Flemming Povlsen musste seine Karriere im Alter von nur 28 Jahren beenden. Dennoch ist der Däne bis heute in Köln und Dortmund - seinen beiden Bundesligastationen - beliebt. Der 44-Jährige spricht im SPOX-Legenden-Interview über seine Profi-Stationen in Spanien, Deutschland und Holland, über die psychischen Auswirkungen seines frühen Karriereendes und erklärt, inwiefern Cola und Burger mit dem Gewinn der Europameisterschaft 1992 zu tun haben.
SPOX: Herr Povlsen, Sie sind mit nur 20 Jahren ins Ausland zur zweiten Mannschaft von Real Madrid gegangen. Wie kam der Kontakt damals zustande?
Flemming Povlsen: Durch Henning Jensen, der früher bei Borussia Mönchengladbach gespielt hat. Er hat seine Karriere in Aarhus ausklingen lassen und mich vermittelt. Ich musste mich dort erstmal ans Profileben gewöhnen. Damals war es ja noch so, dass nur zwei Ausländer in einer Mannschaft spielen durften. Diese Plätze waren durch Hugo Sanchez und Jorge Valdano besetzt. Ich hatte in dem jungen Alter also kaum Chancen. Ich durfte aber bei den Stars aus der ersten Mannschaft mittrainieren. In der zweiten Mannschaft habe ich Spielpraxis in der zweiten Liga gesammelt. Insgesamt war die Tatsache, dass ich mich unterordnen musste, eine hilfreiche Erfahrung.
SPOX: Wie war es für Sie als junger Spieler, plötzlich so weit weg von zuhause zu sein?
Povlsen: Das ging eigentlich. Ich habe das alles positiv gesehen, denn ich durfte meinen Traumberuf ausüben. Ich hatte zudem den Vorteil, dass ich nach drei Jahren Spanisch in der Schule die Sprache bereits beherrscht habe. Die Spanier können ja kein Englisch (lacht).
SPOX: Nach nur einem Jahr in Spanien sind Sie nach Köln gewechselt. Haben Sie es dort nicht länger ausgehalten oder war der sportliche Reiz in Köln einfach größer?
Povlsen: Die Madrilenen wollten mich zwar behalten, aber an einen anderen spanischen Verein ausleihen. Das wollte ich aber nicht. Der Wechsel nach Köln ist durch die Olympiaauswahl Dänemarks zustande gekommen. Wir haben zweimal gegen Deutschland gespielt, dort war Hannes Löhr Trainer. Er hat mich dem FC vorgeschlagen. Morten Olsen spielte auch in Köln und kannte mich natürlich. Daher hat das gut gepasst. Dort hatten wir mit Christoph Daum einen sehr guten Trainer, der mir von Anfang an vertraut hat. Wir sind Dritter und Zweiter geworden. Durch die Zeit beim FC habe ich mir einen Namen in Deutschland gemacht.
SPOX: Von Köln ging es jedoch erst nach Eindhoven. Dort haben Sie zwar den Pokal gewonnen, sind aber nach nur einer Saison wieder nach Deutschland gewechselt. Was lief in Holland schief?
Povlsen: Eigentlich wollte ich in Köln meinen Dreijahresvertrag erfüllen und dann mal schauen, was so passiert. Als das Angebot aus Eindhoven kam, hat mich der FC nach dem zweiten Jahr verkauft, um noch Geld für mich einzunehmen. In Eindhoven bin ich einfach nicht an Romario vorbei gekommen (lacht). Ich war vom FC und der Nationalelf gewohnt, immer zu spielen. Ich wollte wieder in die Bundesliga, da ich die Liga kannte und die deutsche Mentalität bis heute mag. Die Begeisterung beim BVB ist mir schon zu Kölner Zeiten ins Auge gestochen. Daher habe ich meinen Berater beauftragt, mich beim BVB zu vermitteln.
SPOX: Das hat gut geklappt, dort erlebten Sie Ihre erfolgreichste Zeit. Warum?
Povlsen: Im ersten Jahr unter Horst Köppel lief es noch nicht so rund. Als Ottmar Hitzfeld kam, ist die Entwicklung der Mannschaft stetig voran getrieben worden. Damals bestand das Team aus Spielern, die noch keine Erfolge gefeiert haben. Da die Erwartungshaltung im Umfeld noch nicht so groß war wie später, konnte sich das Team sehr gut entwickeln. Plötzlich standen wir im UEFA-Cup-Endspiel 1993. Dadurch kam mehr Geld in die Kassen, so dass der Verein immer stärker wurde. Ich habe mich auch privat sehr gut in Dortmund zurechtgefunden. Die Leute haben zu mir gestanden, das gibt natürlich eine gewisse Sicherheit. Insgesamt muss ich sagen, dass mich die Jahre in Deutschland sehr geprägt haben, ich bin ein richtiger Deutschland-Fan geworden.
SPOX: Nach drei Jahren in Dortmund brach dann aber das Pech über Sie ein: Sie zogen sich mehr oder weniger hintereinander zwei Kreuzbandrisse in beiden Knien zu.
Povlsen: Ich hatte im rechten Knie auch noch einen Knorpelschaden und andere kleinere Wehwehchen. Ich bin Sportinvalide geworden, die Belastung im Leistungssport war einfach zu groß für mich. Das war sehr traurig, da mein Kopf natürlich noch vollkommen auf der Höhe war, aber der Körper nicht mehr mitgespielt hat. Heute spiele ich bei den Alten Herren und kann ganz normal laufen. Mir war wichtig, dass so etwas noch geht und ich nicht zu viele Einschränkungen in meinem Leben nach der Karriere habe.
SPOX: Wie lange hatten Sie mit dem Karriereende mit 28 psychisch zu kämpfen?
Povlsen: Zwei Jahre kann man sagen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich mich wieder aufgerafft habe und wusste, was ich in Zukunft machen möchte. Es war schwierig, sich neue Ziele zu setzen. Als Profi schaut man meist von Samstag bis Mittwoch, das sind gerade mal vier Tage. Mit 27 habe ich noch meinen Traum gelebt und plötzlich muss man sich komplett umstellen. Das geht einfach nicht von heute auf morgen. Irgendwann wusste ich, dass meine Zukunft weiterhin im Fußballbereich liegt und habe ein Fußballinternat aufgemacht. Später war ich noch TV-Experte beim dänischen Sender "TV 2". Erst danach habe ich die ersten Jobs als Assistenztrainer angenommen.
SPOX: Denken Sie, dass Sie auch aufgrund Ihrer bemitleidenswerten Geschichte bis heute in Dortmund als Publikumsliebling gelten?
Povlsen: Ich kann nur sagen, dass ich auf dem Platz immer ein ehrlicher Arbeiter und Kämpfer war. Zudem habe ich Wert darauf gelegt, im Stadtzentrum zu wohnen. So war ich immer unter den Leuten, auch wenn es mal schlecht lief. Ich war ein Teil von Dortmund. Ich habe mich nicht abgeschottet. Dadurch habe ich viele Freunde gewonnen.
SPOX: Das Highlight Ihrer Karriere war sicherlich der Gewinn der EM 1992. Jugoslawien wurde damals aufgrund des Balkankonfliktes trotz erfolgreicher Qualifikation aus dem Turnier genommen. Wann haben Sie erfahren, dass Dänemark dabei ist?
Povlsen: Neun oder zehn Tage zuvor. Als ich davon gehört habe, bin ich mit dem BVB über die Dörfer getingelt und habe Freundschaftsspiele absolviert. Im ersten Moment dachte ich, dass das nichts für uns ist (lacht). Die Nationalmannschaft hatte aber auch ihr Gesicht zu verlieren. Von dem Standpunkt her waren wir alle von Beginn an sehr motiviert und wussten, dass wir uns ordentlich anstrengen müssen.
SPOX: Gab es überhaupt eine Vorbereitung auf das Turnier?
Povlsen: Wir hatten ein Freundschaftsspiel, allerdings bevor unsere Teilnahme feststand. Dazu noch ein paar Trainingseinheiten, das war's dann aber schon. Unser großer Vorteil war, dass wir uns sehr gut kannten und ein Großteil des Teams bereits seit U-21-Zeiten miteinander gespielt hat. Die Hierarchie war vollkommen ausgebildet. Als wir im ersten Spiel ein 0:0 gegen England erreichten, waren auch der Glaube und das Selbstbewusstsein wieder da. Von da an lief alles wie von alleine.
SPOX: Den dänischen Spielern wurde später nachgesagt, sich während des Turniers vorwiegend von Coca Cola und Big Macs ernährt zu haben. Was ist denn an dieser Geschichte dran?
Povlsen: Ich weiß nicht mehr genau, ob es vor dem Halbfinale oder dem Finale war: Als wir zum Training fuhren, haben wir an der Autobahn ein McDonalds-Restaurant gesehen. Wir haben unseren Trainer gefragt, ob wir dort nach dem Training hinfahren können. Er hat es erlaubt und wir haben dort dann zu Abend gegessen. Dort gab es natürlich Cola und Burger, aber wir haben das Zeug nicht während des gesamten Turniers gegessen.
SPOX: Wie lief denn die Feier nach dem Finalsieg ab?
Povlsen: Wir haben zuerst mit dem Pokal und den Staatsoberhäuptern in der Kabine gefeiert, danach ging's im Hotel weiter. Am Tag darauf sind wir in Kopenhagen am Rathausplatz empfangen worden. Das war einmalig. Komisch war dann das Gefühl, als man nach den ganzen Feierlichkeiten wieder nach Hause gefahren ist. Da sitzt man plötzlich als Europameister mit der Medaille zuhause und die Spieler, mit denen man das gemeinsam erreicht hat, sind in alle Welt verstreut.
SPOX: Haben Sie noch Kontakt zu den anderen Europameistern?
Povlsen: Na klar, wir treffen uns jedes Jahr am Jahrestag des Endspiels mit Frauen und Kindern. Da lassen wir die alten Geschichten wieder aufleben und feiern ein ganzes Wochenende lang. Auch darin sind wir richtig gut (lacht).
SPOX: Nach Ihrer Karriere haben Sie Erfahrungen als Sportdirektor und Co-Trainer in Dänemark gesammelt. Aktuell arbeiten Sie bei Silkeborg IF. Wollen Sie später einmal Cheftrainer werden?
Povlsen: Ich sehe mich derzeit eher als Assistenztrainer. Momentan sehe ich es so, dass ich als Cheftrainer zu viel Energie verlieren würde. Ich stehe noch zu gern selbst auf dem Rasen. Ich fühle mich in dem Raum zwischen Spielern und Cheftrainer sehr wohl und komme mit beiden Parteien gut klar.
SPOX: Haben Sie eine Trainerlizenz?
Povlsen: Ich habe seit Januar 2010 die zweithöchste Lizenz Dänemarks. Innerhalb der nächsten zwei Jahre kann ich mich für die höchste Lizenz anmelden.
SPOX: Können Sie sich vorstellen, in Zukunft wieder im Ausland zu arbeiten?
Povlsen: Eigentlich nicht. Derzeit passt es hier mit den Gegebenheiten. Ich habe meine Familie um mich und meine Kinder gehen hier zur Schule - das geht eindeutig vor.
SPOX: Wir haben jetzt so viel über Fußball geredet: Was machen Sie, wenn Sie einmal vom Fußball abschalten wollen?
Povlsen: Ich bin gerne an der frischen Luft und mache Spaziergänge mit meinem Hund. Aber ich treibe einfach gerne Sport. Ich fordere meine Trainerkollegen immer beim Tischtennis heraus. Wenn es um etwas geht, bin ich immer am Start.
Flemming Povlsen im Steckbrief