"Tuchel plötzlich ein anderer Mensch"

Jochen Tittmar
20. April 201515:46
Nach seiner Rückkehr zu Mainz erzielte Zidan in seinen ersten sechs Spielen jeweils ein Torimago
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Im Sommer 2012 wechselte Mohamed Zidan in die Vereinigten Arabische Emirate - seitdem hat man vom ehemaligen Stürmer des 1. FSV Mainz 05 und von Borussia Dortmund nur noch wenig gehört. Der 33-Jährige ist mittlerweile vereinslos. Im Interview spricht Zidan über sein Verletzungspech und die wahre Odyssee in Abu Dhabi, seine Differenzen mit Thomas Tuchel sowie seine Ziele für die kommende Saison.

SPOX: Herr Zidan, am 30. Juli 2012 unterschrieben Sie einen Zweijahresvertrag bei Baniyas Sport Club in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Vor einigen Wochen hat man Sie als Trainingsgast bei Borussia Dortmund beobachten können. Wie sieht der aktuelle Stand bei Ihnen aus?

Mohamed Zidan: Meine Karriere ist noch nicht beendet. Ich befinde mich auf Vereinssuche für die kommende Saison.

SPOX: Sie werden seit 2013 als vereinslos geführt. Wie kam's?

Zidan: Mein Vertrag in Abu Dhabi ging bis Sommer 2014. Ich habe mich aber 2013 schwerer am Knie verletzt. Daraufhin musste ich mich operieren lassen und bin eine längere Zeit in der Reha gewesen. Derzeit befinde ich mich im Aufbautraining und komme langsam aber sicher wieder in Form. Allerdings habe ich mir kürzlich einen kleinen Faserriss zugezogen, der nun erst einmal ausheilen muss.

SPOX: Und beim Thema Aufbautraining kam Ihnen die Idee, bei Ihren alten Teamkollegen vom BVB nachzufragen?

Zidan: Genau. Ich habe zur Borussia noch einen engen Draht und ein gutes Verhältnis, es sind noch viele Freunde dort. Deshalb habe ich Kloppo einfach mal angerufen und gefragt, ob ich vorbeikommen und mittrainieren darf. Ich habe dann zwischen Januar und Februar ein paar Einheiten zusammen mit der Mannschaft absolviert, aber auch Einzelschichten geschoben. Das war so abgesprochen, da Kloppo Teile des Trainings eben nur mit dem Kernteam durchführen wollte. Ich war drei Wochen lang da und durfte beispielsweise auch in den Footbonaut, was mir sehr gut getan hat.

SPOX: Wo befindet sich Ihr Lebensmittelpunkt, wohnen Sie noch in Dortmund?

Zidan: Meine Frau und meine beiden Kinder wohnen in Kopenhagen. Dort verbringe ich momentan die meiste Zeit, auch wenn ich zuletzt meist zwischen Kopenhagen und Dortmund gependelt bin. Ich habe von früher noch zwei Wohnungen in Hamburg und Dortmund. Nach seiner Rückkehr hat dort übrigens Nuri Sahin gewohnt, jetzt ist Shinji Kagawa mein Mieter (lacht).

SPOX: Wie steht es denn abgesehen von dem Faserriss um Ihren körperlichen Zustand?

Zidan: Mit dem Knie habe ich keine Probleme mehr, das ist überstanden. Ich halte mich fit und dürfte nach dem Faserriss nicht lange brauchen, um den Rückstand aufzuholen. Ich will mich aber nicht unter Druck setzen. Bis zum 1. Juli habe ich jetzt noch über zwei Monate Zeit. Mein Ziel ist es, einen Verein zu finden, mit dem ich topfit in die Vorbereitung auf die neue Saison gehen kann und bei dem ich kontinuierlich meinen Rhythmus zurückerlange.

SPOX: Gibt es bereits Kontakte zu Interessenten? SPOX

Zidan: Ich habe ein paar Gespräche mit interessierten Vereinen aus Dänemark geführt. Ich stehe jetzt sozusagen unter Beobachtung, weil man dort natürlich sehen will, dass ich ohne Rückschläge wieder in die Spur komme.

SPOX: Wäre ein Wechsel nach Deutschland auch denkbar?

Zidan: Selbstverständlich, Deutschland ist meine zweite Heimat. Ich bin zwar auch offen für einen ambitionierten Zweitligisten, aber ich glaube, dass ich noch genügend Qualitäten habe, um auch in der 1. Liga bestehen zu können. Ich bin jetzt 33 Jahre alt und hatte in den letzten beiden Jahren viel Pech. Ich habe in dieser Zeit nur sehr wenig gespielt, bin aber fest davon überzeugt, dass meine Qualitäten nicht abhandengekommen sind. Ich muss jetzt kämpfen und auf 100 Prozent Fitness kommen, um den Anschluss wieder herzustellen. Ich bin total hungrig und wünsche mir einfach einen Verein, der an mich glaubt. Ich komme wieder zurück, definitiv.

SPOX: Als man in Deutschland das letzte Mal von Ihnen hörte, schlug die Meldung wie eine Bombe ein: Zidan in Ägypten zu Haftstrafe von sechs Jahren verurteilt. Das war im November 2013, das Verfahren wurde danach eingestellt. Was war da los?

Zidan: Es ging um ein größeres Bauprojekt, zu dem ich mich 2008 entschieden habe. Ich kam mit meiner Bank überein, es bis 2022 abzubezahlen. Der Bau musste laut Vertrag bis 2011 einzugsbereit fertiggestellt sein. Doch bis 2011 ist leider überhaupt nichts passiert, obwohl ich schon drei Jahre lang regelmäßig die vereinbarten Raten gezahlt habe. Als ich das mitbekam, habe ich meine Bank kontaktiert und sie gebeten, die Zahlungen vorerst einzustellen.

SPOX: Und dann?

Zidan: Die Firma hat den Bau bis 2013 fertiggestellt, aber erst im Laufe der Zeit bemerkt, dass gar kein Geld mehr eingegangen ist. Daraufhin haben sie offenbar versucht, mich zu kontaktieren, was aber nicht gelang. Daher sind sie vor Gericht gezogen. Es wurde ein Gerichtstermin festgelegt, von dem aber weder mein Anwalt, noch ich etwas wussten. Da wir dort nicht erschienen sind, kam es zur Verurteilung. So entstand diese Meldung mit der Haftstrafe.

SPOX: Wie sind Sie aus der Geschichte herausgekommen?

Zidan: Als ich davon erfuhr, bin ich natürlich aus allen Wolken gefallen. Ich war zu dieser Zeit leider nur sehr unregelmäßig in Ägypten. Ich habe mich also mit der Baufirma in Verbindung gesetzt und die Sache besprochen. Wir waren uns schnell einig, dass es sich letztlich nur um ein großes Missverständnis handelt.

SPOX: Aber Sie mussten die ausstehenden Raten bezahlen?

Zidan: Ja, das habe ich natürlich auch gemacht. Daraufhin wurde das Verfahren eingestellt. Das Problem ist jedoch, dass das Gebäude mittlerweile zwar steht, aber nicht die unmittelbare Umgebung. Also Straßen, Zufahrtswege, Garagen und so weiter. Ich könnte die Firma laut Vertragsvereinbarung auch jetzt noch verklagen, doch das tue ich mir nicht mehr an. Ich habe jetzt ein besseres Auge auf das Projekt und bin zuversichtlich, dass der Rest bald fertiggestellt sein wird.

SPOX: Die letzten sportlichen Schlagzeilen, die Sie schrieben, datieren aus der Rückrunde der Saison 2011/2012 beim 1. FSV Mainz 05, wo Sie damals das dritte Mal in Ihrer Karriere anheuerten. Es kam aber nicht zu einer Vertragsverlängerung, weil es Meinungsverschiedenheiten zwischen Trainer Thomas Tuchel und Ihnen gegeben haben soll.

Zidan: Ich hatte damals ein Angebot vorliegen, aber habe es nicht angenommen. Ich fühlte mich unter Tuchel nicht wohl.

SPOX: Weshalb?

Zidan: Als ich aus Dortmund nach Mainz kam, spielte der Klub gegen den Abstieg. Ich habe alles für den Verein gegeben und mich professionell verhalten. Mir sind dann in meinen ersten sieben Spielen sieben Tore gelungen. Daraufhin hat sich die sportliche Situation ja auch deutlich entspannt. Dann fingen die Missverständnisse zwischen Tuchel und mir aber allmählich an, so dass ich mich mit der Zeit nicht mehr wohlgefühlt habe. Das ist schade, da ich in Mainz von den Zuschauern geliebt wurde und mich mit allen im und rund um den Klub gut verstanden habe.

SPOX: Wie sahen die Differenzen zwischen Ihnen und dem Coach aus, um was ging es da?

Zidan: Tuchel war mir gegenüber plötzlich ein anderer Mensch. Er hat über Dinge gesprochen, die gar nicht sein Thema waren und keinen Sinn machten. Er wollte mich nicht mehr, dieses Gefühl hatte ich eindeutig. Das war wohl auch der Grund, weshalb man mir am Saisonende nur noch einen Vertrag über ein weiteres Jahr anbot - mit einem Jahr Option.

Seite 1: Zidan über die Zukunft, seine "Haftstrafe" und Differenzen mit Tuchel

Seite 2: Zidan über seinen Wechsel nach Abu Dhabi und dortige Horror-Erlebnisse

SPOX: Wieso haben Sie diesen nicht unterschrieben?

Zidan: Als ich nach der Winterpause kam, einigten wir uns zunächst auf ein halbes Jahr mit der Option auf zwei weitere Jahre. Das war auch meine Bedingung dafür, Dortmund überhaupt zu verlassen. Wäre ich dort geblieben, hätte ich das Double gewonnen. Dass es dann auf einmal nur noch um einen Einjahresvertrag gehen sollte, habe ich nicht akzeptiert. Da ging es mir auch ums Prinzip.

SPOX: Im Anschluss haben Sie sich für den Wechsel in den Wüstenstaat entschieden. Seitdem hörte man in Europa nur noch wenig von Ihnen.

Zidan: Es gab in Deutschland nur dieses Angebot aus Mainz. Als ich mich dagegen entschieden hatte, bekam ich noch Offerten aus China und Ägypten. Letztlich hat es aber nicht lange gedauert, bis ich bei Baniyas unterschrieben habe. Sie wollten mich unter allen Umständen und haben große Anstrengungen unternommen, um mich zu holen. Das hat mir natürlich auch imponiert. Ich war bereit, diesen neuen Weg zu gehen.

SPOX: Wie fällt nun Ihr Fazit aus, hat sich der Weg gelohnt?

Zidan: Leider ganz und gar nicht. Diese Geschichte ist in eine persönliche Tragödie für mich ausgeartet. Ich wurde so unmenschlich behandelt, wie ich es als Fußballprofi nie für möglich gehalten hätte. Ich nahm meine Familie und meine Kinder, zog nach Abu Dhabi und wenige Monate später eröffnete mir der Verein, dass ich wieder gehen könne.

SPOX: Was ist geschehen?

Zidan: Ich hatte nach meinem Wechsel leider von Beginn an Probleme mit meinem Knie - und daraufhin auch schnell mit dem Klub. Der Verein ignorierte meine Verletzung. Ich hatte Schmerzen beim Training. Zunächst untersuchten mich dann die Ärzte des Vereins, doch sie gaben an, nichts gefunden zu haben und meinten, ich wäre nicht verletzt. Ich hatte auch keinen Zugriff auf die Unterlagen der Untersuchung.

SPOX: Man ließ Sie weiter trainieren, obwohl Sie Schmerzen hatten?

Zidan: Genau. Es hieß, ich solle Aufbautraining absolvieren. Das tat ich dann eine Weile lang, doch als ich wieder ins Mannschaftstraining eingestiegen bin, waren die Schmerzen im Knie sofort wieder da. Das habe ich dem Verein natürlich mitgeteilt, ich war ja nie schmerzfrei. Daraufhin kam es zu weiteren Untersuchungen, doch am Ende haben sie mir immer mitgeteilt, dass ich keine Verletzung hätte.

SPOX: Wie sind Sie dann vorgegangen?

Zidan: Meine Schmerzen wurden immer größer, ich war nicht mehr in der Lage zu trainieren. Sie haben auf ihre Untersuchungen gepocht und damit begonnen, mir zu unterstellen, dass ich keine Lust mehr haben würde, für den Verein zu spielen. Sie entzogen mir vollkommen das Vertrauen und sagten, ich solle mir einen neuen Verein suchen. Ab diesem Zeitpunkt stellten sie auch die Gehaltszahlungen ein und schoben mich zu den Amateuren ab, obwohl ich noch einen gültigen Vertrag besaß. SPOX

SPOX: Wie ging es weiter?

Zidan: Ich habe meine eigenen Untersuchungen organisiert. Beim Verein waren alle dagegen, dass ich wirklich herausfinde, was ich habe. Ich bin dann aber in Abu Dhabi zu einem Kniespezialisten gegangen und war auch bei Doktor Müller-Wohlfahrt. Dort kam eindeutig und zweifelsfrei heraus, dass ich einen Meniskusriss dritten Grades hatte. Es hieß, ich dürfe auf keinen Fall weiter trainieren, da ich sonst mein Knie kaputt machen würde. Die Unterlagen dieser Untersuchung habe ich dann bei Baniyas vorgelegt, doch sie haben sie nicht akzeptiert. Sie meinten, ich würde ja nur so lange suchen, bis ich in meinem Knie etwas finde.

SPOX: Wie erklären Sie sich denn dieses Verhalten des Vereins?

Zidan: Ich habe bis heute keinen Schimmer. Ich bin total enttäuscht von diesem Verlauf, ich wurde wie ein Unmensch behandelt. Zumal ein Meniskusriss auch keine große Sache ist, nach einer Operation ist man relativ schnell wieder spielfit.

SPOX: Haben Sie zumindest eine Vermutung?

Zidan: Drei Monate nach meiner Verpflichtung wurde der gesamte Vorstand ausgetauscht. Von den Leuten, die mich verpflichtet haben, war niemand mehr da. Ich weiß nicht, ob es vielleicht das Konzept der neuen Leute gewesen ist, an die Mannschaft heran zu gehen und sie umzubauen. Ich war dort nicht der Einzige, der unzufrieden war. Doch der Umgang mit mir stach heraus.

SPOX: Sie haben dann einen Prozess begonnen und auf Schadensersatz aufgrund ausstehender Gehaltszahlungen geklagt. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Zidan: Meine Teamkollegen und ich mussten ständig auf unser Geld warten, es kam unpünktlich oder in falschen Raten. Das ist eigentlich ein Wahnsinn, denn die haben dort alle Geld ohne Ende. Daran mangelt es gewiss nicht. Der Prozess ging über die letzten eineinhalb Jahre, vor knapp vier Wochen fand er endlich ein Ende.

SPOX: Und?

Zidan: Ich habe ihn natürlich gewonnen. Eine Schlichtungskammer des Fußballverbandes der Vereinigten Arabischen Emirat hat bewiesen, dass ich tatsächlich verletzt war. Der Verein wurde dazu verurteilt, mir alle im Laufe der Zeit entstandenen Kosten zu ersetzen und das ausstehende Gehalt zu bezahlen. Ich bin heilfroh, dass mich diese Geschichte nicht mehr belastet. Ich hoffe nun sehr darauf, dass ich in Europa noch einmal Fuß fassen und regelmäßig Fußball spielen darf. Meine Karriere soll ein angemessenes Ende finden.

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