HSV: Der blockierte Neuanfang

SPOX
07. Juli 201009:27
Der Neue: Armin Veh während seines erstenTrainings mit dem Hamburger SVGetty
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Mal wieder ein Neuanfang. Mit Armin Veh hat der Hamburger SV nun den dritten Trainer in drei Jahren und schon wieder heißt es an der Elbe: Alles auf Anfang! Zusammen mit Klubboss Bernd Hoffmann, Sportchef Bastian Reinhardt und Mastermind Urs Siegenthaler entwirft der 49-Jährige den nächsten "neuen HSV" - und muss dafür auch den Scherbenhaufen aufräumen, der vom letzten Neustart übrig geblieben ist.

Nach den phasenweise trostlosen Auftritten in der abgelaufenen Rückrunde kündigte HSV-Boss Bernd Hoffmann an, den Kader auf Mentalität und Charakter hin zu überprüfen - und an entsprechenden Stellen umzustrukturieren.

Das erste Opfer ist wohl Torhüter Frank Rost, dem mit Jarolsav Drobny ein winkender Zaunpfahl vor die Nase gesetzt wurde.

Abgesehen davon aber hat der HSV - trotz etlicher offener Planstellen - noch keine Zugänge präsentiert. Nach dem Abschied von Jerome Boateng zu Manchester City fehlt vor allem in der Abwehr Personal. "In der Innenverteidigung brauchen wir jemanden, ganz klar", bestätigt Reinhardt.

15 Millionen von Investor Kühne

Dafür hat der HSV durch das Engagement des neuen Investors Michael Kühne 15 Millionen Euro zur Verfügung, mit dem Verkauf von Boateng und Sidney Sam kommen weitere 12 Millionen hinzu.

Allerdings muss Hamburg ohne zusätzliche Einnahmen aus dem europäischen Wettbewerb wirtschaften. Nach dem Transferdefizit von gut 27 Millionen Euro aus der letzten Saison dürfte die Geldbörse ohnehin nicht mehr allzu locker sitzen.

Wer bringt den Stein ins Rollen?

Entsprechend kommt die Personalplanung nur schleppend voran, zumal die Hängepartie mit Ibrahim Afellay weitere Transfers blockiert und der Markt während der Weltmeisterschaft wie üblich eher träge ist. "Wir müssen abwarten, bis der erste Stein fällt und Bewegung in das Ganze kommt. Aber so ist die Gesetzmäßigkeit des Marktes", sagt Pressesprecher Jörn Wolf.

Dass Urs Siegenthaler, der in Hamburg offiziell für die Kaderplanung zuständig ist, noch mit der DFB-Elf in Südafrika weilt, dürfte indes auch nicht zu einer Erhöhung des Tempos beitragen.

Tor

Aktuell: Frank Rost, Jaroslav Drobny, Wolfgang Hesl

Perspektivspieler: Tom Mickel

Die Verpflichtung von Jaroslav Drobny von Hertha BSC kam für viele überraschend, denn es galt als abgemacht: Frank Rost erfüllt mindestens seinen Vertrag bis 2011, parallel wird Wolfgang Hesl als Nachfolger aufgebaut. Nun haben beide plötzlich einen namhaften Konkurrenten vor der Nase - der bestimmt nicht für die Bank geholt wurde.

Und auch der 37-jährige Rost wird nicht riskieren wollen, seine Karriere als Backup auslaufen zu lassen, zumal er im Urlaub Sonderschichten einlegte und "noch nie so gut trainiert und fit wie diesmal in eine Vorbereitung gegangen" ist.

Sportlich war Rost in den letzten Jahren ohnehin über alle Zweifel erhaben. Die Verpflichtung von Drobny wird entsprechend als Quittung für seine kritischen Äußerungen gegenüber dem Vorstand gewertet. Und so blicken nun alle nach Hamburg und warten: Wie wird Rost reagieren?

Auf der Torhüterposition drohen dem HSV also noch atmosphärische Probleme, sportlich aber ist er so oder so gut besetzt. Sollte Rost allerdings gehen und sich auch Hesl vor den Kopf gestoßen fühlen, bräuchte Veh eine Lösung als Nummer zwei. Der ambitionierte U-20-Nationaltorhüter Tom Mickel hat noch keine Bundesligaminute auf dem Buckel.

Die Abwehr: Verstärkungen dringend gesucht

Mittelfeld und Angriff: Die Schwachstelle auf rechts

Innenverteidigung

Aktuell: Joris Mathijsen, David Rozehnal

Perspektivspieler: Miroslav Stepanek

Jerome Boateng ist weg, David Rozehnal enttäuschte in seinem ersten Jahr in Hamburg und gilt nach wie vor als Streichkandidat der Verantwortlichen. Auch Mathijsen spielte eine eher schwache Saison, ist als Abwehrchef aber wohl dennoch gesetzt.

Nachwuchsmann Miroslav Stepanek dagegen ist der absolute Pechvogel der Hamburger. Der tschechische U-21-Nationalspieler zog sich Ende Mai einen Kreuzbandriss zu. Schon im vergangenen Sommer verpasste er die Vorbereitung aufgrund einer Kreuzbandverletzung. Die Suche nach einem Innenverteidiger hat oberste Priorität, mit Arne Friedrich und Stefan Reinartz haben zwei Kandidaten allerdings schon abgesagt. Auch um Benedikt Höwedes und Heiko Westermann ist es ruhig geworden, Schalke will angeblich zu viel Geld.

Was sollte sich tun? Streng genommen hat der HSV mit Mathijsen nur einen Innenverteidiger, der das angestrebte Niveau schon unter Beweis gestellt hat. Ein Top-Abwehrspieler wird dringend noch gebraucht - dazu mindestens ein guter Backup.

Kandidaten:

Serdar Tasci: Jung, deutsch, modern - einer der absoluten Wunschkandidaten. Der 23-Jährige passt sportlich und in der Außendarstellung optimal ins Anforderungsprofil, Armin Veh förderte ihn bereits beim VfB. Und der Stuttgarter macht keinen Hehl daraus, den nächsten Karriere-Schritt machen zu wollen. Ob der HSV ohne internationales Geschäft dafür die richtige Adresse ist, hängt vor allem von den weiteren Interessenten ab. Angeblich ist unter anderem der FC Arsenal dran.

Madjid Bougherra: Während der 27-Jährige bei der WM mit Algerien sang- und klanglos ausschied, traf sich Bernd Hoffmann mit seinen Beratern. Bislang noch ohne Ergebnis. Sein größter Vorteil: Der schnelle und kopfballstarke 1,89-Meter-Mann könnte zentral und rechts verteidigen. Die Glasgow Rangers wollen für Algeriens Fußballer des Jahres angeblich rund 7,5 Millionen Euro.

Jean-Alain Boumsong: Der 30-Jährige Franzose hat in der abgelaufenen Saison seinen Stammplatz bei Olympique Lyon verloren, beide Seiten könnten sich angeblich mit einer Trennung im Sommer anfreunden. Der kantige und beidfüssige Ex-Nationalspieler wäre deshalb wohl günstig zu haben. Fraglich nur, ob er wirklich in die Kategorie "Top-Mann" gehört. Aufgrund seiner Erfahrung aber auf jeden Fall eine Verstärkung in der Breite.

Außenverteidigung

Aktuell: Dennis Aogo (links), Collin Benjamin (links und rechts), Guy Demel (rechts)

Perspektivspieler: Lennard Sowah (links)

Bastian Reinhardt sieht es wohl mindestens mit einem lachenden Auge, dass sich Dennis Aogo in Südafrika nicht in den Fokus spielt. Der Sportchef "will gerne verlängern", Juventus und der AC Milan sind aber angeblich auch interessiert.

Bei Rechtsverteidiger Guy Demel gab es einen Sinneswandel. Eigentlich wollten ihm die Verantwortlichen bei einem guten Angebot keine Steine in den Weg legen, jetzt heißt es aber: "Ich habe mit Demel im WM-Urlaub gesprochen und ihm gesagt, dass wir ihn gerne behalten möchten. Wir haben das intern mehrfach diskutiert. Ich glaube, dass er mehr Potenzial hat, als er vergangene Saison gezeigt hat", sagt Reinhardt.

Collin Benjamin bereichert den Kader mit seiner Erfahrung, muss nach langer Verletzungspause aber erst wieder beweisen, dass er fit ist. Ein solider Ersatzmann auf beiden Seiten.

Am Dienstag hat mit Lennard Sowah ein 17-jähriger Persepktivspieler für die linke Seite unterschrieben: Der gebürtige Hamburger wechselte als 15-Jähriger nach England und debütierte im April für den FC Portsmouth in der Premier League. Nun kehrt er zum HSV zurück.

Was sollte sich tun? Links ist der HSV erstklassig besetzt, zumal Marcell Jansen auch problemlos aus dem Mittelfeld in die Viererkette zurückrücken kann.

Kandidat:

Rafinha: Der Brasilianer sollte der Königstransfer der Hamburger werden, ein guter Teil der 15 Millionen Euro von Investor Michael Kühne nach Schalke gehen. Noch aber verzögert sich der Deal, angeblich auch deshalb, weil der 24-Jährige zum wiederholten Male auf Schalke zu spät zum Training erschienen ist - kein gutes Argument für die große Charakterdiskussion, die der HSV derzeit führt. Außerdem: Wenn Demel bleibt, kommt wohl auch Rafinha nicht.

Das Tor: Wie reagiert Rost?

Mittelfeld und Angriff: Die Schwachstelle auf rechts

Mittelfeld

Aktuell: Ze Roberto, David Jarolim, Piotr Trochowski, Eljero Elia, Robert Tesche, Tomas Rincon, Jonathan Pitroipa, Tunay Torun, Mickäel Tavares, Romeo Castelen

Perspektivspieler: Änis Ben-Hatira, Sören Bertram

Ze Roberto bleibt und auch Piotr Trochowski soll verlängern: Nach dem Vorbild von Bastian Schweinsteiger will ihn Veh sogar als Sechser testen. Die Zukunft von Eljero Elia dagegen ist offen, der Niederländer kokettiert in der Heimat immer wieder mal mit einem Wechsel, zumal er in Hamburg vermutlich auf der ungeliebten rechten Seite ran müsste.

Insgesamt ist der rechte Flügel eine Schwachstelle im Kader, weder Trochowski noch Elia kamen dort in der abgelaufenen Saison zu Recht. Abhilfe könnte Ibrahim Afellay schaffen, die Verhandlungen mit dem 24-Jährigen vom PSV Eindhoven standen Anfang Juni schon kurz vor dem Abschluss, liegen nun aber schon seit Wochen auf Eis. Damit ist der Niederländer ein Schlüssel zu den Planungen der Hamburger: Das Warten auf Afellay lähmt andere Gespräche.

Wechselgerüchte gibt es immer wieder um Jonathan Pitroipa, der mehr Einsatzzeit haben will. Offen ist auch die Zukunft von Rückkehrer Mickäel Tavarez, der an Nürnberg ausgeliehen war. Der Club verzichtete darauf, seine Kaufoption zu ziehen.

Was sollte passieren? Der HSV muss zunächst die Zukunft von Trochowski und Elia klären, außerdem muss erst Veh sein System definieren. Sollte der Afellay-Transfer klappen, ist Hamburg im Mittelfeld insgesamt aber sehr gut aufgestellt.

Kandidaten:

Ibrahim Afellay: Der 24-Jährige, der auf dem rechten Flügel und im Zentrum spielen kann, steht mit den Niederlanden im WM-Halbfinale - und er pokert mit dem HSV. Reinhardt stellte mittlerweile schon eine Art Ultimatum: "Sein Transfer bindet viel Geld. Irgendwann geht das nicht mehr. Dann denken wir um." Der Sportchef ließ allerdings offen, wann.

Gojka Kacar: Hamburg wollte den Serben schon im vergangenen Sommer verpflichten, auch jetzt sind die Gespräche angeblich bereits weit fortgeschritten. Problem ist aber die Ablöse von rund zehn Millionen Euro an die Hertha: Die kann der HSV sinnvollerweise nur bezahlen, wenn Afellay abspringt.

Xherdan Shaqiri: Eine Empfehlung von Urs Siegenthaler. Der 18-Jährige vom FC Basel gilt als eines der größten Talente in der Schweiz und ist auf beiden Seiten im Mittelfeld einsetzbar. Seine Verpflichtung hat zunächst allerdings keine Priorität.

Angriff

Aktuell: Ruud van Nistelrooy, Mladen Petric, Paolo Guerrero, Marcus Berg

Perspektivspieler: Maxim Choupo-Moting

Mit Ruud van Nistelrooy, Mladen Petric und Paolo Guerrero, der seinen Vertrag verlängert hat, ist der HSV im Sturm hochkarätig besetzt. Als Angreifer Nummer vier kommt Maxim Coupo-Moting aus Nürnberg zurück. Der 21-Jährige kam während seiner Ausleihe zur erwünschten Spielpraxis - und konnte auch bei der WM mit Kamerun an der Seite von Samuel Eto'o wertvolle Erfahrung sammeln.

Dafür wird Marcus Berg nach einer enttäuschenden ersten Saison wohl verliehen werden. "Es gibt überraschend viele Angebote, er ist sehr gefragt", bestätigt Reinhardt. Real Sociedad ist angeblich ebenso ein potentieller Abnehmer wie der 1. FC Kaiserslautern und Ajax Amsterdam. Ebenfalls ausgeliehen wird Tolgay Arslan. Der 19-Jährige geht für ein Jahr zu Alemannia Aachen.

Neuverpflichtungen wird der HSV im Angriff keine mehr tätigen.

Das Tor: Wie reagiert Rost?

Die Abwehr: Verstärkungen dringend gesucht