Die Ankunft von 15-Millionen-Einkauf Luiz Gustavo in Doha stand an, gegen 19.30 Uhr sollte der Brasilianer am Persischen Golf eintreffen.
Mit an Bord war Christian Nerlinger, der die Verhandlungen mit Gustavos Ex-Klub Hoffenheim in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr erfolgreich abgeschlossen hatte.
Als beide die Hotel-Lobby betraten, zog zunächst Nerlinger die Aufmerksamkeit auf sich. Mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln hielt er im Blitzlichtgewitter inne. Nerlinger in Siegerpose, ein Ausdruck von Stolz und Zufriedenheit über seinen ersten Transfer als Sportdirektor des FC Bayern.
Personalien geklärt, Rekonvaleszenten zurück
Das Trainingslager hätte für den FC Bayern gleich aus mehreren Gründen nicht besser beginnen können. Mit Gustavo war nun auch van Gaals neue Allzweckwaffe im Boot und die Kaderplanung für die Rückrunde laut Nerlinger damit abgeschlossen.
Zudem beendete Mark van Bommel vor dem Abflug in München (vorerst) die Diskussionen über seine Zukunft. Er werde die Saison zu 99 Prozent beim FC Bayern beenden, so der Kapitän.
Auf sportlicher Ebene liefen die Dinge sogar besser als geplant. Dauerpatient Arjen Robben vollendete seine Tempodribblings schon wieder mit enormer Power und auch die anderen Rekonvaleszenten Holger Badstuber, Hamit Altintop und Mario Gomez absolvierten ihr Spezialprogramm ohne Probleme.
Torwart-Wechsel als Stimmungstöter
Es schien die perfekte Woche zu werden für den FC Bayern. Selbst auf die langen Busfahrten zwischen Hotel und Trainingsgelände war die Mannschaft vorbereitet.
Nerlingers euphorische Stimmung wurde aber jäh beendet. Unmittelbar nach seiner Ankunft wurde er von Louis van Gaal über den bevorstehenden Torwart-Wechsel informiert.
In mehreren Gesprächen soll Nerlinger versucht haben, den Trainer umzustimmen, offenbar ohne Erfolg. Im einzigen Testspiel gegen Al-Wakrah Sports Club (4:0) stand Thomas Kraft in der ersten Halbzeit im Tor, Butt spielte die zweite. Deutliche Anzeichen für einen Hierarchiewechsel.
Van Gaal geht unnötiges Risiko
Nerlinger will van Gaals gewagtem Plan die Zustimmung verweigern. Er sieht die sportlichen Ziele des FC Bayern unnötig gefährdet und wirft van Gaal Verstoß gegen vereinspolitische Interessen vor, da ein Votum für Kraft den angestrebten Transfer von Manuel Neuer verkompliziert.
Van Gaal schafft sich dadurch ein Problem auf einer Position, auf der es kein Problem gab und die vor der Woche in Doha niemand diskutierte.
Seiner Entscheidung fehlt die sportliche Legitimation, da sich Jörg Butt in der Hinrunde nichts zu schulden kommen ließ. Van Gaal geht mit dem hoch talentierten, aber unerfahrenen Kraft ein hohes Risiko ein, zumal das von ihm favorisierte Innenverteidiger-Duo Badstuber/Breno noch nie zusammengespielt hat.
Störender Alleingang
Er lässt sich auf ein Vabanquespiel ein, auch auf die Gefahr hin, dass er im Falle eines fehlgeschlagenen Experiments seinen Job verlieren könnte.
Das ohnehin belastete Betriebsklima zwischen ihm und den Klub-Bossen ist durch seinen Alleingang in den Tagen von Doha, die so harmonisch begannen, nachhaltig gestört worden.Mit Nerlinger, der in den stürmischen Tagen nach der Hoeneß-Attacke dem Trainer beistand, hat van Gaal auch seinen letzten Verbündeten auf den oberen Ebenen verärgert.
Comeback von Rib & Rob
Sportlich gesehen hat sich der Ausflug nach Katar gelohnt, auch wenn der Test gegen die höchstens zweitklassigen Spieler von Al-Wakrah kaum brauchbare Erkenntnisse lieferte. Immerhin spielte Robben eine Halbzeit ohne Probleme und Franck Ribery sah man die wieder gewonnene Freude am Fußball an.
Bis auf die verletzten Ivica Olic und Toni Kroos sind alle Spieler für das Wolfsburg-Spiel einsatzfähig. Nach zwei freien Tagen wird ab Mittwoch an der Feinabstimmung gearbeitet und die Stammplätze ausgefochten.
Die Bayern sind bereit für die angekündigte Aufholjagd. Ab 15. Januar zählen nur Siege - insbesondere für Louis van Gaal.