Zwischen den Welten

Von Stefan Rommel
fußball, bundesliga, subotic
© Getty

In seiner neuen alten Heimat Deutschland drängt Borussia Dortmunds Neven Subotic in die Nationalmannschaft. Es gibt aber ein ernsthaftes Problem. Das Porträt eines bewegten Lebens.

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Im Sommer 1996 verschenkte Neven Subotic zum ersten Mal in seinem Leben sein Herz. Der VfB Stuttgart schickte sich an, nach Jahren der Enthaltsamkeit wieder zurück in die Spitzengruppe der Bundesliga zu drängen.

Ein magisches Jahr für den VfB, der mit seinem atemberaubend kompromisslosen Offensivspiel ganze Heerscharen neuer Fans gewinnen konnte. Unter ihnen ein achtjähriges Flüchtlingskind aus dem ehemaligen Jugoslawien. Der VfB Stuttgart war sein Verein, Krassimir Balakow sein Held.

Zwischen Rasenmäher und Streuwagen

Zwei Jahre zuvor war Celko Subotic mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Natalie und Neven aus Banja Luka vor den Wirren des Krieges geflohen. Über Nacht abgehauen, landete die vierköpfige Familie in Schönberg bei Pforzheim. Fast mittellos in der baden-württembergischen Provinz.

Der Start war holprig. Eine adäquate Bleibe war auf die Schnelle nicht zu finden, also zogen die Subotic' in eine Wohnung in einem Sportheim ein. Der TSV aus dem Schönberger Stadtteil Schwarzenberg gewährte neben Rasenmäher und Streuwagen ein Obdach.

"Ich hatte den Fußballplatz direkt vor der Haustür", nimmt es Neven Subotic heute gelassen. Damals war der Start aber beschwerlich und der Fußball der Schlüssel in ein neues Leben.

Erst Integration, dann Abschiebung

"Neven und Natalie spielten beide bei mir in der Jugendmannschaft. Mein eigener Sohn ist nur einen Monat älter als Neven, ich habe beide von der F- bis zur D-Jugend trainiert", erinnert sich Achim Renner.

Subotic' erster Trainer klingt euphorisch, wenn er über seinen Vorzeigeschützling spricht. "Alles lief gut, bis die Familie 1999 plötzlich wieder abgeschoben werden sollte. Dabei hatten beide Eltern einen geregelten Job, die Kinder waren voll integriert, die gesamte Familie stand ein Jahr vor der Einbürgerung. Bis heute verstehe ich nicht, warum sie damals ausgewiesen werden sollten", sagt Renner, heute Präsident in Schwarzenberg.

Über Utah und Florida nach Mainz

Die Familie packte wieder alle Sachen und wanderte in die USA aus. Zuerst nach Utah, später weiter nach Florida. Aus dem Jungen wird ein Jugendlicher, Subotic entwickelt sich beim Kicken in den Parks in Florida weiter und tritt der University of South Carolina bei.

Ein ausgeklügeltes Scoutingsystem wie in Deutschland gibt es in den USA nicht, bisweilen ist im Jugendbereich noch nicht mal ein geregelter Spielbetrieb möglich. Umso erstaunlicher, dass dann tatsächlich ein Schreiben des Verbands ins Haus flatterte, das Neven in die Junioren-Nationalmannschaft einlud.

Am 15. Dezember 2005, fünf Tage nach seinem 17. Geburtstag, gab er sein Debüt für "sein" Land, mittlerweile hatte die gesamte Familie die amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen.

Doch schon damals dachte er an Deutschland, seine Heimat, wie er immer wieder betont. Subotic setzte alles auf eine Karte und ging alleine zurück nach Deutschland. Die Familie ließ er in Florida zurück.

Dortmund statt Hoffenheim

"Ich bin ein sehr ambitionierter Typ, der Herausforderungen sucht. Damals bin ich alleine aus den USA zum Probetraining nach Mainz gekommen, wo ich niemanden kannte. Das habe ich auch geschafft", so Subotic.

Beim FSV Mainz absolvierte er ein Probetraining und durfte in der A-Jugend des Vereins mitspielen. Und plötzlich ging alles ganz schnell. Bundesliga-Debüt im Mai 2007, beim 2:5 von Mainz in München. Dann nach der Verletzung des etatmäßigen Innenverteidigers Bo Svensson 33 Spiele in der 2. Liga.

Subotic sorgte für Aufsehen und hatte ein tolles Angebot des aufstrebenden Bundesligaaufsteigers 1899 Hoffenheim vorliegen.

Der Deal schien klar - bis Jürgen Klopp ihn zum ersten Mal bittet, über einen Wechsel nach Dortmund nachzudenken. Fünf Wochen später gab Subotic Hoffenheim einen Korb und folgte seinem Mentor Klopp für 4,8 Millionen Euro Ablöse nach Dortmund. Subotic ist somit der teuerste Zweitligaspieler aller Zeiten.

DFB denkt über Subotic nach

In Hoffenheim sind sie nicht gut zu sprechen auf Subotic und dessen Berater, der Trainer Ralf Rangnick angeblich lapidar per SMS absagte.

Für Subotic scheint es aber genau die richtige Entscheidung gewesen zu sein. Nach nur drei Spieltagen zählt er schon zu den ersten Gewinnern der noch jungen Saison. Klopp setzt mit ihm und dem ebenfalls erst 19-jährigen Mats Hummels auf eine Kinderbande in der Innenverteidigung.

"Ich habe noch nie einen Spieler gesehen, der in seinem Alter schon so weit ist", hat Kloppo mal über Subotic gesagt. Technisch stark und mit großer Spielintelligenz, dazu noch mit einer erstaunlichen Abgeklärtheit in seinem Spiel. In 36 Einsätzen im Profifußball kam Subotic als Innenverteidiger bisher mit läppischen drei Gelben Karten aus, nur alle 72 Minuten begeht er ein Foulspiel.

Auch Joachim Löw, der seinen Abwehrspielern einst die gute alte deutsche Grätsche quasi verbot, wurde hellhörig. "Wir haben uns beim DFB schon nach dem ersten Spieltag über ihn unterhalten. Er hat einen sehr interessanten Eindruck gemacht."

Brisante Rechtslage

Im Klartext heißt das: Der Deutsche Fußball Bund will sich um Neven Subotic bemühen. Auch BVB-Manager Michael Zorc bestätigt: "Ich stehe wegen Neven schon seit längerem mit Matthias Sammer in Kontakt. Wir haben für Subotic den deutschen Pass beantragt!"

Das Märchen scheint Konturen anzunehmen. Die Statuten der FIFA aber kennen keine Märchen. Momentan scheint es entgegen der allgemeinen Wahrnehmung schlicht unmöglich, Neven Subotic einmal im Trikot mit dem Adler zu sehen.

Artikel 18 der "Spielberechtigung für Verbandsmannschaften" nämlich besagt: "Das Wechselrecht kann nur beansprucht werden, wenn der Spieler noch in keinem A-Länderspiel seines heutigen Verbands eingesetzt wurde (Voll- oder Teileinsatz) und er zum Zeitpunkt des ersten Voll- oder Teileinsatzes in einem Länderspiel in einem offiziellen Wettbewerb seines bisherigen Verbands bereits im Besitz der Staatsbürgerschaft des Verbands war, für dessen Auswahlmannschaften er die Spielberechtigung erlangen will."

Kurz gesagt: Als Subotic bei der U-17-WM für die USA auflief - und die FIFA wertet offenbar auch offizielle Jugendnationalmannschaftswettbewerbe - hätte er bereits im Besitz eines deutschen Passes sein oder zumindest das Anrecht darauf haben müssen.

John Terry als Vorbild

Andererseits muss es noch ein juristisches Hintertürchen geben, wenn sich der DFB schon so offiziell und öffentlich um den 19-Jährigen bemüht.

Neven Subotic bleibt in diesen aufregenden Tagen erstaunlich gelassen und verspricht noch mehr: "Es ist für mich bislang traumhaft gelaufen. Ich kann aber noch viel mehr, als ich bisher gezeigt habe."

Seine Zukunft hat er im Kopf. Er kann wählen, für welches Land er spielen möchte. Verraten will er aber noch nichts. Nur so viel: Krassimir Balakow wurde mittlerweile in Subotic' Rangliste abgelöst.

John Terry ist derjenige, zu dem er aufschaut. "Hart und kompromisslos, aber stets fair. Genau so ein Typ will ich sein."

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