Backe, Backe, Abwehr

Von Florian Bogner
Auf der Suche nach der perfekten Abwehrformation: FCB-Coach Jupp Heynckes
© Getty

Die Transferaktivitäten des FC Bayern München sind offiziell abgeschlossen. Nun muss Jupp Heynckes mit dem vorhandenen Spieler-Material zeigen, dass das Team unter ihm besser verteidigen kann als unter Louis van Gaal. Die Erkenntnisse des Cups in Mainz waren ernüchternd - die wahre Generalprobe für den DFB-Pokal- und Liga-Auftakt steht aber mit dem Audi Cup noch an.

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Der Moment war nicht von außergewöhnlicher Relevanz und zeigte dennoch, wie sehr es in Jupp Heynckes brodelte. Eben noch hatte sein FC Bayern bei der Standortbestimmung in Mainz am Mittwoch kurz vor Abpfiff 2:1 gegen die Hausherren geführt, dann eine gelungene Kombination der Mainzer, Abwehrfehler inklusive - und schon stand es 2:2.

Die TV-Kamera fing Heynckes direkt danach auf der Bank ein - und der 66-Jährige sah äußerst angesäuert aus. Schmallippig lehnte er sich in seinen Stuhl zurück, verschränkte die Arme und stierte ernst vor sich hin, das Gesicht ohnehin von der Sonne gerötet.

Einzig die Tatsache, dass es eben "nur" ein Vorbereitungsturnier war, schien Heynckes von einem gewaltigen Gefühlsausbruch abzuhalten. Na bravo, da hat sich ja nicht viel geändert im Vergleich zur Vorsaison, dachten da bereits viele Bayern-Fans.

Heynckes: "Das wird alles"

Hinterher, als das Spiel im Elfmeterschießen gewonnen und sich Heynckes der Kameras bewusster war, machte der Bayern-Trainer einen betont relaxten Eindruck. "Das wird alles", sagte er beinahe altväterlich. "Wir haben Zeit."

18 Tage waren es da noch bis Liga-Start, um genau zu sein. Zeit genug, um noch mehr Augenmerk auf das Abwehrverhalten des Rekordmeister zu legen. Außerdem sollte Arturo Vidal ja noch als perfekte Ergänzung zu Bastian Schweinsteiger verpflichtet werden.

Daraus wurde bekanntlich nichts. Was im Allgemeinen eher für Enttäuschung hätte sorgen müssen, tat der Vorstand schnell als eingeplanten Fehlschlag ab. Man habe genügend Spieler für die defensive Zentrale, hieß es alsbald." Die Einkäufe sind abgeschlossen", verkündete Vereinsboss Karl-Heinz Rummenigge am Samstag via "Bild" trotzig.

Doch ob das reicht, um Heynckes' Abwehr Stabilität zu verleihen? Erst vor kurzem hatte der Coach in einem Interview mit der "Süddeutschen" offenbart, worauf es beim FCB demnächst wieder dringend ankommen soll. "Natürlich will ich lieber hoch und schön gewinnen, aber das 1:0, das 2:1 gehört dazu", sagte Heynckes. Hätte in Mainz eben auch schön gepasst.

Man solle in München die knappen Siege wieder schätzen lernen, so seine Forderung. "Ich schaue zuerst, dass der Defensivblock funktioniert. Attraktiver, zielorientierter Fußball kommt dann schon, aber aus der Ordnung raus", so Heynckes.

Nerlinger spricht von rechtzeitigem Warnschuss

Oft zitiert er in diesem Zusammenhang in den letzten Wochen ein bekanntes Sprichwort: Die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive Meisterschaften. Zwar wurden die vier Gegentore in zweimal 60 Minuten gegen die eher durchschnittlichen Gegner Hamburger SV und Mainz 05 intern zu Recht nicht überbewertet. Der Cup gab aber dennoch einen guten Blick darauf, woran es bei den Bayern zwei Wochen vor Bundesliga-Beginn noch hapert: der Abwehr.

"Es war ein rechtzeitiger Warnschuss, den wir erhalten haben", sagte Sportdirektor Christian Nerlinger in Mainz und sprach mit Blick auf das HSV-Spiel kritisch von "großen Abstimmungsproblemen" in der Defensive. Weil Rafinha auf Grund eines Magen-Darm-Infekts und Jerome Boateng wegen Trainingsrückstands gegen Hamburg nicht mitspielen konnten, fiel ein Härtetest für die geplante Abwehrformation (Rafinha, Boateng, Badstuber, Lahm) aber aus.

Dazu kam die Tatsache, dass man "zweieinhalb Wochen vor Saisonstart in punkto Fitness noch nicht gar austrainiert sein kann. Fest steht: Wenn die Saison bereits morgen losgehen würde, wären die Spieler noch nicht so weit. Aber sie sind ja in einem Prozess, es ist noch zwei Wochen bis zum ersten Spiel, von daher sind wir perfekt im Zeitplan", sagte Fitnesstrainer Marcelo Martins nach dem LIGA total! Cup zur "tz".

Man sei eben noch mitten in der Vorbereitungsphase, betonte auch Neuzugang Rafinha dieser Tage. "Das geht noch deutlich besser. Aber das kommt noch, wir sind auf einem guten Weg", so der Brasilianer. Sein Versprechen: "Wenn die Saison beginnt, werden wir bereit sein!"

Audi Cup als Generalprobe

Die Generalprobe steigt schon in der kommenden Woche. "Mit dem Audi Cup starten wir richtig in die Saison", sagt David Alaba, einer der Gewinner der Vorbereitung unter Heynckes. Es klingt wie ein Versprechen.

Denn beim Turnier in der Allianz Arena wird sich beweisen, wer für die Startelf im DFB-Pokal-Spiel bei Eintracht Braunschweig sechs bzw. fünf Tage später infrage kommt. Außerdem darf sich der FC Bayern gegen Gegner wie den AC Milan oder den FC Barcelona keine naiven Abwehrfehler leisten. Auch, weil eine weitere Enttäuschung wie in Mainz Gift für die Mannschaft wäre, in der jeder Spieler von Heynckes, wo immer es nur geht, gelobt wird.

Im Interview neulich sagte er: "Ich soll helfen, dafür zu sorgen, dass hier wieder eine Aufbruchstimmung geschaffen wird, in der jeder frei atmen und arbeiten kann, in der sich jeder wohlfühlt, in der ein harmonisches Miteinander herrscht." Das gilt aber nur für den Erfolgsfall.

Van Buyten, Badstuber, Boateng - einer fliegt

Zudem wird Heynckes nicht weiter vor unpopulären Entscheidungen zurückschrecken können - irgendwann muss er ein Gerüst aus Stammspielern finden, gerade fürs fragile Zentrum, bestehend aus Innenverteidigung und Sechser-Position. Das Problem in der Abwehr: Schenkt er weiterhin Holger Badstuber und Daniel Van Buyten das Vertrauen, ist Neuzugang Boateng erstmal außen vor.

Setzt er aber einen der beiden angestammten Spieler trotz großer Lobeshymnen für einen lange verletzen und eben erst zum Team gestoßenen Spieler auf die Bank, ist der Ausgebootete vor den Kopf gestoßen. Ähnliches gilt für den Zweikampf zwischen Anatolij Tymoschtschuk und Luiz Gustavo im defensiven Mittelfeld - beide von Heynckes hoch gelobt.

Boateng jedenfalls rechnet fest mit einem Einsatz unter der Woche. "Ich möchte mich mit diesen Vereinen messen", sagte der Abwehrspieler. "Natürlich habe ich noch etwas Rückstand. Aber ich versuche, so schnell wie möglich ranzukommen, damit ich der Mannschaft helfen kann."

Positives Beispiel Müller

Beim Audi Cup stehen wieder zwei Spiele in zwei Tagen an - direkte Rückschlüsse auf die Startelf in Braunschweig wird der Trainer nicht geben können, weil er seine Mannschaft aufteilen muss.

Und er muss Franck Ribery ersetzen, der sich im Training am Sonntag eine Kapselverletzung im Sprunggelenk zuzog. Der Franzose sollte aber beim DFB-Pokal gegen den Zweitligaspitzenreiter wieder mitmischen können.

Dadurch haben aber genau die Spieler, die noch um die offenen Plätze kämpfen, noch einmal die Chance, sich im Wettbewerb mit den Größen Europas zu zeigen. Der damals noch unbekannte Thomas Müller sicherte sich so beispielsweise 2009 einen Stammplatz.

Und auch, wenn Heynckes für die neue Saison eine Rotation in Aussicht stellte: Wenn das Zentrum aus Innenverteidigung und defensivem Mittelfeld erst einmal steht, dann wird kein Trainer der Welt daran so schnell etwas ändern. Wie sagte Heynckes? "Ich schaue zuerst, dass der Defensivblock funktioniert." Zeit, damit anzufangen.

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