transferperiode ist vor der Transferperiode". Es geht eigentlich nahtlos ineinander über.
SPOX: Dann fehlt also das Wort Urlaub in Ihrem Sprachgebrauch?
Hebel: Nein, irgendwann machen wir schon mal Urlaub. Meiner war dieses Mal am Anfang der Transferperiode. Dort passiert erfahrungsgemäß relativ wenig.
SPOX: Am 31. August endete die traditionell sehr stressige Transferphase. Wie war es für Sie?
Hebel: Das konzeptionelle Geschäft sollte an diesem Tag längst vorbei sein. Wenn man am 31. August noch vier oder fünf Spieler unterbringen muss, dann hat man irgendetwas falsch gemacht. Durch gewisse Umstände wie Verletzungen oder Trainerwechsel kann natürlich immer mal eine Spitze entstehen. Dieses Mal haben wir bei einer Sache bis eine halbe Stunde vor Mitternacht auf das erlösende Fax gewartet.
SPOX: Heiß diskutiert wurde im Sommer der Fall Klaas-Jan Huntelaar, der nach Stuttgart wechseln sollte. Der Transfer scheiterte letztlich am Veto des Spielers, obwohl sich die Vereine längst einig waren. Wie sahen Sie dieses Gezerre?
Hebel: Den speziellen Fall kann ich nicht beurteilen, weil ich dazu wenig Einblick habe. Aber nehmen wir doch Sie als Beispiel.
SPOX: Wie bitte?
Hebel: Wenn sich nun beispielsweise Ihr Arbeitgeber SPOX und die "Kölner Rundschau" darüber einigen, dass Sie ab nächster Woche bei der "Kölner Rundschau" arbeiten, dann können Sie doch sagen: 'Das interessiert mich nicht'. Da sind Sie doch dann nicht verpflichtet, nächste Woche in Köln zu arbeiten. So weit sind wir Gott sei dank noch nicht. Der Spieler entscheidet, bei welchem Arbeitgeber er spielt und sonst niemand. Ein Spieler muss das Recht haben, Nein sagen zu können - aus welchen Gründen auch immer.
SPOX: Was ist denn jetzt für Sie bis zum nächsten Transferfenster im Winter zu tun?
Hebel: Wir müssen grundsätzlich die Finger am Puls der Zeit haben. Ich bin freitags, samstags, sonntags und montags immer im Stadion. Es gibt kein Wochenende, an dem ich nicht mindestens vier Spiele sehe. Dazu kommen noch Jugendspiele.
SPOX: Was genau machen Sie dann im Stadion?
Hebel: Diese Zeit wird dafür genutzt, um den einen oder anderen Entscheidungsträger zu treffen und zu schauen, welchen Bedarf die Vereine haben. Schlussendlich muss man aber auch aufgrund eigener Beobachtungen erschließen, wo ein Verein noch Bedarf haben könnte. Und dazu muss man Spiele sehen und Stärken und Schwächen der Mannschaften beurteilen können.
SPOX: Wenn Sie ständig so viel unterwegs sind: Wissen Sie überhaupt noch, wo Sie zuletzt überall waren?
Hebel: Hier in Deutschland war ich eigentlich in jeder Fußballstadt. Zudem war ich in Madrid, London, Istanbul, Zagreb, Split, Moskau, Enschede - ich glaube das war's.
SPOX: Wie würden Sie die Hauptaufgabe eines Spielerberaters umschreiben? Es gibt ja keine Ausbildung für diesen Beruf...
Hebel: Die einzelnen Agenturen haben verschiedene Ansätze. Es gibt Berater, die als "Einzelkämpfer" unterwegs sind. Es gibt große Agenturen und welche dazwischen. Die "Einzelkämpfer" werden jedoch immer weniger. Ich denke, die kommen noch aus einer anderen Zeit und zählen zumeist auch zu einer eher älteren Generation. Grundsätzlich möchte ich mir aber kein Urteil über unsere Konkurrenz erlauben und lieber unsere Firma zugrunde legen.
SPOX: Bitteschön.
Hebel:Sportstotal stützt sich auf mittlerweile 17 Mitarbeiter im Innen- und Außendienst. Diese Mitarbeiter sind zuständig für Scouting, die persönliche Betreuung der Spieler sowie deren unmittelbaren Angehörigen, Ausbau und Pflege unseres Netzwerkes, Imagepflege und öffentliche Präsentation unserer Spieler.
SPOX: Das Klischee ist ja, dass den Spielern ganz schön viel abgenommen wird. Stimmt das?
Hebel: Die von uns betreuten Spieler sollen abends ins Bett gehen und beruhigt mit dem Gedanken einschlafen können, dass alles außerhalb des Fußballplatzes von uns zu ihrer vollsten Zufriedenheit geregelt wird. Wir glauben, dass nur bei einer solch umfassenden Betreuung eine optimale Leistungsfähigkeit des Spielers erreicht werden kann.
SPOX: Sie sprachen das Scouting an. Wo laufen denn die Ergebnisse zusammen?
Hebel: Wir haben ein wöchentliches Team-Meeting. Dort werden alle Informationen zusammen getragen. Über unsere Datenbank haben wir die Möglichkeit, 24 Stunden nach Spielende mit unseren Spielern über Internet und Telefon einzelne Spielszenen zu besprechen und zu analysieren.
SPOX: Stichwort Analyse von Spielszenen: Auf welche Dinge achten Sie dabei?
Hebel: Auf die persönlichen Merkmale: Körpersprache, Außendarstellung, Umgang mit positiven und negativen Erlebnissen. Wie verhalte ich mich bei Ballverlust? Wo hätte ich abspielen müssen? Für eine solch individuelle Betreuung hat ein Trainer nicht in jeder Woche Zeit. Wir setzen dort an, um unsere Spieler besser zu machen.
SPOX: Wie sind Sie denn zu Ihrem Job gekommen?
Hebel: Die Anfangszeit ist immer am schwierigsten. Ich habe damit angefangen, ehemalige Mannschaftskollegen zu betreuen. Die sind schon damals auf mich zu gekommen und haben mich nach Rat gefragt. Und dann entwickelte sich das einfach über Mundpropaganda und einfaches Ansprechen.
SPOX: Wie viele Spieler beraten Sie persönlich?
Hebel: Bei uns werden Teilgebiete vergeben. Verschiedene Mitarbeiter betreuen verschiedene Vereine und deren Entscheidungsträger. Dazu kommen die von mir schon erwähnten Mitarbeiter, die viele Kleinigkeiten für die Spieler erledigen und damit mir und meinem Partner viele Dinge abnehmen. Insgesamt betreuen wir mit unseren 17 Mitarbeitern rund 50 Spieler.
SPOX: Was sind denn zum Beispiel die vielen Kleinigkeiten?
Hebel: Wenn wir mal den Wechsel von Eren Derdiyok von Basel nach Leverkusen nehmen: Da besorgt man dem Spieler gewisse Papiere und muss dafür sorgen, dass er am ersten Trainingstag eine fertige Wohnung beziehen kann, das Auto vor der Tür steht, der Handyvertrag passt, Telefon- und Internetanschluss eingerichtet sein und so weiter.
SPOX: Was muss getan werden, um Verein und Spieler zusammen zu bringen?
Hebel: Wir müssen ganzjährlich wissen, welcher Verein welchen Bedarf hat. Wo könnte unser Spieler passen? Wer ist dort Trainer? In welchem System wird gespielt? Welche Mitspieler gibt es? Wer spielt auf meiner Position?
SPOX: Wie geht es dann weiter, wenn all diese Fragen beantwortet sind?
Hebel: Haben wir alle Infos zusammengetragen, liefern wir diese an unsere Spieler. Das Ziel ist, aufgrund unserer Recherchen dem Spieler möglichst zur richtigen Vereinswahl zu verhelfen. Ganz wichtig aber: Wir liefern die nötigen Informationen, der Spieler und sein Umfeld treffen die Entscheidung.
SPOX: Liegen Sie bei Ihren Analysen und Recherchen immer richtig?
Hebel: Es kann vorkommen, dass Vereine andere Baustellen im Kader sehen, als wir das von außen vermuten. Wir versuchen, wie ein Klubmanager zu denken. Oft liegen wir hierbei auch goldrichtig. Manchmal aber auch ganz daneben. Dies ist aber das Schöne am Fußball: Zehn Betrachter, zwölf verschiedene Meinungen. Herrlich!
SPOX: Sobald aber ein Vertrag unterschrieben wird, dürfte auch für Sie Geld fließen. Das ist ja wie bei der Provision eines Immobilienmaklers.
Hebel: Der Vergleich hinkt natürlich sehr, aber irgendwie ist es schon zu vergleichen. Wir müssen aber einen Spieler nicht von A nach B verkaufen, um Geld zu verdienen. Auch bei einer Vertragsverlängerung wird man bezahlt. Dadurch wird auch das allgemeine Vorurteil entkräftet, das der Berater nur deshalb ein Interesse an einem Transfer seines Spielers hat, weil er dann Provision verdienen kann.
Jetzt beim SPOX-Tippspiel zur Bundesliga antreten und tolle Preise gewinnen!
SPOX: Sie waren ja selbst Profi. Wie war das zu Ihrer Zeit?
Hebel: Als ich 20 Jahre alt und Fußballer war, da hatte ich von den ganzen Dingen, die rund um den Fußball passieren, gar keine Ahnung.
SPOX: Verständlich.
Hebel: Das war auch nicht meine Aufgabe. Meine Aufgabe war, gut zu spielen und Leistung zu bringen. Das kann ich aber nur, wenn ich glücklich bin und glücklich sein kann ich nur, wenn mein Umfeld stimmt. Und dafür muss jemand zuständig sein, dem ich im Idealfall voll Vertrauen kann. Wir sprechen hierbei oft von einer Drei-Säulen-Theorie.
SPOX: Die da wäre?
Hebel: Erstens: Der Spieler muss glücklich sein und sich wohlfühlen. Zweitens: Die sportliche Perspektive muss stimmen. Ist das so, dann kommt die dritte Säule - die Finanzen - von ganz alleine. So sehe ich die Zusammenhänge. Deswegen ärgert es mich manchmal, dass die Berater ein ganz schlechtes Image haben.
SPOX: Inwiefern?
Hebel: Das rührt daher, dass es auf dem Markt auch einige Leute gibt, die nicht gut arbeiten. Deshalb haben wir nun eine Organisation unter lizenzierten Beratern gegründet, die sich alle an die FIFA-Regeln halten müssen. Wenn dies nicht der Fall ist, drohen uns Sanktionen bis hin zum Lizenzentzug. Wir haben uns einfach gesagt, dass wir es nicht mehr akzeptieren, dass nichtlizenzierte Berater machen können, was sie wollen und dem Image der gesamten Branche schaden.
Im Trend
Das könnte Dich auch interessieren

.jpg?quality=60&auto=webp&format=pjpg&width=317)

