Angeblich verfolgt Schalkes Trainer Ralf Rangnick den "Dortmunder Weg". Aber wer könnten die Verlierer der Neuordnung sein? Vier prominente Namen stehen zur Disposition - darunter Klaas-Jan Huntelaar und Raul.
Ralf Rangnick mag sonst ein Mann profunder Worte sein, doch zu einem der am häufigsten zitierten Sätze der Bundesliga-Pause entwickelte sich ein eher banaler Satz: "Wir brauchen noch einen schnellen Stürmer", sagte der Trainer des FC Schalke 04 - und eröffnete hiermit eine Grundsatzdiskussion im Verein.
Während Rangnick für den Kauf des gewünschten Angreifers die nötigen Millionen bereit gestellt wissen will, stellten Aufsichtsratsboss Clemens Tönnies und Sportvorstand Horst Heldt klar, dass Schalke den Weg der finanziellen Konsolidierung nicht verlassen werde.
Mit seiner Äußerung setzte Rangnick jedoch eine zweite Debatte in Gang: Warum bedarf es eines kostspieligen Neuzugangs, wenn Schalke mit Klaas-Jan Huntelaar bereits über einen Stürmer von vermeintlich internationalem Format verfügt?
"DerWesten" schrieb zuletzt, dass Rangnick "unverhohlen den Mut der Dortmunder bewundern würde", weil die Borussia zum Zwecke einer Neuordnung des Teams keine Angst davor hatte, sich vor zwei Jahren von den erfolgreichen, aber zu teuren Torjägern Alexander Frei und Mladen Petric zu trennen.
Was den Schluss zulässt, dass der Trainer zumindest den Gedanken reizvoll findet, die Schalker Mannschaft nach seinen Vorstellungen umzubauen, auch wenn die Entscheidungen nicht populär sein sollten. Ein Indiz: Neben Huntelaar stehen weitere Stammspieler der vergangenen Saison zumindest gerüchteweise zur Disposition. Eine Einschätzung.
Klaas-Jan Huntelaar: Cisse und Roux im Nacken
Raul: Bei den Fans vergöttert - bei den Chefs umstritten?
Jose Jurado: Kein Platz für den 13-Millionen-Mann
Christoph Metzelder: Griechen-Koloss macht Druck
Klaas-Jan Huntelaar: Cisse und Roux im Nacken
Die Situation: Spielte eine miserable Rückserie inklusive einer zehnwöchigen Verletzungspause und einer zwölf Bundesliga-Einsätze währenden Torflaute. Verabschiedete sich aber mit einer starken Leistung (zwei Tore, eine Vorlage) beim 5:0 im Pokalfinale gegen Duisburg in die Sommerpause.
Beim ersten richtungsweisenden Test in der Vorbereitung gegen den russischen Spitzenklub Machatschkala (3:1) zeigte er den klassischen Huntelaar: Nicht besonders auffällig, aber der Schütze des 1:0.
Die Konkurrenz: Rangnick schwebt in seinem bevorzugten 4-2-3-1 oder 4-3-3 ein Stürmer vor, der Torgefahr mit Laufstärke, Grundschnelligkeit, Kombinationssicherheit und Defensivarbeit verbindet. Huntelaar jedoch definiert sich fast ausschließlich über seinen Abschluss. Daher auch der Vorstoß von Schalke, Wunschstürmer Cisse oder B-Lösung Roux zu verpflichten, die offenbar besser Rangnicks Profil entsprechen.
Überraschend hingegen das Bekunden des Interesses am ablösefreien Marica, der in Stuttgart aussortiert wurde, weil er sich renitent zeigte und sich kaum am Spiel gegen den Ball beteiligte.
Die Perspektive: Sollte Schalke keinen neuen Stürmer kaufen, Huntelaar wäre weitestgehend sorgenfrei. Edu ist ein Muster an Fleiß, aber ihm mangelt es an Talent und Coolness, Gavranovic wiederum muss sich erst als Einwechselspieler empfehlen. Wenn Schalke aber doch der Transfer von Cisse oder Roux gelingt, dürfte sich Huntelaar auf der Bank wiederfinden. Gegen den dynamischeren, aber weniger treffsicheren Marica müsste sich Huntelaar durchsetzen können.
Ein Weggang sei ohnehin nicht geplant. Einerseits bietet kein Verein nur ansatzweise die letztes Jahr gezahlte Ablöse von 14 Millionen Euro. Andererseits habe sich Huntelaar laut Heldt "eindeutig geäußert", auf Schalke bleiben zu wollen. Und der Verein würde "auf ihn setzen", so der Sportvorstand. Huntelaar dementiert selbst ein angebliches Interesse von Manchester United und sagt: "Ich liebe das Attackieren. Und genau dafür steht Ralf Rangnick."
Raul: Bei den Fans vergöttert - bei den Chefs umstritten?
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Raul: Bei den Fans vergöttert - bei den Chefs umstritten?
Die Situation: Stieg wegen einer entzündeten Risswunde am rechten Fuß verspätet in die Vorbereitung ein, hat körperlich jedoch keine Defizite und hält bei den Einheiten gut mit. Wurde gegen Machatschkala in der ersten Halbzeit im 4-4-2 mit Raute als Zehner hinter Huntelaar und Gavranovic aufgestellt und spielte ordentlich, ohne zu glänzen.
Bei den Fans wird er regelrecht vergöttert, über die Wertschätzung bei den Verantwortlichen gibt es hingegen unterschiedliche Meinungen - ersichtlich am Thema Vertragsverlängerung. Im April/Mai sprachen Spieler und Verein mehrmals über eine Ausweitung um ein weiteres Jahr, die Gespräche wurden jedoch eingestellt. Laut "Kicker" sei dies "einvernehmlich" geschehen.
Die "Sport-Bild" und andere Medien hingegen berichten, dass Raul durchaus Interesse hätte, Schalke jedoch habe intern bereits abgesprochen, dass mit ihm nicht verlängert wird.
Die Konkurrenz: Im 4-4-2 mit oder ohne Raute kann sich Raul mangels Konkurrenz seines Stammplatzes im Zweier-Sturm sicher sein. Im 4-3-3 oder 4-2-3-1 ist er als hängende Spitze ebenfalls gesetzt - nur hier bieten sich auch jüngere und laufstärkere Spieler an.
Holtby bevorzugt ebenfalls die zentrale Position und bekam von Rangnick die symbolträchtige Trikotnummer zehn. Draxler, Baumjohann (gute Leistung gegen Machatschkala), Rückkehrer Moravek und mit Abstrichen Jurado sind ebenfalls denkbar.
Die Perspektive: Alleine schon wegen Rauls Standing bei den Fans kann es sich Rangnick nicht erlauben, ihn auf die Bank zu setzen. Sonst droht dem Trainer offener Widerstand.
Dass er jedoch durchaus Zweifel daran hat, ob Rauls Art des Fußball zu seiner auf Pressing beruhenden Philosophie passt, zeigt folgende Äußerung über dessen Rolle als hängende Spitze: "Die Ausrichtung wäre dann schon offensiver. Die Frage, wie das am besten funktionieren kann, gilt es zu lösen. Auch, da es dann unsere offensiven Mittelfeldspieler schwerer haben."
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Jose Manuel Jurado: Kein Platz für den 13-Millionen-Mann
Die Situation: Nachdem Schalkes Führung vornehmlich Torwart Ralf Fährmann in Frage gestellt hatte, verlagerte sie das öffentliche In Zweifel ziehen eines eigenen Spielers hin zu Jurado. "Wir wünschen uns mehr Konstanz von ihm. Jetzt ist sein Eingewöhnungsjahr rum. Er muss den nächsten Schritt machen. Von ihm erwarte ich mehr!", sagt Heldt.
Jurado schien im Frühling der Durchbruch gelungen zu sein, doch seinen Leistungen gegen Inter folgten ähnlich schwache Auftritte wie zu Saisonbeginn.
Die Konkurrenz: Ein Stammplatz ist in der Verfassung illusorisch: Bei aller fußballerischen Brillanz, ihm gehen Biss, taktisches Verständnis und die Athletik ab. In einem 4-2-3-1 hat er daher auch keine Chance auf einen Platz neben Raul und Farfan in der offensiven Dreierreihe. Seine Rivalen: Holtby, Draxler, Baumjohann, Moravek.
Für den offensiveren Part in der Doppel-Sechs bringt Jurado zwar das Gestalterische mit, aber seine Schwächen im Zweikampf und Stellungsspiel zerstören die Balance des gesamten Teams. Zumal im defensiven Mittelfeld genügend Kandidaten bereitstehen. Kluge ist unumstritten, hinzu kommen Annan, Papadopulos, Matip, Höger, Moritz und Jones.
Die Perspektive: Ein klares Dementi klingt anders, aber immerhin sagt Heldt: "Sein Name wird in den Medien immer wieder als Abgang gehandelt. Ich kann mich jedoch nicht daran erinnern, dass ich jemals öffentlich gesagt habe, dass der Verein sich von Jurado trennen möchte."
Dennoch dürfte auch Spanier, vor einem Jahr 13 Millionen Euro teuer, wissen, dass er bei einem angemessenen Angebot abgegeben wird. Alleine schon, damit Schalke im Poker um Etienne Capoue (Toulouse) nachlegen kann.
Klaas-Jan Huntelaar: Cisse und Roux im Nacken
Raul: Bei den Fans vergöttert - bei den Chefs umstritten?
Christoph Metzelder: Griechen-Koloss macht Druck
Christoph Metzelder: Griechen-Koloss macht Druck
Die Situation: In der dunklen Zeit des deutschen Fußballs zwischen 2000 und 2005 war er einer der wenigen Innenverteidiger moderner Auffassung, dem die Verletzungsanfälligkeit jedoch eine große Karriere verwehrte. Kurios, aber mittlerweile verkörpert er das komplette Gegenteil: Er blieb vergangene Saison fast durchgängig fit, dafür gehört er heute zu den Abwehr-Dinosauriern, die verteidigen können, aber für den Spielaufbau nur wenig beitragen.
Damit entspricht er nicht dem Rangnick-Ideal. Ein weiterer Nachteil: Seine unselige Saisonvorbereitung mit einer anfänglichen Achillessehnenreizung und einer Grippe, weswegen er erst am Samstag ins Trainingslager in Stegersbach einsteigen durfte.
Die Konkurrenz: Einiges deutet daraufhin, dass Metzelder seinen Stammplatz an den jungen Griechen Papadopoulos verliert, der der neue Liebling des Trainers sein soll. Indiz: Die vorzeitige Verlängerung des Vertrags bis 2015 zu erhöhten Konditionen.
Papadopoulos sieht bei Ballbesitz wie Metzelder nicht behänd aus, dafür scheint er mit seiner kraftvollen Art Rangnick überzeugt zu haben. Matip hat sich ebenfalls in der Abwehrzentrale bewährt, wobei er sich im defensiven Mittelfeld wohler fühlt.
Die Perspektive: Schon im Vorfeld ahnte Metzelder: "Zur neuen Saison wird der Trainer sicher noch stärker eigene Vorstellungen umsetzen." Von daher sollte er auf eine Zukunft als Reservist vorbereitet sein - wobei Metzelder aber weiterhin eine wichtige Rolle zukommt.
Und zwar als Führungsspieler, der sich bereits letzte Saison als Integrationsfigur von Spielern wie Raul und Uchida unverzichtbar machte. Aber auch als erfahrener Innenverteidiger, der bei Bedarf wieder in die Stammelf einspringt, sollte Papadopoulos enttäuschen.
Klaas-Jan Huntelaar: Cisse und Roux im Nacken