Das sagen die Bayern-Verantwortlichen:
Von Bayern-Seite aus hält man den Ball bewusst flach. Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge betonte unlängst gegenüber der "Bild": "Ganz ehrlich: Ich möchte diese Diskussion im Moment nicht führen." Und: "Ich sage mit vollster Überzeugung: Wir haben kein Torwart-Problem." Der FCB spielt von Vorstandsseite aus klar auf Zeit.
Soll heißen: Wenn Manuel Neuer nicht 2011 kommt - wofür man Ablöse bezahlen müsste - dann kommt er eben nach Vertragsende 2012. Der Name Neuer ist von Bayern-Seite allerdings stets bewusst ausgeklammert worden, Kontakte wurden immer dementiert. "Wir haben das Thema Neuer nie thematisiert und mich wundert auch, dass es so ein Thema ist", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger vor kurzem.Trainer Louis van Gaal möchte sich indes gar nicht mehr zu Kader-Fragen äußern, verweist stets auf den Vorstand. Angeblich sollen er und Torwart-Trainer Frans Hoek aber total auf Thomas Kraft vertrauen - auch, wenn das nicht durch Zitate belegt ist.
Für diese These spricht, dass Kraft zum Saisonende schon ein Jahr die Philosophie der Holländer aufgesogen hätte und - vor allem von seinen fußballerischen Qualitäten her - genau dem Anforderungsprofil der beiden entspricht.
Angst davor, einen jungen Mann ins kalte Wasser zu werfen, hat das Duo gewiss nicht: Van Gaal und Hoek machten einst bei Ajax Edwin van der Sar mit 21 Jahren zur Nummer eins, später bei Barcelona auch den damals erst 20-jährigen Victor Valdes.
Im Endeffekt würden sie sich aber einer Entscheidung des Vorstandes beugen müssen. Und Kraft, dessen Vertrag ausläuft, stellte bereits gegenüber der "tz" klar: "Wenn Neuer kommt, dann gehe ich. Es macht dann ja keinen Sinn."
Das sagen die Bayern-Spieler:
Jörg Butt (Vertrag läuft aus): "Der Verein denkt noch darüber nach, wie man auf der Torhüter-Position weiter macht. Das man dabei viele Faktoren berücksichtigt, ist ganz klar. Sicherlich wird man dabei auch die Meinung der Fans berücksichtigen. Das mit den Fan-Protesten hängt mit den zwei sehr guten Spielen von Thomas Kraft zusammen. Ich glaube, es ist normal, dass sich die Fans wünschen, dass möglichst viele Spieler aus den eigenen Reihen auf dem Platz stehen. Das sorgt für eine unglaublich hohe Identifikation. Insofern ist diese Reaktion der Fans nachzuvollziehen. Auf der anderen Seite ist es aber auch wichtig, dass dem Team weiter 'Farbtupfer' wie Franck Ribery oder Arjen Robben verpasst werden."
Mario Gomez (wechselte 2009 von Stuttgart nach München): "Es ist nun mal so, dass es gewisse Fan-Rivalitäten gibt. Sicher wäre ein Wechsel für manche schwer vorstellbar. Letztlich wird der Verein aber das tun, was er für richtig hält. Auch wenn er jetzt weiß, was die Fans denken: Entscheidend wird das nicht sein."
Bastian Schweinsteiger (im "Audi Star Talk"): "Wir haben aktuell überhaupt kein Problem im Tor. Butt hält hervorragend, Kraft hat viel Talent. Natürlich haben wir die Chance, mit Manuel Neuer den besten deutschen Torwart nach München zu holen und ich bin immer der Meinung, dass die besten Spieler Deutschlands bei Bayern spielen sollten."
Das sagen die Bayern-Experten:
Ehrenpräsident Franz Beckenbauer (bei "SKY"): "Wenn der Transfer noch nicht in trockenen Tüchern ist, dann findet er auch nicht statt. Manuel Neuer hat mittlerweile einen Marktwert. Er ist der beste Torhüter der Welt. Er ist begehrt. Wenn er nicht schon bei Bayern unterschrieben hat, dann wird der Transfer nicht stattfinden - er wird immer teurer."
Ex-Torwart Oliver Kahn (im "Sport1-Doppelpass"): "Es ist gerade bei Bayern München für einen sehr jungen Torwart sehr schwierig, diesem andauernden Druck stand zu halten. Bei einem Verein wie Bayern München muss ein Torwart von absolutem Weltklasseformat im Tor stehen. Thomas Kraft ist ein riesengroßes Talent, aber keiner von uns weiß, wie er unter höchsten Druckanforderungen reagieren wird."
Das sagt SPOX:
Dass man nicht einfach über Fan-Ressentiments hinweg Personal-Entscheidungen treffen kann, hat der FC Bayern zuletzt bei Jürgen Klinsmann deutlich zu spüren bekommen - und der hatte immerhin eine Spieler-Vergangenheit beim FCB.
Dass die Bayern-Ultras klar Stellung beziehen und sich für einen unerfahrenen Nachwuchstorhüter stark machen, kann die Vereinsführung nicht einfach ignorieren.
Zumal die Dinge bei weiteren gezielten Aktionen durchaus eine Eigendynamik entwickeln und das Meinungsbild zum Kippen bringen könnten.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist jedoch noch überhaupt nicht klar, welche Seite die Oberhand hat: Die Pro-Neuer- oder die Contra-Neuer-Fraktion?
Solange dort keine klare Front erkennbar ist und die Proteste weiter nur einzelnen Fangruppierungen zuzuordnen sind, brauchen Hoeneß, Rummenigge und Co. kein schlechtes Gewissen zu haben.
Und auch wenn die Proteste weiter zunehmen sollten: Mit Badstuber, Contento, Lahm, Alaba, Kroos, Ottl, Schweinsteiger und Müller haben die Bayern bereits eine große Anzahl an Spielern mit "Stallgeruch", mit denen der Vorstand in punkto "Zwei-Säulen-Modell" jederzeit argumentieren kann. Und sportlich gibt es in Bezug auf Neuer sowieso keine Diskussion.