SPOX: Herr Asamoah, die Schalker Reserve hat erst drei Spiele in dieser Saison gewonnen und steht auf Tabellenplatz 15 der Regionalliga West. Auf diese trostlose Weise kann doch Ihre Karriere nicht enden, oder?
Gerald Asamoah: So denke ich nicht. Die Saison läuft bislang bescheiden, das ist das weitaus größere Problem. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir nicht absteigen. Da ist es egal, ob es die erste oder letzte Saison meiner Karriere ist.
SPOX: Sie sind seit etwas über einem Jahr wieder auf Schalke und spielen dort für die U 23, fungieren nebenbei aber auch als eine Art Botschafter des Vereins. Was wäre mit Ihnen passiert, wenn nach Ihrer Zeit in Fürth der S04 nicht auf Sie zugekommen wäre?
Asamoah: Ich hatte schon noch andere Möglichkeiten in höheren Ligen. Es war nicht so, dass es keine anderen Optionen gab. Als Schalke mich aber ansprach, habe ich mich gefragt, ob ich Profi bleiben oder dort in der zweiten Mannschaft mithelfen möchte. Und da ich mich auf Schalke einfach enorm wohlfühle, hat das meine Entscheidung natürlich beeinflusst. Ich bin froh, zurück zu sein.
SPOX: Dass Sie sich mit 34 Jahren dazu entschieden, noch einmal in der 4. Liga mit anzupacken, ist sicherlich ungewöhnlich. Wäre die Rolle als Vereinsbotschafter ohne nebenher noch Fußball zu spielen für den Beginn zu langweilig für Sie gewesen?
Asamoah: Gewissermaßen schon. Ich fühlte mich eindeutig noch nicht so alt, um gleich ganz aufzuhören. Ich liebe diesen Sport, deshalb gebe ich ihn auch nicht so einfach auf (lacht). Das Angebot, noch zwei Jahre zu spielen, die Jungen anzuleiten und nebenher repräsentative Aufgaben für meinen Lieblingsklub zu übernehmen, passte ideal in meinen Kram.
SPOX: Ist es schon endgültig entschieden, dass Sie nach dieser Spielzeit die Fußballschuhe an den Nagel hängen?
Asamoah: Mein Karriereende ist im Grunde beschlossen. Ich spüre morgens beim Aufstehen mittlerweile mehr Wehwehchen, als mir lieb ist. Wir trainieren ja nicht wie Amateure, sondern bis zu zwei Mal am Tag. Ich bin jetzt 36, irgendwann muss ja mal Schluss sein. Und ich fühle, dass jetzt nicht unbedingt der schlechteste Zeitpunkt dafür wäre.
SPOX: Was soll dann im nächsten Sommer passieren, gab es schon Gespräche mit den Schalker Verantwortlichen?
Asamoah: Wir sind und bleiben im Austausch. Es besteht beispielweise die Möglichkeit, Botschafter zu bleiben. Ich kann mir aber auch vorstellen, als Jugendtrainer anzufangen. Ich habe den B-Schein und werde die Trainer-A-Lizenz noch machen. Was klar ist: Ich will auf Schalke bleiben. Letztlich muss ich selbst entscheiden, welchen Weg ich künftig gehen möchte. Ich stelle mir vor allem die Frage: Kann ich ohne Fußball überhaupt leben? Ich mache mir derzeit also meine Gedanken, habe aber noch Zeit.
SPOX: Was glauben Sie, können Sie ohne Fußball leben?
Asamoah: Ich hoffe doch (lacht). Es ist nicht leicht, das aus dem jetzigen Stand heraus zu beurteilen. Es wird definitiv etwas Neues für mich sein. Ich habe ja mein Leben lang nur Fußball gespielt. Vor dieser Situation habe ich Respekt, aber keine Angst. Ich werde schon ein Gefühl dafür bekommen, da bin ich sicher. Man hat als Fußballer ein schönes Leben, das man genießt. Jetzt kommt dann bald der nackte Alltag auf mich zu. Daher habe ich auch den Gedanken an den Trainerjob. Da würde ich noch auf dem Platz stehen, das Gras riechen und beispielsweise nicht nur in einem Bürogebäude sitzen.
SPOX: Die Höhepunkte Ihrer Karriere liegen nun schon einige Zeit hinter Ihnen. Wie schwer ist es zu akzeptieren, dass die Zeit als Bundesligaprofi endgültig vorüber ist?
Asamoah: Als ich das Angebot von Schalke annahm, wusste ich: Jetzt ist die Profilaufbahn vorbei. Mir war aber wichtig, nicht von heute auf morgen aufzuhören. Die Aufgabe bei der U 23 begleitet mich jetzt ins vollständige Karriereende. Natürlich ist es wunderschön, dass ich jetzt viel mehr Zeit für meine Familie habe als früher. Es ist andererseits keine einfache Sache, wenn das jahrelange Profidasein und all die positiven Begleiterscheinungen, die damit einhergehen, plötzlich wegfallen. Man vermisst diese Zeit schon ein wenig. Ich finde aber, dass ich in diesem ersten Jahr den Übergang gut hinbekommen habe.
SPOX: Noch tingeln Sie in der Regionalliga über die Sportplätze, spielen dort auch schon mal vor weniger als 500 Zuschauern.
Asamoah: Es ist sehr schön, noch einmal in die Zeit seiner eigenen Anfänge zurückgeworfen zu werden. Jetzt gibt es wieder diese Nähe zu den Zuschauern, ich kriege alles mit, was sie über einen sagen, ihre Reaktionen. Das ist eigentlich der ursprüngliche Fußball, den ich besonders liebe. Dass es nicht mehr diese Glitzerwelt ist, stört mich überhaupt nicht.
SPOX: Wie sehr Glitzerwelt war denn früher?
Asamoah: Die gab es schon. Als Profi bekommt man ja das ganze Drumherum kaum mit. Du wirst ins Stadion gefahren, machst dich warm, spielst das Spiel, gehst duschen und wirst wieder nach Hause gefahren. Es kann schon sein, dass man dann vielleicht gar nicht so richtig wahrnehmen kann, wie schön man es eigentlich hat und was in der "normalen" Welt alles passiert. Ich hatte das Glück, dass das Geschäft zu meinen Anfängen noch relativ alltäglich war und nicht so dermaßen im Fokus der Öffentlichkeit stand. Heutzutage wird einem schon viel abgenommen.
SPOX: Wie erging es Ihnen in solchen Fragen?
Asamoah: Wenn einem bestimmte Dinge nach und nach abgenommen werden, verselbständigt sich das schon. Ich hatte auch einmal das Problem, dass ich irgendetwas Alltägliches machen sollte, es aber überhaupt nicht hingekriegt habe - weil ich einfach nicht wusste, wie es richtig funktioniert. Das hört sich jetzt dramatischer an, als es ist. Als Spieler kann man aber schon vor der Gefahr stehen, relativ hilflos zu sein, wenn man solche Dinge eines Tages selbst regeln muss.
SPOX: Ist es für die heutige Spielergeneration in Ihren Augen gefährlich, sich schon zu Beginn des Erwachsenwerdens in dieser Umgebung aufzuhalten?
Asamoah: Das ist möglich. Die Entwicklungen lassen sich aber nicht stoppen. Heute spielen 17- oder 18-Jährige bereits in der Youth League, reisen um die Welt und erleben Dinge, die in diesem Alter ungewöhnlich sind. Auf der einen Seite ist das förderlich für die Entwicklung junger Spieler, auf der anderen Seite darf niemals das Gefühl entstehen, dies sei alles normal. Sonst könnte man den Blick auf die Realität verlieren. Auch die Eltern und Berater der Spieler sind gefragt, den Einzelnen zu erden.
SPOX: Wie nehmen Sie Ihre deutlich jüngeren Kollegen innerhalb der 4. Liga wahr?
Asamoah: Es ist eine andere Generation. Sie tickt anders, nicht zu vergleichen mit der Zeit, als wir so alt waren. Klassisches Beispiel: Früher war es Normalität, dass die jungen Spieler die Trainingsutensilien auf den Platz getragen und auch wieder eingesammelt haben. Das sehen heute nicht alle so. Natürlich gibt es auch jetzt noch genügend Heranwachsende, die kapieren, trotz erster Zwischenerfolge nicht durchdrehen zu dürfen und geduldig zu bleiben. Es gibt aber auch Spieler, die schon sehr früh denken, sie wären's. Das sind in der Regel diejenigen, die den Sprung zum Profi nicht schaffen.
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