Sie schlafen in Klopps Haus, wenn Sie ihn in Liverpool besuchen. Wie würden Sie Ihre Beziehung zueinander beschreiben?
Kosicke: Wir sind dicke Kumpels. Das war aber auch relativ schnell klar, schon zur Nike-Zeit hat es zwischen uns gut gepasst. Wir hatten uns schon immer viel zu erzählen. Einmal haben wir am Frankfurter Flughafen fast unseren Flieger verpasst. Wir haben ein paar Bier getrunken und geraucht bis eine Stewardess kam und meinte: 'Sie sind doch der Herr Klopp und Sie müssen dann wohl der Kosicke sein. Wir rufen Sie schon die ganze Zeit aus.' (lacht)
Was ist das Geheimrezept von Klopp?
Kosicke: Ich glaube, das ist so eine Art Zeitgeist. Er versteht einerseits den Fußball so, wie ihn ein Top-Trainer verstehen muss. Andererseits ist seine wichtigste Kompetenz der Umgang mit Menschen, denn der ist einzigartig. Dieses Vertrauen, das er Menschen gibt oder auch die Selbstverantwortung, die vor allem auch sein Trainerteam bekommt.
Kosicke über Klopp: "Jürgen ist so stinknormal, dass er einzigartig daherkommt"
Wie vermittelt er dieses Vertrauen?
Kosicke: Er ist sich nicht zu schade, sich mit Leuten zu umgeben, die gewisse Dinge besser können als er - und die dann auch machen zu lassen. Dazu hat er etwas Gottgegebenes: seine Eloquenz, die Art, wie er spricht, seine Rhetorik. Man kann es ja nicht lernen, die richtige Pointe zur richtigen Zeit zu setzen. Und er nimmt sich bei allem Erfolg selbst nicht so wichtig und muss absolut nicht im Mittelpunkt stehen. Ich glaube, wenn Jürgen irgendwann einmal aufhört, dann wird man ihn nicht mehr oft sehen. Dann ist er mit seiner Familie und seinen Kumpels zusammen, geht mit dem Hund spazieren, spielt Paddle-Tennis und Skat und hat ein schönes Leben. Jürgen ist stinknormal und das ist in dieser aufgebrachten Medienwelt wiederum so unnormal, dass er ziemlich einzigartig daherkommt.
Liverpool hat unter ihm die Champions League gewonnen und eine fantastische Entwicklung genommen. Was sind Klopps weitere Ziele mit dem Klub?
Kosicke: Man hat jetzt gesehen, was in Liverpool nach dem Sieg der Champions League los war. Dadurch ist der ganz große Druck, den er selbst gar nicht so sehr spürt, der aber von außen da ist, erst einmal weg. Der UEFA Supercup kam auch noch hinzu. Der Liverpooler an sich ist nicht nur stolz auf den Prozess, der da gerade vonstattengeht, sondern auch sehr glücklich, dass wieder Titel im Schrank stehen. Deshalb wäre der Gewinn der Premier League noch ein Ziel für Jürgen.
Das wird ein schwieriges Unterfangen bleiben.
Kosicke: So ist es, es gibt eben diese sechs Top-Mannschaften in der Liga. Jürgen hat kürzlich mal so nett gesagt: Unser größtes Problem in Liverpool heißt Manchester City. Wir werden sehen, wohin die Reise geht. Jürgens Vertrag gilt noch bis 2022 und es ist ja ein offenes Geheimnis, dass der Verein gerne vorzeitig verlängern würde. Dafür haben wir aber noch ein bisschen Zeit. Man muss abwarten, wie sich alles entwickelt und ob der Klimawandel auch besseres Wetter nach England bringt oder nur nach Deutschland.
Klopps Zukunft: Welche Rolle das schlechte Wetter in England spielt
Nervt ihn das schlechte Wetter?
Kosicke: Man darf es jedenfalls nicht unterschätzen. Ich weiß noch, dass Liverpool im November oder Dezember das erste Mal nach einer vorzeitigen Vertragsverlängerung gefragt hatte. Da meinte ich: Lasst uns lieber noch warten. Ulla und Jürgen stehen morgens auf und es ist dunkel. Wenn sie sich abends wiedersehen, ist es auch dunkel oder es ist grau und es gibt Nieselregen. Wenn in Deutschland Winterpause und das Wetter richtig schlecht ist, gehen die Vereine zwei Wochen lang in den Urlaub, kommen dann wieder und fliegen direkt mehrere Tage lang ins Trainingslager in die Sonne. In dieser Zeit muss der englische Trainer manchmal bis zu 13 Spiele abreißen. Das zehrt schon und ist nicht so einfach.
Nach all den Jahren der Freundschaft und Zusammenarbeit mit Klopp: Was ist Ihre verrückteste Geschichte mit ihm?
Kosicke: Eigentlich ist alles ziemlich verrückt, was in den vergangenen zwölf Jahren passiert ist. Manchmal sitzen wir da, der kleine Marc aus Bremen und der kleine Jürgen aus Glatten, beide Sportstudenten und lachen darüber, wie das Leben mit uns spielte. Einmal saßen wir während des BVB-Trainingslagers in Kirchberg in Tirol mit Thomas Sedran, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Opel, und dessen Berater zusammen. Die beiden mussten am nächsten Tag um 4.30 Uhr aufstehen, um zum nächsten Meeting zu fliegen. Jürgen und ich hatten uns um 9 zum Laufen verabredet. Jürgen guckte die beiden dann an und fragte: 'Was habt ihr studiert? BWL?' Danach hat er sich kaputtgelacht, dass wir zwei Sportstudenten ausschlafen können und auch einen ordentlichen Job haben, während die beiden mitten in der Nacht schon wieder in ihren Anzug müssen. (lacht) Solche Momente hat man mit Jürgen andauernd.