"Ich finde es gut, dass unsere Leute nicht hingehen, um Klaas-Jan Huntelaar zu finanzieren." Mit dieser Aussage unterstützte BVB-Trainer Jürgen Klopp kürzlich den vermeintlichen Boykott der Dortmunder Anhänger beim Derby auf Schalke am 19. September.
Offizielle Vorstellung: Huntelaar erhält Nr. 25 auf Schalke
Doch ob die Fans des Rivalen letztlich in der Veltins Arena anwesend sein werden oder nicht, haben es die Knappen auch so geschafft, den Holländer unter Vertrag zu nehmen. 14 Millionen Euro blätterte Felix Magath für den Stürmer hin. Ein Transfer, der für einen Verein wie den FC Schalke 04 vor 20 Monaten noch völlig undenkbar gewesen wäre.
Vom Tor in den Sturm
Damals war Huntelaar nämlich noch der neue Stern am europäischen Stürmerhimmel. Hätte Schalke zu jener Zeit angeklopft, hätte der 27-Jährige wohl nur ein müdes Lächeln übrig gehabt. Doch Huntelaars Karriere geriet genau ab diesem Zeitpunkt ins Stocken. Mit dem Wechsel ins Ausland zu Real Madrid lernte Huntelaar auf und außerhalb des Platzes Faktoren kennen, die seinen steilen Aufstieg in den Niederlanden nicht begleiteten.
In der Heimat ging Huntelaar seine Hauptaufgabe - exzessives Toreschießen - noch beeindruckend locker von der Hand. Egal wo er kickte, in Holland erreichte er bei jedem Verein eine beachtliche Torquote.
In seiner frühen Jugend schloss er sich De Graafschap an und agierte dort zwei Jahre lang auf allen erdenklichen Positionen. Selbst ins Tor steckten ihn seine Jugendtrainer. Erst als man ihn im dritten Jahr den Job ganz vorne im Sturmzentrum anvertraute, kam dabei auch etwas Brauchbares herum: 33 Buden in 20 Spielen - keine allzu schlechte Torquote für einen 14-Jährigen.
Wie einst der Ruud
Im Sommer 2000 wechselte er nach Eindhoven und ballerte dort in den Jugendteams weiter munter drauf los. Nach 26 Treffern in 23 Spielen zog ihn der damalige Coach Guus Hiddink in die erste Mannschaft hoch. Dort wehte allerdings ein anderer Wind, so dass man ihn aufgrund zu großer Konkurrenz nach nur einem Profispiel wieder in der vertrauten Umgebung in De Graafschap parkte.
Nach einer weiteren Ausleihe zu Zweitligist AGOVV Apeldoorn, wo er prompt Torschützenkönig (35 Spiele, 26 Tore) und bester Spieler der 2. Liga wurde, kehrte er zum PSV zurück, lehnte dort allerdings eine Verlängerung seines Vertrages ab und wechselte zur Saison 2004/2005 stattdessen fix zum SC Heerenveen, dem Verein mit den lustigen Herzchen auf den Trikots.
Die Wahl fiel auch deshalb auf Heerenveen, da der Verein bei der Ausbildung junger Talente einen exzellenten Ruf genoss, wie die Beispiele Jon Dahl Tomasson und Ruud van Nistelrooy belegen.
Vizekapitän bei Ajax
33 Tore und 46 Spiele später kickten die Friesländer nicht nur im UEFA-Cup, sondern verloren ihren Starspieler auch an Ajax Amsterdam, die von Huntelaars 17 Toren in 15 Spielen derart beeindruckt waren, dass sie Heerenveen bereits in der Winterpause neun Millionen Euro in die Hand drückten.
Im Sommer 2006 zeigte der Torezähler die Zahl 33 an - Huntelaar war endgültig im Konzert der Großen angekommen. Erstmals registrierte man auch außerhalb der Niederlande, dass es dort einen Mann gibt, der Tore ohne Ende macht.
Doch zum damaligen Zeitpunkt kam ein Wechsel nicht in Frage, zumal er bei Ajax zum Vizekapitän aufstieg, was Huntelaar in seinem ersten kompletten Jahr in Amsterdam wettbewerbsübergreifend mit 36 Toren in 51 Spielen dankte.
"25 bis 30 Tore sind normal"
Nach einem Hattrick gegen seinen Ex-Verein De Graafschap im April 2008 schraubte Huntelaar sein Torekonto in der ersten holländischen Liga bereits auf atemberaubende 100 - das gelang in den 25 Jahren zuvor in diesem Alter nur zwei Spielern: Dennis Bergkamp und Dirk Kuyt.
Am Ende der Saison 2007/2008 standen weitere 33 Treffer zu Buche. Mehr als 30 Tore für Ajax in einer Saison waren davor zuletzt Klubikone Marco van Basten in der Spielzeit 1986/1987 gelungen.
"Für mich sind 25 bis 30 Tore in der Meisterschaft eine gute Saison, aber das ist normal. Mehr als 35 Tore, okay, das ist dann eine außergewöhnliche Saison", sagte der "Hunter", wie ihn in Holland alle nannten.
Wechsel nach Madrid
Aufgrund dieser unglaublichen Statistiken rückte ein Wechsel zu einem Topklubs ins Ausland immer näher, auch wenn Huntelaar über die Jahre immer betonte, den optimalen Zeitpunkt für den Schritt ins Ausland abwarten zu wollen.
Doch als im Winter 2008 Real Madrid in der niederländischen Hauptstadt aufschlug und 27 Millionen Euro auf den Tisch legte, war es soweit.
Und hier sind wir wieder am Ausgangspunkt der Geschichte. Huntelaar holte den Titel des Welttorjägers und verließ sein Heimatland nach 135 Toren in 183 Ligaspielen. Zu diesem Zeitpunkt hätte man Schalke 04 im In- und Ausland nicht für voll genommen, für einen Spieler wie Huntelaar zu bieten.
Kein Platz mehr bei Real
Man war nun natürlich allerorts gespannt, ob Huntelaar seine Statistiken auch bei einem Topverein wie Real bestätigen konnte. Relativ schnell stellte sich heraus: Er konnte es nicht. In Madrid kam er in eine Elf ohne klares Spielsystem, die augenscheinlich zu eitel war, einen Neuzugang ordentlich zu integrieren. Zudem strich man Huntelaar aus dem Champions-League-Kader der Königlichen und nahm stattdessen lieber Lassana Diarra auf, der im Winter ebenfalls neu nach Madrid kam.
Nach neun Punkten Rückstand auf Meister Barcelona kündigte sich in Madrid ein Neuanfang an. Präsident Florentino Perez kam daher, nahm mächtig Kohle in die Hand und holte Stars wie Kaka und Cristiano Ronaldo. Für Huntelaar, der erst sportlich und nun aus marketingtechnischen Gründen durch das Raster fiel, war kein Platz mehr.
"Bei Real ist er damals Opfer der vielen Neuverpflichtungen geworden", sagt Youri Mulder im Gespräch mit SPOX. Im Sommer 2009 stand Huntelaar bereits wieder zum Verkauf und avancierte zu einem der heißesten Eisen auf dem internationalen Transfermarkt.
Mit dem VfB Stuttgart war er sich schon einig, doch Huntelaar verhandelte nebenher mit den Königlichen über eine Abfindung und hätte im Schwabenland zudem eklatante Gehaltseinbußen hinnehmen müssen. Also spielten sein Berater und er auf Zeit und warteten auf das passende Angebot. Als sich ein Wechsel zum FC Arsenal zerschlug, transferierten ihn die Madrilenen für 15 Millionen Euro zum AC Mailand.
Lieber Borriello statt Huntelaar
Doch auch in Italien kam Huntelaar nicht über den Status des Einwechselspielers hinaus, was vor allem daran lag, dass Kontrahent Marco Borriello ein Klassespiel nach dem anderen absolvierte. Als sich dies änderte, setzte Trainer Leonardo nicht auf seinen neuen Stürmer, sondern holte Urgestein Filippo Inzaghi aus der Kiste - Huntelaar war am bisherigen Tiefpunkt seiner Karriere angekommen.
Doch "wenn sie ihm nicht mit Ibrahimovic und Robinho zwei neue Stürmer vor die Nase gesetzt hätten, wäre er wohl geblieben. Er wollte sich dort beweisen", so Mulder, der kurz vor dem Ende der diesjährigen Transferperiode plötzlich einen Anruf von Huntelaar erhielt, der sich über die Vorzüge von Schalke 04 unterhalten wollte.
"Er wusste recht wenig über Schalke. Ich habe ihm geraten, zu wechseln, da er sehr gut nach Deutschland passt. Hier wird offensiver Fußball gespielt, es gibt für Stürmer sehr viele Chancen. Das ist ideal für ihn als Strafraumspieler. Wenn er bei Schalke erfolgreich ist, kann er dort zu einer Legende werden" berichtet Mulder.
Der "beste Strafraumspieler der Welt"
Huntelaar war überzeugt, auch aufgrund der neuen Situation im Mailänder Sturm. "Ibrahimovic ist künftig gesetzt. Deshalb wäre es dort schwierig für mich geworden. Groll empfinde ich nicht, ebenso wenig wie ich meine Milan-Entscheidung bereue. Aber ich will endlich wieder spielen", so der Hobby-Angler, der am Mittwoch auf Schalke vorgestellt wurde.
Die Aussicht des "Familienmenschen" (Mulder), bald wieder näher oder gar in seiner Heimat zu wohnen und regelmäßig zum Einsatz zu kommen, stand für ihn an oberster Stelle. "Meine Freundin Maddy war sehr froh, dass wir aus Mailand weggegangen sind."
Und als ob der Transfer wie eine Befreiung für den 27-Jährigen ist, netzte er in den beiden EM-Qualifikationsspielen der Holländer gleich fünfmal ein.
Am Freitag könnte Huntelaar gegen Hoffenheim (20.15 Uhr im LIVE-TICKER) erstmals das blau-weiße Trikot übersteifen. Sein neuer Coach hält sich hinsichtlich eines Einsatzes noch bedeckt: "Das werden wir sehen. Aber er gehört ja zum Spielbetrieb wie jeder andere auch", so Magath, der davon überzeugt ist, "dass er sich sofort gut einfügen wird."
Die Chancen, dass aus Raul und Huntelaar die erhofften Schalker Heilsbringer werden, stehen nicht schlecht. Zumal Louis van Gaal seinen Landsmann einst als "besten Strafraumspieler der Welt" bezeichneten. Und van Gaal hat bekanntlich ja immer Recht.
Klaas-Jan Huntelaar im Steckbrief