Pädagoge, Psychologe, "arroganter Arsch"

Von Daniel Börlein
Louis van Gaal (r.) erklärt, Patrick Kluivert, derzeit Jugendcoach in Alkmaar, schaut gespannt zu
© Getty

Nun ist es also endgültig raus. Nachdem in den letzten Wochen schon alles darauf hindeutete, bestätigte der FC Bayern am Mittwochabend: Aloysius Paulus Maria, genannt Louis, van Gaal wird neuer Trainer beim Rekordmeister.

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Der Niederländer, der ablösefrei vom AZ Alkmaar kommt, erhält bei den Münchnern einen Zweijahresvertrag. Van Gaal war der erklärte Wunschkandidat der Bayern.

Dementsprechend erleichtert zeigte sich der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge: "Wir sind glücklich, mit Louis van Gaal einen erfahrenen und erfolgreichen Fußballtrainer für den FC Bayern München gewonnen zu haben."

"Man kennt den Namen, die Erfolge. Alkmaar ist keine große Mannschaft. Wenn einer mit denen Meister wird, glaube ich, dass es ein großer Trainer ist", sagte Miroslav Klose am Donnerstag.

Die wichtigste Personalie für die kommende Saison haben die Bayern damit geklärt. Van Gaals Verpflichtung wirft allerdings auch einige Fragen auf.

Was ist van Gaal für ein Trainer?

Der 57-Jährige gilt als ausgesprochener Fußball-Fachmann und Taktiker, der großen Wert auf die tägliche Arbeit und kleine Details legt. Immer wieder schult van Gaal seine Spieler taktisch, meist auf dem Platz, ab und an auch per Videoanalyse.

Im Training lässt er Spielzüge so lange üben, bis alles perfekt sitzt. Jeder einzelne Spieler bekommt seine Laufwege erklärt und eingebläut, bis die Abläufe automatisiert sind. Und selbst wenn alles sitzt, steht die taktische Organisation mehrmals in der Woche auf dem Trainingsplan.

Zudem legt der Niederländer großen Wert auf die Basisschulung. Sprich: Ballan- und -mitnahme, Doppelpass und das Spiel ohne Ball sind für van Gaal - wie nun auch bei Jupp Heynckes - essentieller Bestandteil der täglichen Trainingsarbeit.

Fazit: Den gewünschten Fußball-Lehrer haben die Bayern gefunden.

Wie geht van Gaal mit seinen Spielern um?

Seine streng katholische Erziehung hat van Gaal geprägt, deshalb erwartet er von seinen Spielern Respekt und Disziplin. Alkmaars Profis mussten jede Woche einen Fragebogen über ihr körperliches Befinden ausfüllen. Potenzielle Neuverpflichtungen unterzieht er angeblich einem psychologischen Test. "Ich will alles wissen", sagt van Gaal.

Dennoch weiß Landsmann Mark van Bommel: "Man findet keinen Spieler, der sich negativ über ihn äußert." Van Gaal arbeitete vor seiner Trainerlaufbahn elf Jahre lang als Sportlehrer und Pädagoge und weiß deshalb, wie er mit Spielern umzugehen hat.

Er sucht ständig das Gespräch mit seinen Profis, interessiert sich für deren Privatleben. Was van Gaal allerdings überhaupt nicht mag: Diven und Selbstdarsteller. Sein Grundsatz lautet: Nicht die besten Spieler gewinnen, sondern die beste Mannschaft. Mit Stars kann es deshalb auch mal schwierig werden.

Fazit: Van Gaal verlangt seinen Spieler alles ab, wird von den Profis aber geschätzt und respektiert. Wer allerdings nicht mitzieht, bekommt Probleme.

Welche Spieler kommen nun zu Bayern?

Die Entscheidung in Sachen Neuverpflichtungen trifft der neue Trainer, hieß es von Bayern-Seite stets. Fest steht: Diego kommt nicht. Klar dürfte allerdings auch sein, dass sich van Gaal noch die eine oder andere Verstärkung wünscht. Eigentlich favorisiert der Niederländer ein 4-3-3-System, in Alkmaar allerdings praktizierte er ein astreines 4-4-2. Heißt: Er wird sich bei den Bayern nicht festlegen. Heißt auch: Man wird sich wohl noch für alle Mannschaftsteile umschauen.

Aus Alkmaar wird van Gaal dabei allerdings keinen Spieler mitbringen. "Er hat nicht vor, einen Spieler von seinem alten Verein mitzunehmen", sagte Rummenigge der "Bild". Also wird auch Keeper Sergio German Romero nicht kommen. Dass allerdings ein neuer Torwart kommen soll, ist beschlossene Sache, schreibt "Bild".

Für die Außenbahn gilt Ajax-Verteidiger Urby Emanuelson (22) ebenso als heißer Kandidat, wie Portos Aly Cissokho (21). Und auch die Personalie Rafael van der Vaart scheint nach der Verpflichtung van Gaals und der Absage von Diego wieder ein Thema. Van Gaals Vorliebe für Landsmänner ist aus seiner Zeit bei Barca bekannt, als teilweise acht Niederländer auf dem Platz standen.

Die "Süddeutsche Zeitung" zitiert zudem einen Insider, der sagt, dass die Bayern "heiß wie nie" auf Mario Gomez sind. Bislang sei aber "definitiv noch keine Entscheidung gefallen, in keine Richtung", so Gomez-Berater Uli Ferber.

Fazit: Van Gaal bekommt noch ein, zwei Wunschspieler und einen Kracher.

Was ist van Gaal für ein Typ?

Der ehemalige Bondscoach (von 2000 bis 2002) gilt als extrem kauziger Zeitgenosse. Das weiß er auch selbst: "Es ist manchmal schwierig mit mir, aber ich nehme für mich in Anspruch, stets ehrlich zu sein." Zu den Medien pflegt van Gaal ein distanziertes Verhältnis und legt sich gerne auch mal mit Journalisten an, stellt man ihm - die aus seiner Sicht - falschen Fragen.

Das niederländische Fußballmagazin "Voetbal International" spricht bei ihm von einer gespaltenen Persönlichkeit und empfahl ihm, "professionelle Hilfe" in Anspruch zu nehmen. "Mein ganzes Leben wird mir nachgesagt: Was ist das für ein arroganter Arsch", sagt van Gaal selbst, Änderungen an seinem Image will er allerdings schon aus Prinzip nicht vornehmen.

Van Gaal kann aber auch anders. Er sucht den engen Draht zu seinen Vertrauten. Es heißt, er habe noch nie einen Geburtstag eines Spielers vergessen. Solche Kleinigkeiten sind ihm wichtig. Auch wenn van Gaal nachgesagt wird, dass er nach Anerkennung für sein Fachwissen lechzt, vergisst er die Leute im Hintergrund nicht. Bestes Beispiel: Nach Ajax' Champions-League-Triumph 1995 trug er den Pokal zu den Waschfrauen des Vereins und sagte: "Der ist für euch." Anschließend blieb der Pott eine Woche in der Waschküche stehen.

Fazit: Van Gaal lässt sich nicht verbiegen und legt sich gerne mit den Medien an. Intern zeigt er allerdings auch eine andere Seite.

Wer werden van Gaals Helfer?

Shota Arweladse und Martin Haar waren in Alkmaar die engsten Vertrauten von van Gaal. Nach München werden ihn diese beiden allerdings nicht begleiten.

Andries Jonker, bislang Sportdirektor bei Willem II Tilburg, wird sein Assistent. Hinzu kommen der Video-/Computerexperte Mats Reekes sowie der Reha-Trainer Jost van Dijk. Den Rest seines Funktionsteams will er zunächst aus dem vorhandenen Personal rekrutieren. Wenn er zu einem neuen Verein komme, erklärte van Gaal, teste er das bereits bestehende Team sechs Monate lang. "Dann weiß man, welche Qualitäten die Menschen haben und wie sie funktionieren."

Er schloss aus, Alkmaars Torwarttrainer Frans Hoek mit nach München zu nehmen. Auf jeden Fall aber will er sich noch einen deutschen Assistenztrainer ausgucken. Er benötige einen Assistenten, der die lokalen und nationalen Befindlichkeiten kenne.

Fazit: Van Gaal vertraut den gewachsenen Strukturen bei Bayern, setzt bei seinem Betreuerstab auf enge Vertraute, aber - anders als Jürgen Klinsmann - auch auf Leute, die die Bundesliga kennen.

Welche Chancen und Risiken bringt die Verpflichtung von van Gaal?

Die Bayern wollten einen Fußball-Fachmann, nun haben sie einen Fußball-Fachmann. Die Chance darin, liegt auf der Hand: Wenn man van Gaal seine Vorstellungen umsetzen lässt, ist der Erfolg programmiert. Denn im Gegensatz zu Jürgen Klinsmann besitzt der Niederländer ohne Frage das Know-How und die Erfahrung, eine Mannschaft langfristig aufzubauen. Das hat er vor allem bei Ajax Amsterdam und zuletzt in Alkmaar bewiesen.

Dadurch dass mit van Gaal nun ein starker Trainer beim FC Bayern regiert, kann sich wohl auch Manager Uli Hoeneß wie geplant auf den Präsidentenposten zurückziehen.

Allerdings will van Gaal auch alle Macht im sportlichen Bereich. Klinsmann wurde von den Bayern-Bossen beispielsweise untersagt, Michael Rensing schon früher aus dem Tor zu nehmen. Derartige Einmischungen duldet van Gaal nicht, in keinem Bereich, auch nicht bei ausbleibendem Erfolg. Hoeneß kündigte am Donnerstag auch bereits an, van Gaal alle Freiheiten anzuräumen.

"Er hat eine klare Vorstellung davon, wie sein Team zu spielen hat und lässt sich nicht vom Weg abbringen. Auch als Alkmaar letztes Jahr schwach spielte, blieb er sich treu und hat eher über einen Rücktritt nachgedacht, bevor er etwas ändert", sagte Holland-Legionär Martin Pieckenhagen im SPOX-Interview.

Fazit: Wenn van Gaal Zeit und Macht bekommt, wird er Bayern nach vorne bringen. Beeinflussen lässt er sich allerdings nicht. Wenn es doch jemand versucht, zieht van Gaal Konsequenzen.

Louis van Gaal im SPOX-Porträt