"Ich kenne Tottis dunkle Seite"

Von Interview: Daniel Börlein
Carsten Ramelow machte von 1998 bis 2004 46 Länderspiele für die DFB-Auswahl
© Getty

Dass er nie ein Publikumsliebling war, weiß Carsten Ramelow selbst. Dennoch hat der Ex-Nationalspieler mehr erlebt als viele andere. Zum Beispiel: die fiese Seite von Francesco Totti, den genialen Zinedine Zidane, den Skandal um Christoph Daum und eine kurze Karriere als Popstar.

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SPOX: Herr Ramelow, nach 17 Jahren Profi-Fußball haben Sie 2008 Ihre Karriere beendet. Wie schnell sind Sie vom Fußball los gekommen?

Carsten Ramelow: Ich glaube, das ist mir recht schnell und gut gelungen. Ich arbeite seit meinem Karriereende bei einer Kölner Firma im Bereich Events und Location. Ich vermisse den Fußball eigentlich gar nicht mehr.

SPOX: Eigentlich?

Ramelow: Natürlich war es direkt nach der Karriere erstmal eine Umstellung. Aber ich habe sehr schnell etwas gefunden, das mir Spaß macht. Von daher kann ich sagen: Mir fehlt nichts.

SPOX: Dabei haben Sie in Ihrer Karriere so viel erleben dürfen. Woran erinnern Sie sich besonders gerne zurück?

Ramelow: An die 13 Jahre in Leverkusen. Gerade die ersten Jahre unter Christoph Daum sind hängen geblieben. Unter Daum habe ich sehr viel gelernt. Auch an das Jahr 2002 denke ich gerne zurück - Champions-League-Endspiel mit Bayer und dann noch das WM-Finale gegen Brasilien. Das war schon toll.

SPOX: Tolle Erlebnisse, mit bitterem Ausgang. Für einen Titel hat's nie gereicht.

Ramelow: Klar, das ist das Einzige, was mir fehlt. Es wäre schön gewesen, mal etwas in Händen zu halten. Das ist mir leider nie gelungen. Aber das ändert nichts daran, dass ich viele tolle Dinge erlebt habe, die andere nicht hatten.

SPOX: Da gab's zum Beispiel im Champions-League-Finale 2002 ein überragendes Tor von Zinedine Zidane. War er der Beste gegen den Sie in all den Jahren gespielt haben?

Ramelow: Gegen ihn zu spielen war auf jeden Fall eines der ganz besonderen Highlights. Auch das Duell gegen Raul oder das Aufeinandertreffen mit Ronaldo im WM-Finale 2002 würde ich noch dazuzählen.

SPOX: Gab's auch Typen, auf die Sie hätten verzichten können? (Ramelow überlegt) Francesco Totti vielleicht? Der hat Sie mal übel getreten.

Ramelow: (lacht) An den musste ich auch gerade denken! Er ist sicher ein toller Fußballer, keine Frage. In manchen Situationen musste man bei ihm aber aufpassen. Es gab Situationen, in denen er richtig fies sein konnte. Fußballerisch war das alles fantastisch, ich habe aber auch seine dunkle Seite kennengelernt. (lacht) Auch wenn ich selbst kein Kind von Traurigkeit war.

SPOX: Sie haben gerne provoziert?

Ramelow: Das nicht. Aber es ist bekannt, dass ich immer mit viel Einsatz gespielt habe. Da geht man dann auch mal härter zur Sache - ohne jemanden verletzen zu wollen.

SPOX: Und mit Ihrer Härte konnte Totti offensichtlich nichts anfangen.

Ramelow: Ich weiß auch nicht, vielleicht habe ich ihn vorher mal in einem Zweikampf getroffen und er war deshalb sauer. Aber so sind diese Spielmachertypen. Die darf keiner anfassen oder berühren. Wenn man sich auf den Platz stellt, muss man aber damit rechnen, dass es das eine oder andere Mal ein bisschen weh tut.

SPOX: Totti und Sie, das funktionierte also nicht besonders. Mit wem konnten Sie denn gut?

Ramelow: Ich bin noch immer in Kontakt mit Jens Nowotny. Wir haben schon in den Jugend-Nationalmannschaften zusammen gespielt und dann jahrelang auch bei Bayer. Da hat sich über die Jahre eine echte Freundschaft entwickelt.

SPOX: Und wer war der beste Mitspieler?

Ramelow: (überlegt) Da waren einige dabei. Ulf Kirsten, Bernd Schneider, Michael Ballack. Dann gab's über die Jahre immer wieder starke Brasilianer bei Bayer. Mit denen hat's richtig Spaß gemacht.

SPOX: Weil die auch ganz gut Feiern konnten?

Ramelow: Nicht nur die! (lacht) Wer feiert denn nicht gerne? Das hat vor allem in den ersten Jahren, in denen ich in Leverkusen war, sehr gut gepasst. Der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft war damals einfach klasse. Da haben alle mal reihum zu sich nach Hause eingeladen und dann hat man zusammen gefeiert. Das war häufig ganz spontan, aber das hat uns zusammengeschweißt, weil es einfach sehr herzlich war.

SPOX: Dennoch verließen immer wieder Spieler den Verein. Michael Ballack und Ze Roberto gingen zu den Bayern, Bernd Schneider hatte ein Angebot vom FC Barcelona. Hat bei Ihnen niemand angeklopft?

Ramelow: Ja, auch bei mir gab's eine Anfrage. Aber für mich war es immer wichtig, frühzeitig Klarheit zu haben, auch um mit der Familie eine gewisse Planungssicherheit zu haben. Bis zuletzt zu pokern, kam nie für mich in Frage. Mit Reiner Calmund war ich immer relativ schnell einig. Und sportlich lief es für mich ja gut, deshalb gab es eigentlich nie ernsthafte Gedanken, den Verein zu wechseln.

SPOX: Obwohl es sportlich gut lief, haben Sie in der Öffentlichkeit nie die Wertschätzung erhalten, die anderen Kollegen zuteil wurde. Warum eigentlich?

Ramelow: Schwierig. Ich denke, dass man in seinen ersten Jahren ein Image verpasst bekommt, von dem man dann über die Jahre nur schwer wieder weg kommt. Man wird in eine Schublade gesteckt, und wenn man's braucht, wird diese Schublade wieder geöffnet.

SPOX: Wollten Sie aus dieser Schublade nicht mal raus?

Ramelow: Ich war nie ein Lautsprecher, was die Medien betrifft. Ich wollte lieber meine Ruhe haben. Ich habe zwar im Laufe der Zeit die Erfahrung gemacht, dass das nicht immer gut ist, aber ich wollte mich auch nicht verbiegen lassen.

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