Neuer: "Ich war schon erleichtert, ne?"

Von Florian Bogner
Manuel Neuer (2.v.l.) hat beim FC Bayern sofort Anschluss gefunden
© Getty

Nationaltorhüter Manuel Neuer ist erst seit ein paar Tagen beim FC Bayern München, wirkt aber schon voll integriert. Die Sache mit den Ultras der Südkurve scheint ausgestanden und auch sonst gibt es kaum Gründe, sich zu beklagen. Schließlich kümmert man sich beim FC Bayern wirklich herzlich um neue Stars, wie Neuer bereits erfahren hat.

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Ruhig jetzt. Puls runter. Einfach weiteratmen. Die werden dich schon nicht Ausbuhen. Bleib' cool, auch wenn Pfiffe kommen. Einfach lachen und winken. In etwa so wird es in Manuel Neuers Kopf am Samstag ausgesehen haben, Sekunden bevor er bei der offiziellen Teamvorstellung des FC Bayern in die mit 30.000 Zuschauern besetzte Allianz Arena laufen musste.

Doch Pfiffe und Schmähungen blieben aus - und Neuer sah man schon im Laufen an, das ihm gerade ganze Felsenmassive vom Herzen fallen. "Ich war schon erleichtert, ne?", sagt er am Dienstag danach im Trainingslager am Gardasee, die Miene heiter, die Stimmung gelöst. "Ich wusste ja nicht genau, was mich erwartet. Dass es so positiv wurde, hätte ich selbst auch nicht gedacht."

Eine Aussprache der Vereinsoberen mit der contra Neuer eingestellten Ultra-Gruppierung "Schickeria" hatte unmittelbar vor der Saisoneröffnung sicher dazu beigetragen - wobei sich bestimmt nicht viele der Ultras den selbstinszenierenden Schnickschnack reingezogen haben dürften und deswegen auch nicht pfeifen konnten.

Verwirrung um die "Buerschenschaft"

Stein des Ultra-Anstoßes war bekanntlich vor allem eine Aktion vom 26. April 2009 gewesen, als Neuer nach Schlusspfiff in der Allianz Arena den 1:0-Sieg der Schalker mit einer entwurzelten Eckfahne feierte. "Damals war ich ja noch jung", sagt Neuer heute, ein wenig verlegen. Es sei aber keine Aktion gewesen, die er speziell gegen den Eckfahnen-Jubel-Erfinder Oliver Kahn oder Bayern München gerichtet habe.

"Ich hatte in letzter Sekunde einen Ball pariert, danach kam direkt der Abpfiff. Ich habe irgendwie eine Art Blackout gehabt und bin zur Eckfahne gerannt. Ich hatte mir das nicht vorgenommen, das passierte spontan. Ich konnte das gar nicht richtig steuern", sagt er in der Retrospektive.

Auch die Nähe zu einer Ultra-Gruppierung der Schalker legten die Bayern-Ultras Neuer negativ aus. Der stellt heute aber klar: "Die 'Buerschenschaft' ist keine Ultra-Organisation. Das sind einfach 20 Freunde im selben Alter, die in Gelsenkirchen-Buer geboren sind und sich deswegen so nennen. Das hat nichts speziell mit Fußball oder Schalke zu tun."

Seine anschauliche Erklärung: "Ein paar Freunde aus München-Schwabing, die vielleicht öfter zusammen Schafkopfen spielen, könnten sich auch 'Schwabingschaft' nennen." Berichte, er sei angeblich von der 'Buerschenschaft' ausgeschlossen worden, entbehren damit jeder Grundlage: "Es gibt gar keine Mitgliedschaften, von daher ist das Schwachsinn."

Gomez nutzt Missverständnis aus

Auch im Trainingslager am Gardasee ist die "Schickeria" vertreten, auf der Gegengerade des Trainingsplatzes in Arco zeugt ein langes Banner von der Reiselust der Ultras. Die "Koan Neuer!"-Zettel sind allerdings zu Neuers Freude zuhause geblieben.

Wenn man den 25-Jährigen dieser Tage beobachtet, könnte man sowieso auf die Idee kommen, er würde schon länger als nur ein paar Tage zum Team gehören. Er flachst mit den Mitspielern, spricht viel mit den Torwartkollegen. Nur in einem Trainingsspiel, als Mario Gomez ein Missverständnis zwischen ihm und Abwehrspieler Daniel van Buyten eiskalt zum einzigen Tor der Übung ausnutzte, merkte man ihm bislang an, dass es noch an der Abstimmung hapert.

Als "sehr angenehm, sehr schön", empfand der Torhüter die ersten Trainingseinheiten mit den neuen Kollegen insgesamt. Sicher, die deutschen Nationalspieler kennt Neuer bereits länger. Auch die Freundschaft zum neuen Torwarttrainer Toni Tapalovic erleichtert vieles. Unterschiede zu Schalke sind dennoch bereits auszumachen. "Die Farben sind anders, ne?", sagt Neuer und grinst dabei schelmisch.

Und etwas ernsthafter: "Hier ist alles ein bisschen größer, einen Tick professioneller. Es kümmern sich viele Leute um einen." Noch in München hätten sich teilweise drei Bayern-Mitarbeiter gleichzeitig bei ihm erkundigt, ob es ihm an etwas mangele. Diese Sonderbehandlung überrascht sogar den deutschen Nationaltorhüter, in dem viele bereits den besten Keeper der Welt sehen.

"Einer, der sicher Geschichte schreiben wird"

Auch sein neuer Trainer Jupp Heynckes hält große Stücke auf seine neue Nummer eins. "Er ist ein außergewöhnlicher Torwart. Einer, der sicher auch beim FC Bayern Geschichte schreiben wird, wie seine Vorgänger", sagte der 66-Jährige am Montag - wohl wissend, dass er damit auch ein bisschen Druck auf Neuer aufbaut.

Seine Vorgänger - das sind jetzt Oliver Kahn, Jean-Marie Pfaff und Sepp Maier. Neuer selbst kann das ab. Ihn jucken solche Vergleiche äußerlich kaum. "Bis jetzt belastet mich das nicht", sagt er. "Es ist eine Ehre, mit diesen Namen verglichen zu werden. Ich konzentriere mich aber eigentlich nur auf mich."

Im Training agiert der Keeper äußerst engagiert. Auch die Fitnessparts und Passübungen, die Neuer gemeinsam mit den Feldspielern absolviert, hängt sich Neuer voll rein, und ist außer durch seine Größe und den Blondschopf nicht von den Kollegen zu unterscheiden.

Die Liebe an der Isar

Seine Ziele sind ehrgeizig: "Ich möchte mich persönlich weiterentwickeln, als Mensch und fußballerisch. Ich möchte möglich jedes Jahr international spielen." Verbessern könne er sich noch in allen Bereichen, gibt er selbstkritisch zu. "Klar macht man auch mal Fehler, aber ich will so wenige wie möglich machen", sagt Neuer.

Seinen Entschluss, zum FC Bayern zu wechseln, habe er schon in der Zeit unter Felix Magath gefasst, wie er nun erstmals öffentlich zugab: "Als Magath noch im Amt war, ich sage mal Februar, stand für mich fest, dass ich Schalke verlassen möchte. Als dann das Angebot des FC Bayern München kam, wollte ich auf jeden Fall dort hingehen."

Alternativen gab es dazu keine. "Ich wollte nicht ins Ausland gehen, nicht im Ausland leben. München ist auch eine sehr interessante Stadt." Konkrete Angebote - von Manchester United beispielsweise - seien sowieso nie eingegangen.

Außerdem: Mit seiner Freundin, einer Münchnerin, hatte er ein Jahr lang nur eine Fernbeziehung führen können. Auch deswegen zog es ihn jetzt schon an die Isar. "Ich kannte München schon und mir war klar, dass ich mich hier wohlfühlen werde", sagt er.

Also: Ruhig bleiben. Puls runter. Denn gegen die Liebe werden ja wohl selbst die fußballfanatischsten Ultras nichts einzuwenden haben.

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