SPOX: Herr Feiersinger, vor 16 Jahren sind Sie mit Borussia Dortmund ins Champions-League-Finale eingezogen, nun arbeiten Sie seit einigen Jahren als Wirt auf der Hochwildalm in Aurach in Tirol und gehen in 1557 Metern Höhe Ihrer Arbeit nach. Wie sieht die denn genau aus?
Wolfgang Feiersinger: Ich betreibe eine Schutzhütte mit zehn Schlafplätzen. Wenn wir Gäste haben, die bei uns übernachten, beginnt der Tag meistens um 6, 7 Uhr. Ich komme dann zwischen 22 und 23 Uhr ins Bett und schlafe auch in der Hütte. Sind keine Gäste über Nacht bei uns, kann ich sozusagen "zu Hause" im Tal schlafen und erledige bei dieser Gelegenheit auch die Einkäufe, die es für die Alm braucht.
SPOX: Was passiert zwischen 6 und 22 Uhr?
Feiersinger: Morgens trifft man die Vorbereitungen für den restlichen Tag, kocht vor und bewirtet die ankommenden Gäste. Das geht dann ins Ab- und Aufräumen sowie Abwaschen über und wird von der Bewirtung am Abend wieder abgelöst.
SPOX: Sie bewirten die Alm zwischen Juni und Oktober. Was unternehmen Sie zwischen November und Mai?
Feiersinger: Es fallen unmittelbar nach Saisonende noch kleinere Maßnahmen an, sodass meine Freundin und ich hin und wieder an den Wochenenden oben sind und werkeln. Ansonsten hoffen wir, dass das Wetter mitmacht und wir unsere Hobbys in vollsten Zügen genießen können.
SPOX: Wie entstand denn überhaupt die für einen ehemaligen Fußballprofi doch recht ungewöhnliche Idee mit der Hütte?
Feiersinger: Das hat sich mit der Zeit entwickelt. Ich bin nach meiner Karriere als Fußballer sehr viel in den Bergen unterwegs gewesen. Klettern, Bergsteigen und Skifahren waren schon immer meine großen Leidenschaften. Als meine Freundin und ich eines Tages mal wieder an einer Hütte vorbeikamen, haben wir uns gesagt, dass das auch etwas wäre, was wir mal versuchen könnten. Daraufhin haben wir eher zufällig die Hochwildalm bekommen können, die hinsichtlich der Lage und Größe unseren Vorstellungen entsprochen hat. Seitdem sind fünf Jahre vergangen.
SPOX: Bestand zu Anfang eine gewisse Unsicherheit, ob man es so weit vom "normalen" Alltag entfernt überhaupt auf Dauer aushält?
Feiersinger: Wenn man 20 Jahre als Profi im Fußballgeschäft tätig ist, dann ist das schon eine Umstellung. Die fiel mir unter dem Strich aber leicht, ich konnte mich problemlos in das "normale" Leben wieder integrieren. Ich komme aus der Gegend, liebe die Berge - das hier sind einfach meine Wurzeln.
SPOX: Hatten Sie Ihr Dasein als Fußballer auch irgendwie satt?
Feiersinger: Ich bin wirklich froh, dass dieser Abschnitt meines Lebens vorbei ist und ich mich sozusagen frei bewegen kann. Als Fußballer bewegt man sich in Kreisen, in denen man vielleicht gar nicht so gern unterwegs ist. In dieser Umgebung wird man verwöhnt und gerät leicht in die Gefahr, von sich selbst zu denken, man sei etwas Besseres als andere. Jetzt bin ich mein eigener Chef.
SPOX: Wie reagieren denn jetzt Ihre Gäste auf Sie?
Feiersinger: Wer mich nicht erkennt, reagiert vollkommen normal (lacht). Es kommt aber natürlich schon ab und zu vor, dass ich angesprochen werde - gerade von den Deutschen. Das liegt wohl einfach am höheren Stellenwert des Fußballs, den meisten ist noch bewusst, was wir bei Borussia Dortmund damals erreicht haben. Das freut mich irrsinnig.
SPOX: Wie sieht das Feedback Ihrer ehemaligen Fußball-Kollegen aus?
Feiersinger: Andreas Möller kam mal unangekündigt vorbei, das war sehr lustig. Sonst waren eher weniger Ex-Kollegen hier. Die meisten werden sich sicherlich sagen: Der hat doch einen Vogel, warum ist er nicht im Fußball geblieben? Das ist mir aber völlig egal.
SPOX: Zu Ihren Füßen liegt die Glitzerwelt Kitzbühel, die auf Ihrer Hütte Lichtjahre entfernt zu sein scheint. Wie krass nehmen Sie diesen Kontrast wahr?
Feiersinger: Es ist schon bedenklich, was dort unten über die Jahre passiert ist. Dieser Ausverkauf von Identität und Kultur stößt mir negativ auf. Das Kitzbüheler Klientel ist in seltenen Fällen auch mal bei mir zu Gast und da merkt man dann schon, wie verschiedene Gedankenwelten aufeinanderprallen. Doch auch wenn wir nur ein paar Kilometer von Kitzbühel entfernt sind, befinden wir uns bereits in einer anderen Region, die deutlich weniger überlaufen und nicht so sehr auf Kommerz aus ist.
SPOX: Wie viel Lebensgefühl steckt für Sie in Ihrer Arbeit in den Bergen?
Feiersinger: Unglaublich viel. Gerade, wenn man bedenkt, welch harter Job es ist, eine solche Hütte dauerhaft zu betreiben. Es führt ja keine Straße dort hoch, manchmal müssen wir kurzfristig auch ohne Strom auskommen. Die fünf Monate gehen schon an die Substanz, weil eben viele Stunden am Tag dafür geopfert werden müssen. Ohne genug Idealismus würde das nicht gehen. Wenn du dann mal wenige Gäste hast und morgens beim Frühstück oder abends beim Sonnenuntergang entspannt draußen sitzen kannst, sind das einfach wunderschöne Momente.
Seite 2: Feiersinger über seinen Job bei RB Salzburg und das CL-Finale 1997