"Denni Avdic ist furchtbar neugierig"

Haruka Gruber
07. Januar 201109:56
Avdic debütierte Anfang 2009 gegen Mexiko in der Nationalelf - sein einziges LänderspielImago
Werbung

Innerhalb von zwölf Monaten mauserte sich Denni Avdic zu Schwedens "Next Big Thing", jetzt ruhen die Bremer Hoffnungen auf ihn, nachdem er vom kriselnden Bundesliga-Klub für 2,5 Millionen Euro vom schwedischen Klub IF Elfsborg verpflichtet wurde.

SPOX

Sein Testspiel-Debüt im Rahmen des Trainingslagers in Belek verlief wenig ereignisreich, beim 1:1 gegen den türkischen Tabellenführer Trabzonspor wurde der 22-Jährige in der 58. Minute eingewechselt.

"Ich war am Ende richtig kaputt, deswegen kann ich nicht glücklich mit meiner Leistung sein. Einige Szenen hätte ich besser lösen können. Aber ich bin sicher, dass es besser wird", sagte Avdic.

Mathias Svensson beendete 2008 bei Elfsborg seine Karriere Getty

Doch wer ist dieser Mann, der noch noch wenigen Monaten in Deutschland fast gänzlich unbekannt war? SPOX fragte bei Mathias Svensson nach, seines Zeichens Sportdirektor von Elfsborg und Avdics langjähriger Mentor, als beide noch zusammenspielten.

Avdic: "Mathias war sehr wichtig für mich, er hat mir sehr geholfen. Ich habe ihm beim Abschied gesagt, wie dankbar ich ihm bin."

Im Interview spricht Ex-Premier-League-Legionär Svensson (drei Länderspiele für Schweden) über seinen Schützling, den eklatanten Unterschied zu Zlatan Ibrahimovic und die Gefahr eines "One-Hit-Wonders".

SPOX: Herr Svensson, Sie sind einerseits Denni Avdics Mentor und müssten sich über seinen Wechsel nach Bremen freuen, andererseits werden Sie als Sportdirektor von Elfsborg den Weggang des besten Spielers bedauern. Welches Gefühl überwiegt?

Mathias Svensson: Die Freude, ganz klar. Natürlich ist es sehr schade für Elfsborg und wir werden große Mühe haben, Denni irgendwie adäquat zu ersetzen. Doch das Ziel des Vereins ist klar definiert: Wir wollen so vielen jungen Spielern wie möglich dabei helfen, in eine der großen Ligen Europas zu wechseln. Emir Bajrami ging im Sommer zu Twente und spielte Champions League, jetzt ist eben die Zeit für Denni gekommen.

SPOX: Im Sommer fragte Schalke wegen Avdic an, neben Bremen waren im Winter auch einige Premier-League-Klubs an ihm interessiert. Warum geht er dennoch zu Werder?

Svensson: Uns als abgebender Verein war es entscheidend zu sehen, wie die Klubs auf uns zukommen und welchen Eindruck sie hinterlassen. Wir wollten Denni nur an jemanden abgeben, der uns das Gefühl gibt, dass es ihm nicht nur um den Fußballer Avdic geht, sondern auch um den Menschen Avdic. Die menschliche Komponente ist uns bei Elfsborg enorm wichtig. Mit Bremen lagen wir auf einer Wellenlänge.

SPOX: Die schwedische Liga ist international zweit- oder drittklassig, wodurch Avdics 19 Tore und der zweite Platz in der Torschützenliste an Glanz verlieren. Gelingt ihm dennoch der Sprung in die Bundesliga?

Svensson: Davon bin ich überzeugt. Er erfüllt fast jede Anforderung an einem Mittelstürmer moderner Prägung. Mit 1,90 Meter bringt er die richtige Größe mit, er ist physisch stark, stark in der Luft, kann den Ball gut halten und abprallen lassen und er besitzt diesen typischen Torriecher. Und: Er verfügt über eine sehr gute Technik und schießt gefährliche Freistoße.

SPOX: Sie sagen: fast jede Anforderung. Welche erfüllt er denn nicht?

Svensson: Wenn Denni eine Schwachstelle hat, dann vielleicht die Geschwindigkeit. Für jemanden mit 1,90 Meter Größe ist er recht flink, aber ein Stürmer definiert sich heutzutage vor allem über das Tempo, da kann Denni noch nicht ganz mithalten.

SPOX: Ist der Vergleich mit Zlatan Ibrahimovic dennoch gerechtfertigt?

Svensson: Es gibt in der Tat viele Parallelen, nicht nur vom Talent und vom Spielstil her. Beide haben bosnische Wurzeln und beide haben einen ähnlichen Werdegang. Zlatan ist aus Schweden zu Ajax Amsterdam gewechselt und hat dann erst den nächsten Schritt zu einem absoluten Topklub gewagt. Ähnliches könnte Denni gelingen.

SPOX: Ist Avdic auch so selbstbewusst wie Ibrahimovic?

Svensson: Nein, überhaupt nicht, er ist eher Zlatans Gegenteil, was das anbelangt. Anders als Zlaten würde Denni nie Dinge wie "Ich bin der Beste der Welt" rausposaunen. Vielmehr ist Denni ein schüchterner Bursche, ganz vernünftig und bescheiden.

SPOX: Zu schüchtern?

Svensson: Ich hoffe, dass die Bremer Fans etwas Geduld mitbringen. Er ist ein junger Mann von 22 Jahren, dem sein gewohntes Umfeld wichtig ist. Dennoch bin ich felsenfest davon überzeugt, dass er eine großartige Verpflichtung für Werder ist. Die Entwicklung, die er in den letzten zwölf Monaten genommen hat, ist phänomenal und lange nicht am Ende.

SPOX: Eine andere Lesart seiner Karriere: Die letzte Saison war nur ein One-Hit-Wonder und wenig repräsentativ, immerhin erzielte er in den beiden Jahren zuvor in 54 Ligaspielen lediglich sieben Treffer.

Svensson: Denni ist definitiv kein One-Hit-Wonder, seine geringe Torausbeute ist nur ein Zeichen seiner Vielseitigkeit. In Deutschland mag es nicht so bekannt sein, aber Denni hat bis 2009 im Mittelfeld und im Sturm alle Positionen gespielt, häufig sogar als defensiver Mittelfeldspieler. Der Trainerstab und Denni selbst wussten nie so genau, auf welcher Position er am besten aufgehoben ist. Anfang 2010 hat er sich jedoch entschlossen, sich auf die Neun festzulegen. Seitdem wird er nicht mehr hin- und hergeschoben und seitdem hat er die Sicherheit, um sein ganzes Talent auszuspielen.

SPOX: Gab es einen Moment, als Sie wussten: Aus Avdic wird was?

Svensson: Ich habe schon einige Highlights von ihm erlebt, aber einen speziellen Moment gab es nicht. Es war mehr ein schleichender Prozess, bis er mich so überzeugt hat. Er kam mit 16, 17 Jahren von Bröndby Kopenhagen und wurde mit 18 Jahren zu den Profis von Elfsborg hochgezogen, als ich noch aktiv und der Torjäger des Teams war. Vom ersten Tag an kam er zu mir und hat mich mit Fragen bombardiert, egal was: Wie war meine Leistung? Hätte ich in der Situation steil gehen müssen? Warum habe ich die Tor-Chance nicht genutzt? Ihn hatte alles brennend interessiert, vor allem auch, was ich in meinen neun Jahren in England erlebt habe. Er ist so furchtbar neugierig - was eine Grundvoraussetzung für eine große Karriere ist. Viele junge Spieler denken heute, dass sie schon alles wüssten und sie wären schon Wer. Denni hingegen will lernen, lernen, lernen.

Ein Skandinavier in Bremen: Das ist Denni Avdic