Zwei Stürmer, 4-3-3 - und etwas ganz Anderes

Daniel Börlein
24. August 201213:05
Wie sehen die Taktiktrends der Bundesligasaison 2012/13 aus?Getty
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Am Freitagabend startet die neue Bundesliga-Saison mit der Partie Borussia Dortmund gegen Werder Bremen (20.15 Uhr im LIVE-TICKER). Worauf darf man sich in dieser Spielzeit freuen? Was haben die Mannschaften taktisch zu bieten? Und wer geht neue Wege? Die Taktikvorschau auf die neue Saison.

Eine alte, neue Option: Angriff mit zwei Stürmern

Große taktische Neuerungen bot die EM in Polen und der Ukraine in diesem Sommer nicht unbedingt. Richtig interessant war allerdings das, was Italien in Sachen Taktik zeigte. Die Squadra Azzurra spielte in der Abwehr zunächst mit einer Dreier- später dann mit einer Viererkette. Immer setzte Coach Cesare Prandelli allerdings auf zwei Stürmer. Und war damit eine Ausnahme.

Längst ist das 4-2-3-1 die Grundordnung, die die Top-Mannschaften bevorzugen. Auch in der Bundesliga, auch in der anstehenden Saison. Mindestens elf der 18 Klubs werden am 1. Spieltag im 4-2-3-1 auflaufen. Ausgestorben ist die Zwei-Stürmer-Variante aber dennoch nicht. Allerdings: Mit Thorsten Fink (HSV) und Thomas Schaaf (Werder) rückten zwei glühende Verfechter in der Vorbereitung von dieser Ausrichtung ab. SPOX

Konsequent auf zwei Stürmer setzt ausgerechnet ein Aufsteiger. "Das 4-4-2 hat uns letzte Saison stark gemacht", erklärt Fürths Trainer Mike Büskens. Der Coach der Franken liefert den Grund gleich mit. "Wir haben nicht den Spieler, der uns 34 Spieltage vorne die Bälle festmacht."

Stattdessen hat Büskens andere Anforderungen an seine beiden Angreifer: Sie müssen in der Lage sein, den Gegner lange in hohem Tempo unter Druck zu setzen und die gegnerischen Abwehrspieler immer wieder geschickt anzulaufen.

"Der zweite Stürmer muss sich bei gegnerischem Ballbesitz im Tandem aufstellen. Das heißt, dass die Zentrumsspitze einen Innenverteidiger anläuft und ihn quasi zustellt und der zweite Stürmer etwas hängender agiert, um das flache Anspiel auf den gegnerischen Sechser zu erschweren", erklärte BVB-Co-Trainer Peter Krawietz im SPOX-Interview die Anforderungen an einen Zweiersturm.

Zudem ganz entscheidend: Ein schnelles Umschaltspiel, schließlich soll nach Ballgewinn möglichst auf kürzestem Weg zum Tor gekontert werden. Und: Mindestens einer der beiden Angreifer muss kopfballstark sein. Der Grund: Auf den Flügeln setzen alle Zwei-Stürmer-Teams auf starke Tempo-Dribbler (wie z.B. Fürths Sararer), die in den Rücken der Abwehr kommen, oder präzise Flankengeber (z.B. Gladbachs Arango).

Neben Fürth gibt es mit Hannover und Gladbach nur zwei weitere Teams, die bisher bevorzugt mit zwei zentralen Angreifern agieren. Allerdings: Beide halten sich die Option offen, den zweiten Angreifer (de Jong in Gladbach, Schlaudraff bei 96) etwas hängend agieren zu lassen.

Für andere Teams der Liga scheint die Zwei-Stürmer-Ausrichtung allerdings auch wieder interessanter geworden zu sein. Schalke trat im Pokal mit einem Sturm-Duo an, Mainz hatte diese Variante bereits in der letzten Saison im Repertoire, Düsseldorf und Freiburg spielen mit einem Mittelstürmer und einer "Neueinhalb" (Streich) und selbst Bayern-Coach Jupp Heynckes sagt: "Zwei Stürmer sind eine Option."

Angesagt: Das 4-3-3

Bayer: Anders als die anderen

Taktische Variabilität gefordert

Wieder angesagt: Das 4-3-3

Geliebt wurde Bert van Marwijk in den Niederlanden nie wirklich. Auch der Einzug ins WM-Finale 2010 änderte an der eher verhaltenen Zuneigung der Oranje-Fans zu ihrem Bondscoach kaum etwas. Als van Marwijk nach der missglückten EM nun seinen Hut nahm, gab es wenige, die ihm nachtrauerten. So richtig hat man van Marwijk nie verziehen, dass er aus dem 4-3-3, das man in Holland schon den Jüngsten beibringt, ein 4-2-3-1 machte.

Während in den Niederlanden aktuell noch darüber diskutiert wird, wie Nachfolger Louis van Gaal wohl künftig spielen lässt, werden in der Bundesliga zum Saisonauftakt mindestens zwei Teams im 4-3-3 auflaufen: Werder Bremen und der VfL Wolfsburg.

In Bremen hat sich Thomas Schaaf schon früh in der Vorbereitung vom Zwei-Stürmer-System und der Mittelfeldraute verabschiedet und stattdessen auch bei Verpflichtung neuer Spieler auf deren Eignung fürs 4-3-3 geachtet.

Mit Eljero Elia wurde ein klassischer Flügelstürmer verpflichtet, die andere Seite kann Marko Arnautovic besetzen, der in diesem System schon während seiner Zeit bei Twente Enschede spielte und dort groß auftrumpfte. Auch Chelsea-Leihgabe Kevin de Bruyne fühlt sich auf dem Flügel wohl.

In Wolfsburg testete Felix Magath in der Vorbereitung mehrere Systeme. Auch wegen des Kreuzbandrisses von Patrick Helmes bekam nun allerdings das 4-3-3 den Zuschlag, das vor allem auf Neuzugang Bas Dost zugeschnitten ist. Der Niederländer erzielte in dieser Ausrichtung als Mittelstürmer in der vergangenen Saison 32 Treffer für den SC Heerenveen.

Einen zentralen Unterschied gibt es allerdings in der Interpretation der taktischen Ausrichtungen von Werder und Wolfsburg. Magath setzt beim VfL im Mittelfeld auf einen klassischen Spielmacher (Diego), der von zwei Sechsern abgesichert wird.

Bremens Grundordnung sieht hingegen im Normalfall nur einen Abräumer vor der Abwehr und zwei Achter im Halbfeld vor, zumindest in Teilen bleibt damit die Werder-Raute, die Bremen lange Jahre praktizierte, erhalten. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Mit Mehmet Ekici hat Schaaf ohnehin nur einen Spielgestalter-Typ in seinen Reihen. Erst wenn der Türke topfit ist, hat Schaaf die Option wie Magath auf Doppelsechs und Zehner umzustellen.

Während sich Wolfsburg und Bremen in der Vorbereitung die nötigen Abläufe und Automatismen fürs 4-3-3 angeeignet haben, sind andere Klubs zum Saisonstart noch nicht soweit. Der VfB Stuttgart beispielsweise probte in Training und Tests ebenfalls ihm 4-3-3, vertraut zum Start aber wieder auf ein 4-2-3-1. Coach Bruno Labbadia sagt allerdings: "Die Grenzen zwischen beiden Systemen sind fließend."

Option: Angriff mit zwei Stürmern

Bayer: Anders als die anderen

Taktische Variabilität gefordert

Bayer Leverkusen: Anders als die anderen

Da war die Tatsache, dass man sich in der Champions League ins Achtelfinale vorkämpfte und sich im Saisonendspurt schließlich doch noch einen Platz in der Europa League sicherte. Recht viel mehr Positives war in der letzten Saison allerdings nicht aus Leverkusener Sicht. Und deshalb war klar: Bei Bayer muss sich einiges ändern.

Die wichtigste Neuerung zur letzten Saison: Statt einem Cheftrainer gibt es nun mit Sami Hyypiä und Sascha Lewandowski zwei Hauptverantwortliche im sportlichen Bereich. Das ist einmalig in der Liga. Einzigartig ist auch die taktische Ausrichtung, mit der Leverkusens Trainer-Duo spielen lässt: ein 4-3-2-1.

"Ich finde, dass das ein sehr interessantes System ist", sagt Simon Rolfes im Gespräch mit SPOX. "Vom Grundsatz her ist das eine Ausrichtung, mit der man Spiele besser dominieren kann. Du kannst dadurch bei eigenem Ballbesitz dominanter auftreten."

Bayers Kapitän ist in dieser Grundordnung Teil der Dreierkette im Mittelfeld. Das Besondere: Diese Reihe wird von drei Sechsern gebildet, ähnlich wie es Russland mit Syrjanow, Schirokow und Denisow bei der EM praktizierte.

"Im Gegensatz zur Doppelsechs ist man dadurch ein bisschen flexibler und schwerer auszurechnen", sagt Rolfes, der allerdings auch klar stellt. "Die Variabilität auf der Sechserposition hat sich nicht grundlegend verändert. Mit zwei Sechsern war es auch so, dass einer sich mit nach vorne einschalten kann und der andere absichert. Das ist nun mit der Dreierkette ähnlich."

Rolfes übernimmt bei Bayer den halblinken Part der Dreierreihe, halbrechts ist Lars Bender gesetzt, als zentraler Sechser ist Stefan Reinartz eingeplant. Rutscht Gonzalo Castro für ihn ins Team, rückt Rolfes ins Zentrum und Castro nach links.

Interessant ist die Grundanordnung der Offensive. Vorne gibt Stefan Kießling die einzige Spitze, dahinter sollen zwei offensive Mittelfeldspieler im linken und rechten Halbfeld agieren und ausdrücklich nicht nur den Flügel wie ein klassischer Außenstürmer beackern.

Andre Schürrle (halblinks) und Karim Bellarabi (halbrechts, Alternativen: Augusto, Sam) geben damit quasi eine Mischung aus hängender Spitze, Spielmacher und Flügelstürmer und sollen das Bayer-Spiel dadurch variabler machen.

Zentral für die erfolgreiche Umsetzung dieses neuen Systems, ist die Aktivität der beiden Außenverteidiger. Michal Kadlec (links) und Daniel Schwaab oder Dani Carvajal (rechts) gehört die komplette Außenbahn im Normalfall alleine. Die Folge: Im Spielaufbau stehen beide schon deutlich höher als gewöhnliche Außenverteidiger.

Die Spieleröffnung findet dadurch meist durchs Zentrum über die Innenverteidigung und einen der Sechser statt. "Die Gesamtkonstellation ist nun schon eine andere. Es hat sich im ganzen Spielaufbau einiges geändert", sagt Rolfes.

Option: Angriff mit zwei Stürmern

Angesagt: Das 4-3-3

Taktische Variabilität gefordert

Taktische Variabilität: Die Spieler sind in der Pflicht

Ob Raute, flache Vier, ein, zwei oder drei Stürmer - völlig neue Dinge werden die Klubs auch zum Start dieser Saison nicht präsentieren. In Sachen taktischer Grundordnung scheint schon alles probiert worden zu sein. Der nächste Taktik-Kniff wird deshalb wohl nicht die Einführung eines neuen Spielsystems sein.

"Es könnte unter Umständen mehr an Bedeutung gewinnen, dass Mannschaften nicht nur mit einem einzigen Plan ins Spiel gehen, sondern sich darauf vorbereiten, auf ein Zeichen des Trainers hin, während des laufenden Spiels die Grundformation zu verändern, ohne auswechseln zu müssen", sagte BVB-Co-Trainer Peter Krawietz im SPOX-Interview. SPOX

Heißt: Die neue Kunst wird sein, mehrere Grundordnungen zu beherrschen und diese sowie die grundsätzliche Ausrichtung während eines Spiels variieren zu können, um auf veränderte Umstände (z.B. Rückstand, Überzahl etc.) zu reagieren. Der eine oder andere Coach hat darauf schon in der Vorbereitung Wert gelegt.

"Wir haben unser System zuletzt immer mal verändert", sagte Hannovers Trainer Mirko Slomka dem "Kicker". "Zwei Sechser oder eine Raute im Mittelfeld, manchmal ein 4-2-3-1." Auch Wolfsburg testete mal mit Raute, mal mit flacher Vier.

Als eine Art Vorreiter in Sachen taktische Variabilität während des Spiels darf durchaus der 1. FSV Mainz 05 gelten. Immer wieder stellte Thomas Tuchel schon in den letzten Jahren im Spielverlauf seine Grundordnungen um, selbst wenn Mainz in Führung lag und vermeintlich vieles richtig machte.

Bisweilen allerdings verkalkulierte sich Tuchel damit auch. Vor allem in der vergangenen Saison lag er mit seinen Maßnahmen das eine oder andere Mal daneben. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Der entscheidende Punkt, um während einer Partie reagieren zu können, ist "eine hohe taktische Variabilität des einzelnen Spielers".

So braucht man beispielsweise für die Umstellung von einem 4-2-3-1 auf ein 4-4-2 mit Raute Außenverteidiger, die in der Lage sind, nach der Variation die komplette Außenbahn zu bearbeiten statt sich - wie vorher - vornehmlich auf Defensivaufgaben und das Anlaufen zu beschränken. Oder eben Spieler wie Dortmunds Kevin Großkreutz, der als Linksaußen spielen kann wie auch als rechter Verteidiger.

DFB-Chefausbilder Frank Wormuth beschreibt das Thema taktische Variabilität im Gespräch mit SPOX mit folgendem Beispiel: "Das Ideal für einen Trainer, aber auch den Spielern am schwersten beizubringen, ist: Um den Gegner zu irritieren, steht man zunächst tief, dann wird nach Zeichen des Trainers auf Pressing umgestellt, ein paar Minuten später kehrt man nach einem erneuten Signal von außen zurück zum Tiefstehen und so weiter. Das ist jedoch hohe Kunst und beinhaltet einen starken Vertrauensverbund zwischen Trainer und Mannschaft."

Option: Angriff mit zwei Stürmern

Angesagt: Das 4-3-3

Bayer: Anders als die anderen