KOMMENTAR Am Ende brachte wohl ein verschossener Elfmeter das Fass zum Überlaufen. Zugegeben, wenn nicht mal mehr die einfachsten Vorgaben eines Trainers - wie die Reihenfolge der Elfmeterschützen - bei der Mannschaft ankommen, ist die Vereinsführung zum Handeln gezwungen.
Nimmt man dies und die miserable sportliche Situation der Mannschaft zum Anlass, so handelte der VfL Wolfsburg am Montag den Automatismen des Fußballgeschäfts entsprechend, in dem er den sportlich verantwortlichen Übungsleiter, Steve McClaren, von seiner Arbeit entband.Es ist auch nicht weiter verwerflich, dass der Plan B erstmal eine interne Lösung (Co-Trainer Pierre Littbarski) ist. Nur: hatten wir das Ganze nicht schon mal? Die Situation des VfL Wolfsburg Anfang Februar 2011 erinnert doch verdächtig an die Situation zwölf Monate zuvor - und impliziert, dass es in Wolfsburg vielleicht nicht nur am Trainer liegt.
Zur Erinnerung: Im Januar 2010 war Armin Veh vom eben erst inthronisierten Geschäftsführer Dieter Hoeneß beurlaubt worden, mit Lorenz-Günther Köstner wurde der Trainer der zweiten Mannschaft damals zur Interimslösung ernannt.
Knapp ein Jahr später greift Hoeneß also erneut zum selben Mittel - und wirkt dabei zunehmend ratloser. Nebenbei drängt sich die Frage auf, ob man beim VfL nicht auch noch andere Bereiche unter die Lupe nehmen müsste. Zum Beispiel den Arbeitsbereich des Geschäftsführers selbst.
Nennt man das Kind beim Namen, haben unterm Strich nur die wenigsten Hoeneß-Transfers bislang ihre Erwartungen erfüllt. Das weiß auch Hoeneß selbst und ging deshalb in der vergangenen Woche in Vorleistung, indem er mit sechs Spielern nachrüstete.
So hat sich seit Hoeneß im Januar 2010 die Verantwortung über die Zusammenstellung des Kaders übernahm, ein munteres Kommen und Gehen entwickelt. In 13 Monaten gingen 19 Spieler vom VfL fort (u.a. Dzeko, Misimovic, Gentner, Barzagli), 16 Spieler schlossen sich dem Team an (u.a. Mandzukic, Diego, Friedrich, Kjaer).
Auch wenn sich Einnahmen und Ausgaben dank der Dzeko-Millionen dabei bei ungefähr 60 Millionen Euro die Waage halten - ein langfristiges Konzept ist dahinter noch nicht zu erkennen. Das lässt sich auch über die Besetzung des Trainerpostens sagen.
Mit McClaren war im Sommer ein Trainer von internationalem Format gekommen - ein Mann, ganz nach dem Geschmack von Hoeneß und Vereinssponsor VW. Dass der Engländer den deutschen Fußball nicht kannte und auch kein Deutsch sprach, nahm man ihn Kauf. Das Saisonziel ("um die internationalen Plätze mitspielen") war sowieso bewusst defensiv verkauft worden.
Doch wie Vorgänger Veh scheiterte McClaren nach gut 20 Bundesliga-Spielen an sich selbst, einer Mannschaft im Umbruch, die schwierig zu kontrollieren ist und an den Vorgaben der Vereinsführung. In diesem Zusammenhang liest sich die Aussage des Aufsichtsratsvorsitzenden Dr. Francisco Javier Garcia Sanz im Übrigen wie Hohn.
"Natürlich wünschen wir uns alle Kontinuität, vor allem auf der Trainerposition. Dafür steht gerade Dieter Hoeneß", wird der VW-Mann in der Pressemitteilung zur McClaren-Entlassung zitiert.
Die nackten Zahlen besagen jedoch, dass Dieter Hoeneß in 18 Jahren als Manager bzw. Geschäftsführer der Bundesligisten VfB Stuttgart (1990 - 1995), Hertha BSC (1997 - 2009) und eben Wolfsburg bereits mit 17 Trainern zusammengearbeitet hat.
Der 18. heißt nun Pierre Littbarski und wird es angesichts der fehlenden Erfahrung als Bundesliga-Trainer schwer haben - soviel kann man wohl schon vorweg nehmen.
Hoeneß hingegen wird offenbar eine weitere Frist eingeräumt - er und seine Neuzugänge dürfen sich noch einmal beweisen. Spätestens im Sommer wird sich aber auch der Geschäftsführer den kritischen Fragen stellen müssen, denen er nun noch einmal entkommen ist.