SPOX: Sie sprachen einmal davon, eine Phase erlebt zu haben, in der Sie von der Musik übersättigt waren. Haben Sie Angst, dass das auch im Fußball passieren könnte?
Kavka: Dafür ist das Thema viel zu emotional. Dazu müsste ich ja meine Gefühle dem Sport gegenüber ausschalten können - und das ist nicht möglich. Und zwar nicht nur auf Bayern bezogen: Ein gutes Fußballspiel zu sehen, ist für mich dermaßen faszinierend und aufregend - völlig egal, ob das Premier League, Primera Division oder Serie A ist. Das wird auch nie vergehen.
SPOX: Thema "Große Gefühle": Sie haben Bayerns Champions-League-Niederlagen gegen Manchester 1999 und das Finale Dahoam im Stadion miterlebt. Jeweils im Block der Engländer.
Kavka: Für die beiden Spiele konnte ich mir in letzter Sekunde über tausend Umwege noch Tickets ersteigern, aber mit der Platzwahl wird's dann natürlich schwierig. In beiden Spielen war die Situation so beschissen, weil Bayern ja geführt hat. Man wollte eigentlich schon ausrasten, weil man sich sicher war, dass die das Ding holen. Aber so musste man sich beim 1:0 zurückhalten und aufpassen, dass man nicht total ausflippt. Und vor allem in München gegen Chelsea waren die Anfeindungen extrem groß. Da wurden wir von den Chelsea-Fans mit vollen Bierbechern beworfen. Das war schon mehr als unangenehm. Danach mussten wir auch noch im Block warten - weil zuerst die Bayern-Fans aus dem Stadion gelassen wurden - und mit den Chelsea- Fans in die U-Bahn. Da wurden sie dann richtig eklig: gehässig, schadenfroh, überhaupt keine fairen Sportsmänner mehr. Über englische Fans sage ich normalerweise nur das Beste, aber diese Chelsea-Fans...
SPOX: Wie lange hat die Horror-Fahrt gedauert?
Kavka: Ich bin nach zwei Stationen ausgestiegen und zu Fuß nach Hause in die Innenstadt gelaufen. Ich war so am Boden zerstört, dass ich erst einmal hinter einer Hecke verschwunden bin und mich ausgeheult habe. Nach der Niederlage 1999 gegen United war es ähnlich. Da war ich mit ein paar Leuten unterwegs. Auf dem Rückweg vom Stadion wurden wir immer wieder kollektiv von Weinkrämpfen geschüttelt, so dass wir komplett verheult und verpeilt unser Hotel nicht mehr gefunden haben und erst einmal eine Stunde lang in die völlig falsche Richtung gelaufen sind. Und der Erste, den wir getroffen haben, um nach dem Weg zu fragen, war ein schottischer United-Fan. Da dachte ich mir auch: "Super!" Diese Niederlagen waren für mich tatsächlich zwei der schlimmsten Erlebnisse überhaupt.
SPOX: Vielleicht hätte ja Pep geholfen - Ihr persönliches Bayern-Maskottchen. Eine Eule aus Stoff.
Kavka: Die ist schon umgetauft. Bei der offiziellen Amtseinführung und vor dem ersten Training von Ancelotti musste das noch passieren. Jetzt heißt sie Carlo. (lacht) Sie konnte ja nicht weiter Pep heißen. Stellen Sie sich mal vor, Bayern spielt gegen Manchester City in der Champions League, da gäbe es einen riesigen Interessenskonflikt.
SPOX: Sie gelten als Guardiola-Fan. Haben Sie seinen Abgang bedauert?
Kavka: Mir war schon klar, dass Guardiola kein Trainer ist, der zwanzig Jahre bei Bayern bleiben wird. Ich hätte es aber gut gefunden, wenn er zum Abschluss noch ein Jahr drangehängt hätte - auch weil ich das Gefühl hatte, dass sein "Projekt" erst zu 80 Prozent fertig war, dass er seine Vision noch nicht ganz zu Ende gebracht hatte. Ich finde es Wahnsinn, was er in diesem Klub bewegt hat. Und in den letzten drei Jahren habe ich einige der besten Bayernspiele aller Zeiten gesehen. So kauzig, unnahbar und für Journalisten und Fans schwer zu greifen er auch war: Für mich ist er einer der herausragenden Bayern-Trainer der Geschichte. Auf der anderen Seite war es einfach perfekt, so jemanden wie Ancelotti als direkten Nachfolger bekommen zu haben. Man darf natürlich noch keines der ersten Spiele gegen Dortmund, Jena oder Bremen überbewerten - aber vom Gefühl her könnte das eine schöne Saison werden.