Das Trauma nach dem Tod von Robert Enke immer noch im Kopf und den Abstiegskampf vor Augen - die emotionale Krise soll für den Fußball-Bundesligisten Hannover 96 nicht im sportlichen Fiasko enden.
"Wir haben bei den Spielern Rücksicht auf die Situation genommen und auf einige Dinge sensibler reagiert, als das sonst der Fall gewesen wäre. Jetzt werden wir die Zügel aber wieder anziehen", sagte Sportdirektor Jörg Schmadtke zum Trainingsauftakt am Montag und kündigte im Gespräch mit dem "SID" an: "Wir werden klare Vorgaben machen, an die sich jeder zu halten hat."
Der Blick soll nach vorn gerichtet, die Zeit der Trauer und des bundesweiten Mitleids für die Mannschaft vorbei sein. "Wir haben drei, vier Punkte zu wenig und sind mit unten drin. Es gilt, die Mannschaft wieder in eine gute Verfassung zu bringen. Jeder muss mitziehen", forderte Schmadtke.
Der psychischen Belastung für die Profis, die nach Enkes Selbstmord am 10. November kein Spiel mehr gewonnen haben, ist er sich aber weiterhin bewusst.
"Vergangenheit hinter uns lassen"
Möglicherweise soll nun professionelle psychologische Hilfe zu Rate eingeholt werden. "Einige Fachleute sagen, dass die Mannschaft nach dem Tod von Robert Enke traumatisiert war", sagt Klubchef Martin Kind: "Aber wir müssen es schaffen, die Vergangenheit hinter uns zu lassen."
Ob tatsächlich ein Psychologe engagiert wird, soll aber erst nach Rücksprache mit dem Team entschieden werden. "Entscheidend ist, dass die Mannschaft dies zulässt. So etwas kann nicht von oben vorgeschrieben werden", sagte Schmadtke, der an die sportliche Substanz für den Klassenerhalt glaubt: "Wir haben genug Qualität im Kader."
Die Lage ist brenzlig. Nach sechs Spielen ohne Sieg in Folge hat 96 nur noch einen Punkt Vorsprung auf den Relegationsplatz. Das letzte Hinrundenspiel ging gegen den direkten Konkurrenten VfL Bochum trotz einer 2:0-Führung 2:3 verloren.
"Wir haben uns das Leben selbst schwergemacht"
"Das war ein weiterer Wermutstropfen und ist eigentlich nicht zu erklären. Bis dahin war die Hinrunde in Anbetracht unserer schwierigen Situation eigentlich zufriedenstellend verlaufen", sagt Kind.
Schmadtke ergänzt: "Wir haben uns das Leben selbst schwer gemacht." So hatte es bereits eine Woche vor der Pleite gegen Bochum eine Partie gegeben, die allenfalls für das Kuriositätenkabinett taugte.
Beim 3:5 bei Borussia Mönchengladbach erzielten Hannovers Spieler drei Eigentore und sorgten damit für ein Novum in der Bundesliga-Geschichte. Weitere Punkte wurden liegengelassen.
Situation ist sehr ernst
"Beim Blick auf die Tabelle wird klar, dass die Situation sehr ernst ist. Wir müssen konzentriert in die Rückrunde gehen und sehr, sehr hart arbeiten", fordert Kind. Veränderungen im Kader sind nach Angaben der Verantwortlichen nicht zwingend vorgesehen.
Der als Nummer zwei verpflichtete Keeper Uwe Gospodarek könnte der einzige Neue im Winter bleiben. "Geplant ist grundsätzlich nichts. Wenn aber ein Spieler verfügbar sein sollte, der uns auch in den nächsten Jahren weiterhilft, müssen wir schauen, was für uns finanziell vertretbar ist", sagt Kind.
Verstärkung aus den eigenen Reihen
Zuletzt waren unter anderem Alexander Baumjohann (Bayern München) und Lars Stindl (Karlsruher SC) gehandelt worden.
Verstärkungen könnten die Niedersachsen aber auch aus den eigenen Reihen erhalten. Nachdem Jan Schlaudraff und Mike Hanke bereits zum Ende der ersten Halbserie zurückgekehrt waren, dürften in den kommenden Wochen auch weitere Langzeitverletzte wie Leon Andreasen wieder zur Verfügung stehen.
Karim Haggui und Constant Djakpa fehlen hingegen vorerst und waren aufgrund ihrer Afrika-Cup-Teilnahme in Angola (10. bis 31. Januar) auch zum Trainingsauftakt nicht dabei.