Was auch immer im Spiel gegen Werder Bremen (Sa., 15.30 Uhr im LIVE-TICKER und bei Premiere) passiert: Am Rasen dürfte es am Ende nicht gelegen haben.
In der Rhein-Neckar-Arena ist das Grün nach nur zwei Heimspielen von 1899 Hoffenheim ausgetauscht worden. Eine 10.000 Euro teure Maßnahme, die der Spielweise der Hausherren wieder besser entgegen kommen soll.
Verteidiger Andreas Beck hatte zuletzt nämlich auch die veränderten Witterungsbedingungen als einen der Gründe für Hoffenheims mäßige Leistungen im Jahr 2009 angeführt.
"Es kommt darauf an, dass der letzte Pass sitzt. Der war bei uns in der Hinrunde tödlich. Aber jetzt kommt ja der Frühling, und mit besseren Platzbedingungen nimmt vielleicht auch die Passgenauigkeit wieder zu", meinte der Blondschopf.
Das Gleichgewicht ist weg
Die Frage, die sich Fußball-Deutschland stellt, ist doch die: Warum klappt es beim Herbstmeister zuletzt nicht mehr so gut wie in der Hinrunde? Oder ist das Niveau, das 1899 seit dem 18. Spieltag auf den Rasen legte, vielleicht nun das reale Leistungsvermögen, und das, was da in der Hinrunde lief, nur ein Ausreißer nach oben?
Ein mäßig zufriedenstellender Ansatz wäre: Hoffenheim war in der Vorrunde nicht so überragend, wie es gemacht wurde, und ist in der Rückrunde nicht so schlecht, wie es der Mannschaft nachgesagt wird. Und vielleicht kam noch eine Prise verfrühe Euphorie hinzu, die dem Team für ein paar Wochen das Gleichgewicht nahm.
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Nach der Herbstmeisterschaft jedenfalls jetteten ein paar Spieler, unter ihnen Neu-Nationalspieler Marvin Compper und Goalgetter Demba Ba, gut gelaunt nach New York.
Spieler machen gemeinsam Urlaub - die Presse feierte die Reise als Akt großer Freundschaft. Als einige von ihnen dann jedoch krank zum Trainingsauftakt erschienen, war es mit der Freude bei Ralf Rangnick vorbei.
"Hätten Termine nicht wahrnehmen müssen"
Tobias Weis hingegen hielt sich in der Winterpause ein paar Tage in Südafrika auf und drehte für eine bekannte Nuss-Nougat-Creme einen Werbespot. Beides nichts Weltbewegendes, aber doch sinnbildliche Anlässe, die Rangnick zu seiner Schelte gegenüber der "Rhein-Neckar-Zeitung" bewogen.
Rangnick damals im Wortlaut: "Über Wochen und Monate haben meine Spieler gelesen, wie gut sie sind. Sie wurden wie Popstars behandelt, wie Models abgelichtet. Mit schwachsinnigen Dingen wurden die Spieler konfrontiert, da fiel es dem ein oder anderen vielleicht etwas schwer, sich auf die wesentlichen Dinge zu konzentrieren."
Weis bekannte nach dem Stuttgart-Spiel denn auch kleinlaut gegenüber SPOX: "Der Trainer hat uns wachgerüttelt. Wir hätten den einen oder anderen Termin nicht wahrnehmen müssen." Beck meinte in dieser Woche: "Wir machen nicht mehr jeden Blödsinn mit."
Wachgerüttelt von Leverkusen
Compper sieht das ähnlich. Ein Umdenken habe stattgefunden. "Wir haben erkannt, dass wir zehn, fünfzehn Prozent mehr bringen müssen", sagte der Innenverteidiger: "Entscheidend ist, dass jeder seine Aufgabe so erfüllt, wie es erwartet wird."
Die 1:4-Niederlage gegen Leverkusen hat die Jungs also wachgerüttelt. Die zwei folgenden Auswärtsspiele in Stuttgart (3:3) und Dortmund (0:0) waren kleine Schritte nach vorne. Oder wie es Rangnick ausdrückt: "Gegen zwei starke Teams haben wir uns sehr gut verkauft."
Und jetzt wieder der Angriff auf die Spitze? Bei Hoffenheim hat man eher die langfristige Entwicklung im Auge. Erschwerend kommt dieser Tage eine katastrophale Personallage hinzu, die der dünne Kader nicht auszugleichen vermag.
Gegen Bremen ohne Sechs
Dass Torjäger Vedad Ibisevic (Kreuzbandriss) an allen Ecken und Enden fehlt, ist kein Geheimnis. Ebenso wenig, dass Winter-Verstärkung Timo Hildebrand bislang öfter im Krankenstand als in seinem Tor war.
Gegen Bremen muss Hoffenheim nun auch noch auf ein komplettes Mittelfeld in persona von Sejad Salihovic (Außenbandanriss im Knie), Luis Gustavo, Selim Teber (beide Gelb-Sperre) und Tobias Weis (Rot-Sperre) verzichten. Für den Pragmatiker im Traininganzug, Ralf Rangnick, die Vorraussetzung, "aus der Not eine Tugend" zu machen.
Wechselspielchen nun vorbei?
Immerhin kehrt mit Chinedu Obasi womöglich ein wichtiger Bestandteil der Hoffenheimer Offensive in die Formation zurück. "Er ist zwar noch nicht bei 100 Prozent und vielleicht reicht es auch nicht für 90 Minuten, aber er ist auf jeden Fall eine Alternative für die Startformation", sagte Rangnick.
Mit Obasi dürften dann auch Rangnicks System-Spielchen ein Ende haben, die Kritikern schon den Anlass gaben, dem Trainer blinden Aktionismus vorzuwerfen. Beim 3:3 in Stuttgart vor zwei Wochen wechselte der Trainer von 4-3-2-1 auf 4-2-3-1, dann auf 4-1-4-1, um letztlich in seinem Paradesystem 4-3-3 agieren zu lassen. Selbst für Mathematiker ein undurchsichtiger Zahlensalat.
Das soll nun der Vergangenheit angehören. Das erfolgreiche 4-3-3 der Hinrunde stünde auch gegen Bremen wieder auf der Tagesordnung, sollte Obasi von Beginn an auflaufen können. Rangnicks Prognose: "Es wird wieder ein temporeiches Spiel werden, indem beide Mannschaften versuchen, viel nach vorne zu unternehmen."
Das Prinzip "Lerneffekt"
Im Hinspiel war Hoffenheim den Bremern nach einer Drei-Tore-Aufholjagd am Ende mit 4:5 unterlegen. Danach lief 1899 dem Gegner nicht mehr so ins offene Messer - ein Lerneffekt. Darauf fußt das ganze Projekt Rangnick: Fehler machen: ja - Fehler wiederholen: nein.
Beck im Interview mit "Spiegel Online": "Die Entwicklung hier ist noch lange nicht zu Ende. Wir werden noch viel lernen. Wir sind ja noch so jung." Und junge Menschen machen eben Fehler.
Auch wenn am Ende dabei dann nicht die Meisterschaft raus springt - im Kraichgau wird man's verkraften können.
Voraussichtliche Aufstellung: 1899 Hoffenheim - Werder Bremen