Die positive Überraschung: Hannover 96
Wenn es stimmt, dass das verflixte zweite Jahr am schwersten ist, gehört Hannover 96 (zusammen mit Gladbach) zu den größten Überraschungen der bisherigen Saison. Viele prophezeiten den Niedersachsen einen Absturz ins Mittelmaß, auch der Verein selbst bemühte sich im Sommer redlich darum, die Erwartungen zu dämpfen.
Nun hat der kleine HSV als einzige deutsche Mannschaft die momentan großen drei - Bayern, Dortmund und Bremen - geschlagen, den FC Sevilla aus dem Europapokal gekegelt und sich in der Bundesliga auf Platz sechs eingependelt. Die Rekordsaison 2010/11 war kein zufälliger Ausrutscher nach oben.Im Vorjahr war der Star der Trainer: Mirko Slomka hatte aus einem vermeintlich mäßig talentierten Kader eine übermäßig produktive Mannschaft geformt; sie körperlich und taktisch auf ein neues Niveau gehievt und ihr eine prägnante Handschrift verpasst. Hannovers Umschaltspiel war State oft the Art, die graue Maus hatte plötzlich ein unverwechselbares spielerisches Merkmal.
Die taktischen Fortschritte sind auch in diesem Jahr nicht zu übersehen - das Pressing der 96er gehört inzwischen mit zum Besten, was die Liga gegen den Ball zu bieten hat -, noch auffälliger ist aber die individuelle Entwicklung, die etliche Spieler mittlerweile genommen haben.
Moa Abdellaoue, den Manager Jörg Schmadtke im letzten Jahr ohne Sommerpause aus dem laufenden Spielbetrieb in Norwegen holte, hat diesmal die komplette Vorbereitung absolviert. Unter den zentralen Stürmern ist der 26-Jährige derzeit der wohl stärkste Konterspieler der Bundesliga.
Jan Schlaudraff hat sich vom schlampigen Problemfall zu einem echten Führungsspieler gemausert. Er sorgt nicht nur für die besonderen - und häufig spielentscheidenden - Momente, sondern setzt vor allem mit seiner läuferischen Leistung immer wieder wichtige Signale.
Lars Stindls Selbstvertrauen scheint im Minutentakt zu wachsen, Torhüter Ron-Robert Zieler steht vor seinem Debüt in der Nationalmannschaft. Mit Sofian Chahed und Neuzugang Christian Pander haben arrivierte Stammkräfte plötzlich mächtig Konkurrenz bekommen, rechtzeitig für die Doppelbelastung ist der Kader auch in der Breite besser geworden.
Hannover kann es sich sogar leisten, den verletzungsgeplagten und formschwachen Didier Ya Konan, immerhin der herausragende Akteur der letzten Saison, auf der Bank zu lassen.
Gleichzeitig gelingt es Slomka offenbar, ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem jeder Einzelne bereit ist, sich in den Dienst des Gesamtkonzepts zu stellen und dafür immer wieder an die Leistungsgrenze zu gehen. Wer nachlässt, bekommt das auch unmissverständlich zu spüren. Wie etwa Shootingstar Zieler, den der Coach erst im Training und am Wochenende dann auch in der Öffentlichkeit deutlich kritisierte.
Dass der unprätentiöse und konstante Fußball aus Hannover auch über die Stadtgrenzen hinaus wahrgenommen wird, zeigt nicht zuletzt Manuel Schmiedebach. Der Dauerläufer spielt schnörkellos, diszipliniert und ohne Allüren. Und wird regelmäßig von den Scouts europäischer Topklubs beobachtet.