Nach seiner Infektion zeigte sich Kimmich einsichtig und erklärte, sich impfen lassen zu wollen. Könnte er damit auch Fans zum Umdenken angeregt haben?
Hotz: Glaube ich nicht, das hat doch kein Mensch mehr mitbekommen.
Im November startet die Weltmeisterschaft in Katar, für die Angaben von Amnesty International zufolge 15.000 Menschen ihr Leben ließen. Werden Sie sich die Spiele ansehen?
Hotz: Ich bin kein Fan von individuellem Verzicht als Antwort auf systematische Probleme. Katar ist nicht die erste WM, die unter kruden Umständen zustande gekommen ist und dabei sogar Menschenleben gekostet hat. Schon während der WM 1978 herrschte in Argentinien eine Militärdiktatur und es hat keinen interessiert. Jetzt ist es wieder so weit, dass das Turnier in einem Land stattfindet, in dem Menschenrechte nicht gerade viel zählen. Das wird einen bleiernen Geschmack verursachen, wenn die Spiele im TV laufen. Ich könnte jetzt öffentlich erklären, dass ich sie mir deshalb nicht ansehen werde, aber wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, werde ich es wahrscheinlich trotzdem tun. Ich glaube auch nicht, dass der Verzicht von selbst vier oder fünf Millionen Menschen etwas daran ändern würde, dass diese Weltmeisterschaften stattfinden und dass Katar eine riesige Rolle im Fußball spielt. Dafür muss eine systematische Veränderung her wie bei allen anderen Problemen auch. Die WM nicht anzuschauen, bringt genauso viel, wie für den Klimaschutz eine Bambuszahnbürste zu kaufen.
Die Boykottaufrufe richten sich nicht nur an die Fans, sondern auch an die Mannschaften. Amnesty International hält dies jedoch für kontraproduktiv und fordert, die internationale Aufmerksamkeit der WM zu nutzen, um Reformen anzustoßen. Halten Sie einen solchen Wandel für realistisch?
Hotz: Nein, letztlich werden die größten Stars des Weltfußballs in Katar spielen und damit leider auch Menschenrechtsverletzungen sowie den Tod tausender Menschen legitimieren. Ich glaube nicht, dass sich dadurch systematisch irgendwas ändern wird. Die WM 2018 hat auch keine progressiven Kräfte in Russland befeuert. Auch der Boykott von Mannschaften wird nicht stattfinden. Niemand wird auf das Geld verzichten und niemand wird den Karriererückschritt in Kauf nehmen, den eine WM-Absage bedeuten würde. Die Akteure in den kleineren Mannschaften und auf der Ersatzbank können dafür auch nicht wahnsinnig viel. Wenn Neymar und Mbappe morgen verkünden, dass sie nicht teilnehmen werden, dann wird sich etwas bewegen. Werden sie aber nicht.
Auch der FC Bayern verteidigt sein Katar-Engagement mit dem Credo Veränderung durch Begegnung. Finden Sie das glaubwürdig?
Hotz: Das ist Bullshit. Es geht einzig und allein ums Geld. Der FC Bayern ist eine AG, Geld zu verdienen ist ihre einzige Verpflichtung. An dieses Konstrukt einen moralischen Anspruch zu haben, ist Fußballromantik, die heute nicht mehr in unsere Zeit passt. Wenn Bayern mit dem Geld den nächsten Star verpflichtet, wird die Katar-Kritik schnell vergessen. Die Initiative aus der Fangemeinschaft gegen das Katar-Sponsoring ist großartig, aber sie wird letztlich nicht so viel Gewicht haben wie die zig Millionen, die in den FC Bayern gepumpt werden.
El Hotzo: "Die Super League wird langfristig kommen"
Ihre Satire ist vor allem Kapitalismuskritik. Gleichzeitig beschäftigten Sie sich weiterhin leidenschaftlich mit dem Profifußball, der sich in den vergangenen Jahrzehnten wie kaum eine andere Branche kommerzialisiert hat. Wie halten Sie dieses Dilemma aus?
Hotz: Es nicht möglich, Fußball zu konsumieren, ohne dass er kapitalistisch geprägt ist. Ich kann auch kein Handy kaufen, ohne dass es unter ausbeuterischen Zuständen gebaut wurde. Natürlich könnte ich völlig ohne Konsum in meiner leeren Wohnung sitzen, aber selbst die wird von irgendeinem halbkriminellen Berliner Wohnkonzern vermietet. Wenn ich schon Teil dieser Gesellschaft bin, kann ich sie einerseits lauthals kritisieren, aber andererseits auch ein bisschen Spaß haben. Diesen Widerspruch muss man aushalten.
Wäre eine Super League, wie sie im vergangenen Jahr krachend scheiterte, die logische Konsequenz dieser Entwicklung?
Hotz: Die Super League wird langfristig kommen. Keiner der großen Vereine, auch nicht der FC Bayern, hat Interesse daran, an 24 von 34 Spieltagen gegen irgendwelche internationalen No-Name-Mannschaften zu spielen. Das ist kein interessantes Vermarktungskonzept.
Wenn Sie es sich mit dem Wissen von heute aussuchen könnten, würden Sie nochmal Fußballfan werden?
Hotz: Fußball ist saumäßig unterhaltsam und jeder andere Massensport hat ähnliche Strukturen. Erst vorgestern wurde mir bewusst, wie die Teams im Basketball heißen. Wenn dich Sport interessiert, musst du zwangsläufig mit den Geldgebern dahinter auskommen. Ich würde mir auf jeden Fall nochmal den Fußball aussuchen, weil ich durch ihn unheimlich viel in meinem Leben gewonnen habe. Nicht an Trophäen, aber an Freundschaften und schönen Nachmittagen. Mein Datumsgedächtnis funktioniert einzig und allein durch Fußballspiele. Ich weiß, dass ich mir das Innenband im Knie an dem Tag gerissen habe, als Bayern 2010 gegen Lyon im Halbfinale der Champions League gespielt hat. Fußball ist so ein integraler Bestandteil meines Lebens, dass ich ihn trotz all der kritischen Hinterfragung nicht loswerden will.