Das, was Jakub Blaszczykowski geschafft hat, wird wohl auf Jahre nicht mehr zu toppen sein. Kubas kläglicher Fehlschuss über den leeren Freiburger Kasten vergangenen November hat für immer einen Stammplatz im Kuriositätenkabinett der Bundesliga sicher.
Robert Lewandowski taucht da bislang nicht auf. Am letzten Wochenende gab der Stürmer gegen den VfB Stuttgart allerdings eine vielversprechende Bewerbung ab. Seine Großchance in der 57. Minute beim Stand von 1:0 hätte, da waren sich alle Beteiligten schnell einig, dem BVB drei weitere Punkte eingebracht.
Schwierigster Transfer für den spannendsten Spieler
Während diese Episode für den Boulevard ein gefundenes Fressen darstellt und bereits Erhebungen angestellt werden, wie oft der Pole vor dem Kasten schon versagt habe, darf und wird sich Lewandowski davon nicht beeindrucken lassen.Dafür spricht im Grunde genommen die gesamte Zeit, die der 22-Jährige bislang in Dortmund unter Vertrag steht. Das sind zwar "erst" sieben Monate, doch Lewandowski hat in dieser kurzen Periode bereits bewiesen, dass er sich trotz seines jungen Alters an unterschiedliche Situationen anpassen kann.
Zäh wie Kaugummi zogen sich die fast einjährigen Verhandlungen mit Lewandowskis Ex-Klub Lech Posen hin. Kurz nach der Einigung sprach BVB-Boss Hans-Joachim Watzke sichtlich erleichtert vom "schwierigsten Transfer, den wir je auf die Beine gestellt haben". Mit einem ganzen Sack Vorschusslorbeeren kam Lewandowski zur Borussia.
Wenn sich ein Trainer wie Jürgen Klopp zu einer Aussage hinreißen lässt, die Lewandowski als den "spannendsten Spieler der letzten 10, 15 Jahre" anpreist, muss schon etwas dahinter stecken - auch wenn Klopp kurz darauf durchblicken ließ, dass man den Zusatz "...in Polen" schön überhört habe.
Ersatzmann Lewandowski meckert nicht
Die Sommervorbereitung sollte Auskunft darüber geben, wo genau Lewandowski beim BVB eingesetzt wird. In Polen spielte er im letzten Drittel des Spielfelds beinahe alles - alleine in vorderster Front, als hängende Spitze oder zentral hinter einem Stürmer.
Für letztere Planstelle war Lewandowski auch in Dortmund vorgesehen. Mohamed Zidan fehlte verletzt, also bekam Lewandowski in den Testspielen die Gelegenheit, sich mit dieser Aufgabe beim neuen Verein vertraut zu machen.
Restlos überzeugen konnte er auf der Zehn allerdings nicht. Die fehlende Bindung zu den Mitspielern war unübersehbar. Ein Zustand, den Shinji Kagawa schnell und überraschend kompensieren konnte. Die Stelle im Sturm war durch Lucas Barrios und seiner Empfehlung von 19 Saisontoren sowieso besetzt. Lewandowski musste sich in Geduld üben und in die Schlange der Ersatzspieler einreihen.
Da der BVB in der Folge die Bundesliga scheinbar mühelos dominierte, verdunkelte sich Lewandowskis Perspektive, in naher Zukunft den Sprung in die erste Elf zu schaffen. Es bestand schlichtweg kein Grund, die dominierend agierende Mannschaft zu ändern.
Auch wenn der Pole insgeheim darauf gehofft haben wird, bereits in seiner Anfangszeit in Westfalen ein dauerhafter Bestandteil des Teams zu sein, muss man es ihm - wie den anderen Dauer-Ersatzspielern übrigens auch - hoch anrechnen, dass er sich bis heute quasi gar nicht zu Wort gemeldet und über seine starre Joker-Rolle beschwert hat.
Klopp pfeift polnischen Journalisten an
Denn Möglichkeiten, auf sich aufmerksam zu machen, gab es zur Genüge. 15 Mal kam Lewandowski in der Hinrunde von der Bank, so oft wie kein anderer Bundesligaspieler. Seine vier Jokertore - das erste beim Derbysieg auf Schalke - erzielte er in einer Gesamtspielzeit von lediglich 70 Minuten.
Seine engagierten Auftritte, meist wie zu Saisonbeginn geplant auf der Zehnerposition, brachten ihn nahe an die erste Elf. Mehr ließ die Dortmunder Siegesserie aber nicht zu. Das musste auch ein polnischer Journalist einsehen, der auf die Frage, warum Lewandowski nicht als zweite Spitze neben Barrios aufläuft, von Klopp auf Englisch abgekanzelt wurde: "Because we don't change our system for one player". Dürfte man jedoch mit zwölf Spielern auflaufen, "wäre Robert jede Woche in der Startelf", versicherte Klopp.
Lewandowskis professionelle Einstellung zu der für ihn neuen Situation nötigt auch den Mitspielern Respekt ab. "Ich finde es gut, wie Robert mit der schwierigen Situation umgeht. Er meckert nie, sondern schmeißt sich immer voll rein, sobald er reinkommt", sagt Nuri Sahin über seinen Mitspieler, für den es in Polen "keine Herausforderung" mehr gab.
Lewandowski spielt, Barrios ist verwundert
Zweimal kam er in der Hinrunde nicht rein, sondern ersetzte den verletzten Barrios in der Sturmzentrale. Bei den Siegen gegen Lwiw und in Nürnberg bestätigte er den guten Eindruck, war viel unterwegs, rieb sich in zahlreichen Zweikämpfen auf und traf auch jeweils ins Tor.
Der vielseitige Offensivspieler, beidfüßig und passabel im Kopfballspiel, unterstrich damit die Ansicht seines Coachs, dass man ihn ohne größere Bedenken in die Startelf stellen kann und dabei Barrios' Qualitäten nicht abhanden kommen - genau das war das Ziel der Verpflichtung.
In der Winterpause zog der stille Sohn einer Sportlerfamilie (Vater: Judo, Mutter und Schwester: Volleyball) ein treffendes Fazit seiner ersten Auslandserfahrung: "Ich mache alles, um mich aufzudrängen. Auch Lucas spielt nicht an jedem Tag hervorragend. Ich will da sein, wenn ich gebraucht werde und hoffe auf mehr Einsatzzeit in der Rückrunde."
Diese Aussage füllte er beim Rückrundenauftakt in Leverkusen mit Leben. Lewandowski durfte als alleiniger Stürmer erstmals in der Liga durchspielen, gab das nächste starke Bewerbungsschreiben ab und sicherte sich damit den Startelfeinsatz gegen den VfB - zur Verwunderung von Barrios.
Barrios in Wolfsburg wohl in der Startelf
Klopp begründet das so: "Lucas ist für uns wichtig. Sehr wichtig sogar. Aber nicht so wichtig, wie es in manch einem Medium übertrieben dargestellt wurde, weil der andere eben auch Fußball spielen kann."
Lewandowski kratzt zwar noch längst nicht an Barrios' Thron, es ist ihm aber zuzutrauen, dass er dort auch Platz nehmen kann.
Für das Spiel am Samstag in Wolfsburg (15.15 Uhr im LIVE-TICKER) ist dennoch davon auszugehen, dass Lewandowski für den wiederhergestellten Paraguayer aus der Mannschaft fliegt. Lewandowski wird sich zwar ärgern, aber nicht wundern. Er ist 22, spielt das erste Mal im Ausland, kann Verständnis für seine Situation aufbringen und hat gute Chancen auf den nächsten Meistertitel. Kurz: Er liegt vollkommen im Soll.