SPOX: Welchen Aufwand haben Sie zu Ihrer Anfangszeit bei Hannover 96 betreiben müssen, um Schritt halten zu können?
Asamoah: Ich bin mit dem Bus zum Training gefahren. Damals war es als junger Spieler deutlich schwieriger, sich in einer 1. Mannschaft zu etablieren. Mein Glück war, dass Hannover in die 3. Liga abstieg, so dass man gezwungen war, auf Leute wie mich zu setzen. Doch obwohl es für mich dann sehr gut lief, blieb ich im Ansehen ein junger Spieler. Ich hatte gegenüber den gestandenen Jungs, die für mich auch echte Männer waren, nichts zu sagen. Da konnte ich so gut spielen, wie ich wollte. Ich hatte auch gar nicht den Mut, den Mund überhaupt aufzumachen (lacht).
SPOX: Dann war früher also doch nicht alles besser.
Asamoah: Die Zeiten ändern sich eben. So wie wir jungen Spieler damals drauf waren - das wäre heute gar nicht mehr denkbar. Ich denke aber, dass wir aufgrund dieser Umstände einen anderen Ehrgeiz entwickelt haben. Wir wollten uns selbst und den gestandenen Spielern zeigen, dass wir unser Ziel erreichen werden. Manchmal bezweifle ich, ob heutzutage jeder innerhalb seiner komfortablen Situation alles dafür tut, um an sein Ziel zu kommen. Und das Ziel kann nur sein, gestandener Profi zu werden und sich eben nicht damit zufrieden zu geben, dass es als Jugendspieler ganz ordentlich läuft.
SPOX: Wie war es für Sie, erstmals richtig Geld zu verdienen, wie fühlt man sich da?
Asamoah: Das erste gute Gehalt, das ich mit dem Fußball verdient habe, wurde noch meinem Vater aufs Konto überwiesen. Ich hatte nämlich gar keins (lacht). Es mag abgedroschen klingen, aber ich war nie der Typ, der viel Wert auf Geld gelegt hat. Ich wollte einfach immer Fußball spielen, so dass ich sowieso kaum Zeit hatte, das Geld in irgendeiner Art zu verschwenden. Mit 19 bekam ich vom Verein einen Wagen gestellt. Da wäre ich nicht auf den Gedanken gekommen, mir von meinem eigenen Geld ein noch besseres Auto zu leisten. Ich lebte lange Zeit bei meinen Eltern. Wäre ich nicht zu Schalke gegangen, würde ich wohl heute noch dort wohnen (lacht).
SPOX: Sie unterlagen nie der Versuchung, mal einen größeren Betrag in die Hand zu nehmen und sich einen Wunsch zu erfüllen?
Asamoah: Nicht in diesem Sinne, nein. Ich weiß noch, wie ich als Profi meinen ersten größeren Urlaub verbracht habe. Ich bin mit Fabian Ernst, der auch heute noch ein guter Kumpel von mir ist, und einigen anderen Spielern nach Fuerteventura geflogen. Drei Tage später saß ich schon wieder im Flieger zurück, Fuerteventura war einfach nicht meine Welt. Später auf Schalke bin ich das erste Mal mit Familie und Freunden nach Ghana geflogen. Das hat mir gefallen und zugleich auch gereicht. Natürlich habe ich mir mit der Zeit auch mal gewisse Dinge gegönnt, aber eigentlich nie so materielle Dinge wie zum Beispiel einen exotischen Urlaub.
SPOX: Per Mertesacker hat im Film "Die Mannschaft" zugegeben, dass er bei seinem legendären Eistonnen-Interview endlich einmal die Wahrheit gesagt hat. Wie oft mussten Sie während Ihrer aktiven Zeit um Ihre eigene Meinung herum sprechen?
Asamoah: Ich bin das sehr defensiv angegangen. Das ging und geht ja aber auch nicht anders. Wenn du aus der Emotion heraus etwas Deutliches sagst - egal, ob positiv oder negativ -, begleitet dich das medial mindestens die gesamte nächste Woche. Daher habe ich natürlich darauf geachtet, diesbezüglich keine "Fehler" zu begehen und mir solche Probleme zu ersparen.
SPOX: Hatten Sie anfangs Schwierigkeiten damit, nicht immer das zu sagen, was Sie denken?
Asamoah: Man bekommt schnell mit, wie das alles funktioniert und passt sich dann an. Das sieht man ja auch heutzutage noch. Ich habe es mal am eigenen Leibe erfahren, als von mir 2007 der Spruch zu lesen war, ich würde zu Fuß von Dortmund nach Gelsenkirchen laufen, wenn wir damals beim BVB Meister geworden wären. Das war einfach nur ein flapsiger Ausspruch, der in der Form, in der das Zitat bis heute besteht, so nie von mir geäußert wurde. Da wurde einem noch einmal vor Augen geführt, dass es grundsätzlich besser ist, wenn man etwas zurückhaltender agiert, um keinen Stress mit solchen Dingen zu haben.
SPOX: Kürzlich sind Sie in die Schlagzeilen geraten, weil Sie unter Alkoholeinfluss mit Ihrem Auto gegen einen Baum gefahren sind. Wie oft haben Sie sich dafür im Nachhinein schon an den Kopf gefasst?
Asamoah: Sehr oft. Alleine die Tatsache, dass meine Kinder ohne ihren Vater hätten aufwachsen können, zeigt, was für ein Riesenfehler das war. Ich habe unüberlegt gehandelt, hatte großes Glück und habe vor Gericht dafür eine gerechte Strafe erhalten.
SPOX: Haben Sie sich seit seiner Alzheimererkrankung schon mit Rudi Assauer getroffen, der sieben Jahre lang Ihr Manager auf Schalke war?
Asamoah: Ja, wir waren schon ein paar Mal zusammen essen. Das letzte Mal habe ich ihn beim "Charity Renntag" in der Gelsenkirchener Trabrennbahn gesehen. Das Schöne ist, dass er mich noch erkennt. Das freut mich wirklich sehr.
SPOX: Wie unterhalten Sie sich mit ihm?
Asamoah: Er gibt die Themen vor und ich gehe dann darauf ein. Die Kommunikation funktioniert noch ganz gut. Wir sprechen auch über allgemeine Dinge, nicht nur über Fußball. Es macht weiterhin Spaß mit ihm und ich glaube, ihm gefällt das auch sehr. Es ist einfach ein Jammer, dass ein solch starker Mann diese tückische Krankheit durchleiden muss. Wie seine Tochter und er damit umgehen, davor muss man wirklich alle Hüte ziehen.
SPOX: Ihnen macht eine Verdickung der Herzscheidewand zu schaffen, deshalb wurde während Ihrer Spiele immer ein Defibrillator bereitgehalten. Es hieß, Ihr Risiko für einen Herzstillstand läge bei einem Prozent. Hat sich an dieser Situation eigentlich etwas geändert?
Asamoah: Nein, es ist alles beim Alten. Der Defibrillator stünde überall für mich bereit, zudem lasse ich mich regelmäßig von einem Arzt untersuchen. Das ist ein nicht heilbares Problem, die Sache wird sich nicht mehr verbessern. Ich bin sehr froh, dass ich damit dennoch jahrelang Hochleistungssport betreiben konnte.
SPOX: Schon während dieser Zeit setzten Sie sich für den Kampf gegen Rassismus ein. Was haben Sie gedacht, als Ende Oktober tausende Nazis in Köln unter fragwürdigem Vorwand Randale gemacht haben?
Asamoah: Das ist natürlich ein Wahnsinn. Da denke ich nicht anders als jeder andere vernünftige Mensch. Das Problem in unserer Gesellschaft ist jedoch, dass wir nur dann über das Thema Rassismus reden, wenn etwas Schlimmes passiert ist. Gibt es kein Ereignis, das die Massen in Aufruhr versetzt, dann reden wir auch kaum darüber. Wir sollten nicht nur dann hingucken, wenn wir auch etwas sehen. Es braucht einen ernst- und dauerhaften Diskurs zu diesem Thema.
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