Hilferuf des Präsidenten

Von Andreas Lehner
Zwischen Louis van Gaal und Uli Hoeneß sind die Fronten verhärtet
© Getty

Uli Hoeneß' Attacke gegen Louis van Gaal kam zu einem überraschenden Zeitpunkt. Die Unzufriedenheit des Präsidenten war aber schon lange spürbar. Mit seiner Meinung steht Hoeneß im Verein alleine da.

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Fast auf den Tag genau vor einem Jahr erschütterte schon einmal ein Interview den FC Bayern München. Philipp Lahm hatte sich ausführlich mit der "Süddeutschen Zeitung" unterhalten und den Verein und seine Oberen in ungewohnt heftiger Art und Weise kritisiert.

Keine Philosophie, falsche Transferpolitik und fehlende Perspektive waren die Schlagworte, die Lahm den Herren Beckenbauer, Rummenigge und Hoeneß im Krisenherbst des vergangenen Jahres um die Ohren haute.

Den Trainer, Louis van Gaal, nahm Lahm bewusst aus seiner Kritik aus. Er sei das Beste, was den Bayern in dieser Phase hätte passieren können.

Der Zeitpunkt der Lahm'schen Thesen - am Tag vor einem wichtigen Spiel gegen Schalke 04 - war weder vom Ersatzkapitän gewollt noch günstig.

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Trainerkritik mit Historie

Sofern es für Aussagen dieser Tragweite in der Öffentlichkeit überhaupt einen geeigneten Termin geben sollte. Uli Hoeneß, seit knapp einem Jahr Präsident des FC Bayern, hat sich eigener Aussage nach bewusst einen Zeitpunkt ausgesucht, in dem die Mannschaft eine gute Phase durchläuft, um ein Interview zu geben, das die Dimensionen des Lahm-Interviews ums Mehrfache übersteigt.

Es ist nicht neu, dass Hoeneß sich mit Trainern im deutschen Fußball anlegt. Von Daum über Toppmöller bis hin zu Rangnick bekamen alle ihr Fett weg. Neu ist allerdings, dass er mit dem eigenen Coach auf Konfrontationskurs geht.

Der erste Mann im Staate hat seinen wichtigsten Angestellten attackiert, diskreditiert, ja vielleicht sogar demontiert.

Die drei grauen Eminenzen

Es war genau dieses Verhalten, das van Gaal seit seinem Amtsantritt in München ein Dorn im Auge ist. Beim FC Bayern gibt es mit Beckenbauer, Hoeneß und Rummenigge drei graue Eminenzen, die zu jedem Thema eine Meinung haben und diese intern aber auch öffentlich kundtun. Sehr zum Ärger van Gaals.

"Franz Beckenbauers Meinung hat den Rang göttlicher Offenbarung, und auch im Vorstand sitzen Ex-Stars wie Rummenigge und Hoeneß, die für die heutigen Stars ein offenes Ohr haben. Das hat schon etwas Schönes, aber ich halte es für den falschen Umgang. Es widerspricht meiner Philosophie", schreibt van Gaal in seiner Anfang Oktober erschienen Biografie.

Hoeneß sieht Parallelen zu Magath

Hoeneß Replik ließ einen Monat auf sich warten, fiel aber frei nach dem Motto "Wie du mir, so ich dir" extrem heftig aus.

Hoeneß bereitete seine Kritik sorgfältig vor. Er habe "einige Minuten darüber nachgedacht, was ich hier sage". Hoeneß analysierte zunächst am Beispiel Schalke und Felix Magath, dass ein Fußballverein heutzutage keine One-Man-Show sein dürfe. Es war eben jener Magath der sich als letzter Trainer so heftig an den allmächtigen Vorständen in München rieb und daran schließlich auch scheiterte.

Hoeneß treibt diese Befürchtung auch im Fall van Gaal. Er nutzte den Auftritt um die Verhältnisse aus seiner Sicht zurechtzurücken und zu verdeutlichen, wer im Verein für welchen Bereich zuständig ist. Van Gaal für das Training, Hoeneß für das Menschliche.

Dass sich van Gaal damit nicht zufrieden gibt, scheint offensichtlich. Er will Einfluss auf das sportliche Gesamtkonzept des Vereins. So war es auch in Amsterdam, Barcelona und Alkmaar.

Machtmensch van Gaal

Der Niederländer ist ein Machtmensch. Ein Trainer, der sich zu den fußballintelligentesten im Weltfußball zählt und keine andere Meinung akzeptiert. Schon gar nicht von außen. Und zu den Außenstehenden zählt van Gaal jeden, der nicht tagtäglich mit der Mannschaft zusammenarbeitet - also auch den Vorstand und den Präsidenten oder Ehren-Präsidenten.

Hoeneß sagte, er schleppe diese Kritik schon seit sechs Monaten mit sich herum. In Wahrheit ist es ein Konflikt, der seit über einem Jahr schwelt. Seit Anbeginn kämpfen die Bayern-Legenden um ein offenes Ohr bei van Gaal.

Auf van Gaals Art angesprochen, antwortete Hoeneß vor einem Jahr im Gespräch mit der "Zeit": "Wir werden sehen, ob das am Ende funktioniert. Ich habe Hoffnung, dass sich alle Beteiligten der Situation anpassen. Wenn sie sich nicht anpassen, dann wird es ein Problem geben, keine Frage." Jetzt gibt es dieses Problem. Zumindest zwischen Hoeneß und van Gaal.

Hoeneß brüskiert Rummenigge und Nerlinger

Mit seinen Aussagen konterkariert der Präsident die Meinungen von Vorstandschef Rummenigge und Sportdirektor Christian Nerlinger. Beide hatten sich in der schwierigen Anfangsphase auf die Seite van Gaals geschlagen, seine Methoden verteidigt und seinen Vertrag verlängert.

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Als Beckenbauer noch Präsident war, distanzierte sich der Vorstand schon mal per Pressemitteilung vom Geplapper des Kaisers. Dieses Mal rief Rummenigge per Dekret zu einem klärenden Gespräch auf, "um über die derzeitigen Unstimmigkeiten zu sprechen und sie aus der Welt zu schaffen".

Mannschaft steht hinter van Gaal

In dieser Diskussion wird man sicherlich auch auf die Kritik von Hoeneß an van Gaals angeblich unausgewogener Mannschaftsführung kommen.

Viele Spieler seien zu lange nicht stark geredet worden. Unrecht sei Ergänzungsspielern wie Martin Demichelis, Mario Gomez und Anatolij Tymoschtschuk sogar getan worden, sagte Hoeneß.

Ob der Präsident aber damit auch den Nerv der Spieler getroffen hat, scheint fraglich. Bisher hat sich noch kein Spieler - auch nicht aus der zweiten Reihe - negativ über den Trainer geäußert. Mario Gomez lobte van Gaal in vielen Interviews sogar.

Verletztes Ego

Hoeneß' Auftritt lässt durchaus den Schluss zu, dass auch ein verletztes Ego aus dem Präsidenten sprach.

Aber Hoeneß ist zu lange beim FC Bayern als dass er sein Ego über den Verein stellen würde. Es geht Hoeneß um grundsätzliche Entwicklungen im Verein und um die Verschiebung der Machtverhältnisse. So gesehen ist seine Attacke auch ein Hilferuf an seine Kollegen im Vorstand.

Eine Antwort van Gaals steht noch aus. Machen die Großkopferten in München in diesem "Auge um Auge, Zahn um Zahn"-Prinzip weiter, steht der Verein bald mit einem hässlichen Gesicht da.

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