"Ich kenne Tottis dunkle Seite"

Daniel Börlein
23. März 201008:40
Carsten Ramelow machte von 1998 bis 2004 46 Länderspiele für die DFB-AuswahlGetty
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Dass er nie ein Publikumsliebling war, weiß Carsten Ramelow selbst. Dennoch hat der Ex-Nationalspieler mehr erlebt als viele andere. Zum Beispiel: die fiese Seite von Francesco Totti, den genialen Zinedine Zidane, den Skandal um Christoph Daum und eine kurze Karriere als Popstar.

SPOX: Herr Ramelow, nach 17 Jahren Profi-Fußball haben Sie 2008 Ihre Karriere beendet. Wie schnell sind Sie vom Fußball los gekommen?

Carsten Ramelow: Ich glaube, das ist mir recht schnell und gut gelungen. Ich arbeite seit meinem Karriereende bei einer Kölner Firma im Bereich Events und Location. Ich vermisse den Fußball eigentlich gar nicht mehr.

SPOX: Eigentlich?

Ramelow: Natürlich war es direkt nach der Karriere erstmal eine Umstellung. Aber ich habe sehr schnell etwas gefunden, das mir Spaß macht. Von daher kann ich sagen: Mir fehlt nichts.

SPOX: Dabei haben Sie in Ihrer Karriere so viel erleben dürfen. Woran erinnern Sie sich besonders gerne zurück?

Ramelow: An die 13 Jahre in Leverkusen. Gerade die ersten Jahre unter Christoph Daum sind hängen geblieben. Unter Daum habe ich sehr viel gelernt. Auch an das Jahr 2002 denke ich gerne zurück - Champions-League-Endspiel mit Bayer und dann noch das WM-Finale gegen Brasilien. Das war schon toll.

SPOX: Tolle Erlebnisse, mit bitterem Ausgang. Für einen Titel hat's nie gereicht.

Ramelow: Klar, das ist das Einzige, was mir fehlt. Es wäre schön gewesen, mal etwas in Händen zu halten. Das ist mir leider nie gelungen. Aber das ändert nichts daran, dass ich viele tolle Dinge erlebt habe, die andere nicht hatten.

SPOX: Da gab's zum Beispiel im Champions-League-Finale 2002 ein überragendes Tor von Zinedine Zidane. War er der Beste gegen den Sie in all den Jahren gespielt haben?

Ramelow: Gegen ihn zu spielen war auf jeden Fall eines der ganz besonderen Highlights. Auch das Duell gegen Raul oder das Aufeinandertreffen mit Ronaldo im WM-Finale 2002 würde ich noch dazuzählen.

SPOX: Gab's auch Typen, auf die Sie hätten verzichten können? (Ramelow überlegt) Francesco Totti vielleicht? Der hat Sie mal übel getreten.

Ramelow: (lacht) An den musste ich auch gerade denken! Er ist sicher ein toller Fußballer, keine Frage. In manchen Situationen musste man bei ihm aber aufpassen. Es gab Situationen, in denen er richtig fies sein konnte. Fußballerisch war das alles fantastisch, ich habe aber auch seine dunkle Seite kennengelernt. (lacht) Auch wenn ich selbst kein Kind von Traurigkeit war.

SPOX: Sie haben gerne provoziert?

Ramelow: Das nicht. Aber es ist bekannt, dass ich immer mit viel Einsatz gespielt habe. Da geht man dann auch mal härter zur Sache - ohne jemanden verletzen zu wollen.

SPOX: Und mit Ihrer Härte konnte Totti offensichtlich nichts anfangen.

So machte Ramelow 2004 Bekanntschaft mit der dunklen Seite von Francesco TottiGetty

Ramelow: Ich weiß auch nicht, vielleicht habe ich ihn vorher mal in einem Zweikampf getroffen und er war deshalb sauer. Aber so sind diese Spielmachertypen. Die darf keiner anfassen oder berühren. Wenn man sich auf den Platz stellt, muss man aber damit rechnen, dass es das eine oder andere Mal ein bisschen weh tut.

SPOX: Totti und Sie, das funktionierte also nicht besonders. Mit wem konnten Sie denn gut?

Ramelow: Ich bin noch immer in Kontakt mit Jens Nowotny. Wir haben schon in den Jugend-Nationalmannschaften zusammen gespielt und dann jahrelang auch bei Bayer. Da hat sich über die Jahre eine echte Freundschaft entwickelt.

SPOX: Und wer war der beste Mitspieler?

Ramelow: (überlegt) Da waren einige dabei. Ulf Kirsten, Bernd Schneider, Michael Ballack. Dann gab's über die Jahre immer wieder starke Brasilianer bei Bayer. Mit denen hat's richtig Spaß gemacht.

SPOX: Weil die auch ganz gut Feiern konnten?

Ramelow: Nicht nur die! (lacht) Wer feiert denn nicht gerne? Das hat vor allem in den ersten Jahren, in denen ich in Leverkusen war, sehr gut gepasst. Der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft war damals einfach klasse. Da haben alle mal reihum zu sich nach Hause eingeladen und dann hat man zusammen gefeiert. Das war häufig ganz spontan, aber das hat uns zusammengeschweißt, weil es einfach sehr herzlich war.

SPOX: Dennoch verließen immer wieder Spieler den Verein. Michael Ballack und Ze Roberto gingen zu den Bayern, Bernd Schneider hatte ein Angebot vom FC Barcelona. Hat bei Ihnen niemand angeklopft?

Ramelow: Ja, auch bei mir gab's eine Anfrage. Aber für mich war es immer wichtig, frühzeitig Klarheit zu haben, auch um mit der Familie eine gewisse Planungssicherheit zu haben. Bis zuletzt zu pokern, kam nie für mich in Frage. Mit Reiner Calmund war ich immer relativ schnell einig. Und sportlich lief es für mich ja gut, deshalb gab es eigentlich nie ernsthafte Gedanken, den Verein zu wechseln.

SPOX: Obwohl es sportlich gut lief, haben Sie in der Öffentlichkeit nie die Wertschätzung erhalten, die anderen Kollegen zuteil wurde. Warum eigentlich?

Ramelow: Schwierig. Ich denke, dass man in seinen ersten Jahren ein Image verpasst bekommt, von dem man dann über die Jahre nur schwer wieder weg kommt. Man wird in eine Schublade gesteckt, und wenn man's braucht, wird diese Schublade wieder geöffnet.

SPOX: Wollten Sie aus dieser Schublade nicht mal raus?

Ramelow: Ich war nie ein Lautsprecher, was die Medien betrifft. Ich wollte lieber meine Ruhe haben. Ich habe zwar im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht, dass das nicht immer gut ist, aber ich wollte mich auch nicht verbiegen lassen.

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SPOX: Den Ruhm haben dadurch aber auch meist die anderen abbekommen.

Ramelow: Für mich war wichtig, einen guten Job zu machen. Das ist mir meist gelungen. Ich habe viel auf die Mütze bekommen, aber ich habe daraus auch eine gewisse Stärke gezogen. Mich hatte man häufig nicht wirklich auf der Rechnung und letztlich habe ich mich dann doch immer wieder durchgesetzt, egal wer gekauft wurde oder wer in der Öffentlichkeit besser eingestuft wurde.

SPOX: Stichwort auf die Mütze bekommen: Im WM-Halbfinale 2002 bügelte Michael Ballack einen Fehler von Ihnen aus, sah dafür Gelb und fehlte im Finale gesperrt. Sie waren der große Buhmann.

Ramelow: Ach, in der Nationalmannschaft gab's doch häufiger solche Situationen. Aber ich habe mir da über die Jahre ein dickes Fell zugelegt. Zur Situation damals: Das gehört im Fußball dazu, dass einer den Fehler eines anderen ausbessert.

SPOX: Ob Ballack das auch so sieht?

Ramelow: Dass er darüber nicht glücklich war, wird jedem klar sein. Aber er hätte es ja auch nicht machen müssen. Man weiß nicht, wie die Situation letztendlich weitergegangen wäre. Ich habe es sicher nicht mit Absicht gemacht. Es gab auch von Michael nie einen Vorwurf. Die Presse hat das dann ein bisschen hoch gespielt und mir eine mitgegeben. Dann sucht man sich eben den Schwächeren und sagt: Jetzt kriegt's der Ramelow ab.

SPOX: Gab's abgesehen von solchen Momenten Dinge, die Sie aus Ihrem Fußballer-Leben streichen möchten?

Ramelow: Ich war 13 Jahre in Leverkusen. Zehnmal waren wir international dabei. Zweimal lief es allerdings nicht so gut, da sind wir gerade so in der Liga geblieben. Diese Zeit war nicht besonders schön, weil es sehr kritische Momente waren. Darauf hätte ich gerne verzichten können.

SPOX: Dennoch ging es für Bayer am Ende immer gut. Im Fall von Christoph Daum kann man das nicht behaupten.

Ramelow: Das kam für uns aus dem Nichts. Als die Bombe damals platzte, war das eine riesige Enttäuschung. Ich hatte unter ihm eine tolle Zeit, habe auch sehr viel von ihm gelernt. Wir hatten viel Spaß - und dann so was. Was damals alles passiert ist, kann ich bis heute noch nicht richtig einordnen.

SPOX: Wie ging man innerhalb der Mannschaft damit um?

Ramelow: Wir haben es kurz vor einem Heimspiel erfahren, das war schon unglaublich. Es war natürlich auch im Nachhinein noch einige Zeit ein Thema. So richtig wusste ja keiner, wie das alles gelaufen ist. Da hat man sich schon gefragt, wie das zustande gekommen ist. Auf dem Platz hatte die ganze Sache kaum Folgen, persönlich hatte man daran allerdings schon zu knabbern. Schließlich hatte man einen tollen Trainer erleben dürfen, an ihm nun allerdings eine Seite kennengelernt, die man nie erwartet hätte.

SPOX: Trotz alledem: War Daum der beste Trainer ihrer Karriere?

Ramelow: Das würde ich sagen, ja. Zusammen mit seinem Assistenten Roland Koch hat er top Arbeit abgeliefert. Jeder einzelne Spieler hat etwas dazugelernt. Und man sieht ja: Überall wo er gearbeitet hat, hatte er Erfolg. Das spricht für seine Klasse.

SPOX: Diese ganze Sache um Christoph Daum war damals das große Thema in der Öffentlichkeit. Was dagegen kaum einer weiß: Sie haben sich auch mal als Sänger versucht.

Ramelow: Wir haben bei Leverkusen damals mit fünf, sechs Spielern eine Weihnachts-CD aufgenommen. Das war eine lustige Aktion, die sehr gut angekommen ist. Damals habe ich den Produzenten näher kennen gelernt und er meinte, dass sich das bei mir schon ganz gut angehört habe und ob ich schon überlegt hätte, mal privat etwas zu machen...

SPOX: Und dann haben Sie überlegt?

Ramelow: Ich hatte mir schon lange vorher mal darüber Gedanken gemacht. Nun bot sich eben die Gelegenheit, und wir haben das Ganze noch für einen guten Zweck genutzt und das Geld, das eingenommen wurde, gespendet.

SPOX: Fußballer und Singen ist ja immer so eine Sache...

Ramelow: Da muss man als Fußballer natürlich aufpassen. Man will ja auch nicht belächelt werden. Aber ich habe mir das zugetraut. Ich wusste ja: Allzu schlecht singe ich nicht. Und es ist dann auch gut geworden. Das haben mir viele aus meinem Bekanntenkreis gesagt. Die haben mich erst gar nicht erkannt und waren total verwundert, dass ich das gesungen habe.

SPOX: Klingt ja richtig begeistert.

Ramelow: Ich finde, die ganze CD ist wirklich schön geworden. Sie kam auch bei anderen Leuten gut an und mir hat's viel Spaß gemacht. Trotzdem habe ich es dann bei dieser einen CD belassen.

SPOX: Teamkollege Thomas Brdaric fühlte sich dagegen offenbar von Ihnen inspiriert und versuchte sich ebenfalls. Was haben Sie als Experte davon gehalten?

Ramelow: (lacht) Das sollen andere beurteilen. Bei ihm war das Feedback nicht ganz so gut, wenn ich mich richtig erinnere.

SPOX: Einer, den die Fans immer mochten, war Bernd Schneider. Er bekommt nun im Mai ein Abschiedsspiel. Warum haben Sie eigentlich keines gemacht?

Ramelow: Ich wollte nie so ein Spiel, habe da immer abgeblockt. Ich bin einfach kein Typ für die Öffentlichkeit. Mein letztes Spiel war in Berlin, da habe ich sogar noch ein Tor gemacht. Was will ich denn mehr? Für mich war das der perfekte Abschied.

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