Man musste schon zweimal hinschauen im heillos überfüllten Presseraum der Red Bull Arena. Da saßen Louis van Gaal, der General mit der streng katholischen Erziehung, und Huub Stevens, der Knurrer von Kerkrade - und es wurde sogar herzhaft gelacht.
Nachdem beide ihre ersten Statements abgegeben hatten, musste man zur Sicherheit noch ein drittes Mal hinschauen, ob da wirklich zwei Trainer unterschiedlicher Mannschaften saßen, so gleich klangen die Aussagen der beiden Niederländer.
"Ich bin nicht unzufrieden. Wir haben zwar wenige Chancen kreiert, aber ohne Ball sehr diszipliniert gearbeitet", meinte van Gaal. "Aber bei Ballbesitz hat mir die Kreativität gefehlt." Das erste Spiel solle man aber nicht überbewerten.
Nach zehn Trainingstagen sind endgültige Schlüsse natürlich verfrüht, die Vorstellungen van Gaals kamen aber deutlich zum Vorschein.
Beobachten statt Anfeuern
Van Gaal schickte die Münchner zum ersten Mal mit Mittelfeldraute auf den Platz, in der Jose Sosa den Zehner und Mark van Bommel den Sechser gaben. Auf den Halbpositionen agierten die Neuzugänge Danijel Pranjic und Anatolij Tymoschtschuk.
Der Trainer gab dabei den stillen Beobachter, nicht den permanenten Antreiber wie Jürgen Klinsmann. Van Gaal tauschte sich viel mit seinen Assistenten Andries Jonker und Hermann Gerland aus. Nur zweimal erhob er sich von seinem Stuhl. Einmal, als Salzburgs Niko Kovac verabschiedet wurde und sich auf seine Ehrenrunde begab und ein zweites Mal, als der Regen das Trainerteam ins Plexiglashäuschen vertrieb.
Anweisungen gab er fast keine, er befindet sich noch in der Kennenlernphase und ist noch immer dabei, sich ein Bild zu machen. Zur Halbzeit wechselte er die komplette Mannschaft aus. Jeder bekam dieselbe Einsatzzeit, um sich zu präsentieren. Ein Teil von van Gaals Gleichheitsprinzip.
Viele Passlinien und Dreiecke
Beide Bayern-Teams agierten im 4-4-2 mit Raute. Dem System wird van Gaal in den nächsten Wochen und Monaten wohl treu bleiben, auch wenn er das 4-3-3 als Lieblingssystem bezeichnet. Bei Bayern habe er aber nicht die Spieler, um so spielen zu lassen.
"Also muss ich ein System wählen, das auf alle Spieler am besten passt. Und auch im 4-4-2 lässt sich gut Fußball spielen. Hier bilden sich viele Passlinien und Dreiecke", meinte der Niederländer.
Noch wenig Barca
Überhaupt sind dies die beiden Hauptbegriffe, wenn van Gaal über seine Vorstellungen des FC Bayern spricht. Schon auf seiner Antrittspressekonferenz hatte er das Spiel des FC Barcelona als Vorbild angegeben.
Besonders die Mannschaft der ersten Hälfte versuchte sich strikt an die Vorgaben zu halten. Die Spieler hielten penibel ihre Positionen in der Raute, versuchten versetzt zu stehen, um Passwege zu öffnen und verzichteten fast komplett auf lange Bälle, um das Spiel am Boden schnell zum Laufen zu bringen.
Noch tun sich die Bayern mit der Umsetzung im Kleinen aber schwer.
Ziel: Technisch anspruchsvoller Fußball
Schließlich fehlten den Münchnern im Vergleich zu ihren österreichischen Kollegen, die schon seit dem 15. Juni im Training sind und nächste Woche ihr erstes Pflichtspiel in der Champions-League-Qualifikation absolvieren, die läuferischen Fähigkeiten und die Ballsicherheit.
"Der Trainer will einen technisch anspruchsvollen Fußball spielen lassen. Das war bei Bayern vielleicht in der Vergangenheit nicht immer der Fall, weil sie sich über die physische Stärke definierten", erklärte Pranjic gegenüber SPOX.
Das Bemühen, mit Kurzpassspiel und langen Ballstafetten den Gegner zu überwinden, war deutlich zu erkennen. Zum Erfolg kamen die Münchner aber nicht.
"Müssen alles verbessern"
"Wir sollten die Organisation in der Defensive halten und auf einen sicheren Spielaufbau achten, damit wir wenige Bälle verlieren", so Pranjic.
Mit der Zahl der Ballverluste war der Trainer nicht zufrieden, ansonsten "habe ich alles gesehen, was wir trainiert haben. Aber wir müssen noch alles verbessern."
Abhängigkeit von Ribery bleibt
Besonders in Sachen Kreativität bleiben viele Wünsche des Niederländers offen. Während Pranjic und Tymoschtschuk auf ihren Seiten viele Bälle forderten und somit zu Aktionen kamen, ließ Sosa eine weitere Chance auf seiner Lieblingsposition hinter den Spitzen ungenutzt. Dem technisch herausragenden Argentinier fehlt es an Esprit und Einsatz.
Um das Kreativloch zu stopfen, hat van Gaal eine einfache - und nicht ganz neue - Lösung: Franck Ribery, der gegen Red Bull wegen einer Schleimbeutelentzündung im linken Knie fehlte. "Er ist für die Kreativität ganz entscheidend."
Offenbar kann auch van Gaal die Abhängigkeit des FC Bayern von Ribery nicht mit einem starken, funktionierenden System auflösen. Anders als unter seinen Vorgängern wird die Mannschaft aber nicht mehr um Ribery aufgebaut, sondern Ribery in die Mannschaft eingepasst.
Ihn im Zentrum des Spiels einzubetten, könnte seine Fähigkeiten noch besser für die Mannschaft zum Tragen bringen. "Der Trainer gibt ihm im Training viele neue Aufgaben und versucht ihn so zu platzieren, dass er für die Mannschaft am wichtigsten ist", erzählt Miroslav Klose.
Ronaldo als Negativ-Beispiel
Noch ist aber weiter offen, ob der Franzose überhaupt eine Position innerhalb der Bayern-Mannschaft einnehmen, oder doch noch zu Real Madrid wechseln wird."In der Welt des Fußballs kann ich das nicht sagen", meinte van Gaal und fügte an: "Sie haben doch bei Ronaldo gesehen, wie es laufen kann." Lachen wollte van Gaal da nicht mehr.
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