Sehnsucht nach Euphorie

Von Andreas Lehner
Bruno Labbadia (l.) mit seinem Team im Schlepptau
© Imago

Der VfB Stuttgart war die drittbeste Mannschaft der Rückrunde, gehört aber in der Saison 2012/13 trotzdem nicht zu den Favoriten. Manager Fredi Bobic und Trainer Bruno Labbadia beklagen die miese Stimmung im Umfeld.

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Am Montag holte der VfB Stuttgart mal wieder einen Titel im Nachwuchsbereich. Antonio Rüdiger ist der Gewinner der Fritz-Walter-Medaille in Gold im U-19-Bereich, der wichtigsten individuellen Auszeichung im Juniorenfußball.

Seine Vorgänger in den vergangenen Jahren waren Marc-Andre ter Stegen, Peniel Mlapa und Lewis Holtby. Alle drei sind mittlerweile bekannte Gesichter in der Bundesliga.

Neue Generation von Talenten

Wie die Zukunft von Rüdiger aussieht ist selbstverständlich offen, eine Karriere im Profifußball ist von vielen Faktoren abhängig, die ein Spieler auch nicht immer selbst beeinflussen kann.

Es ist kein neues Konzept beim VfB Stuttgart, das gerade Erfolge abwirft. Seit den Zeiten Felix Magaths, als die sogenannten Jungen Wilden die Liga aufmischten, ist Stuttgart ein guter Platz für Talente. Sei es aus finanzieller Notwendigkeit oder sportlicher Klasse.

Aktuell ist beim VfB mal wieder beides der Fall. Abwehrspieler Rüdiger könnte das Gesicht der neuen Generation an VfB-Talenten werden. Schon in der vergangenen Saison klopfte er ans Tor zu Bruno Labbadias Profis. Mit ihm drängen Raphael Holzhauser (defensives Mittelfeld, 19) und Kevin Stöger (offensives Mittelfeld, 18) nach oben.

Labbadia sieht "Wettbewerbsnachteil"

Der VfB Stuttgart hat seine Mannschaft im Vergleich zum Vorjahr kaum verändert. Den fünf Abgängen stehen nur zwei externe Zugänge (Hoogland, Torun) gegenüber, der Rest kam aus dem eigenen Nachwuchs oder von Leihgeschäften zurück.

Trotzdem gehören die Schwaben zu den großen Unbekannten dieser Saison. Die Expertenprognosen gehen von Champions-League-Qualifikation bis Abstiegskampf.

Wie immer dürfte die Wahrheit irgendwo dazwischen liegen. Die erste Elf ist stark, spielte in der abgelaufenen Saison die drittbeste Rückrunde hinter Dortmund und Bayern und erzielte die zweitmeisten Tore. Die Personaldecke aber ist dünn. "Es darf nicht viel passieren", sagt Labbadia, der mit der Situation verständlicherweise nicht hundertprozentig zufrieden ist.

Seit Wochen betont der Trainer in diversen Interviews den "klaren Wettbewerbsnachteil" gegenüber anderen Mannschaften, die dank finanziell besserer Möglichkeiten aufrüsten könnten.

Das inoffizielle Vorbild: Borussia Dortmund

Die Saison wird eine Herausforderung für Labbadia, Manager Fredi Bobic und den "Stuttgarter Weg". Dieser sieht vor, sich dauerhaft dem eigenen Nachwuchs zu verpflichten, wie Bobic vor einem halben Jahr im SPOX-Interview erklärte.

Während der Manager im Hintergrund einige Weichen stellte (Neustrukturierung des Nachwuchsbereichs, neue Scouting Abteilung), wurde dieser Weg im Profibereich in den letzten anderthalb Jahren unter Labbadia nur halbherzig umgesetzt, da die sportliche Konsolidierung im Vordergrund stand.

Das Ziel das Führungsduo ist es, den Erfolg dauerhaft durch gute Jugendarbeit sicherzustellen. Transfers wie die von Sami Khedira und Mario Gomez sollen zukünftig verhindert oder zumindest länger hinausgezögert werden.

Stuttgart soll wieder eine attraktive Marke mit einer eigenen Strategie und Identität in der Branche werden. Dass das unausgesprochene Vorbild Borussia Dortmund ist, liegt auf der Hand. Die Erklärung von Präsident Gerd Mäuser, der VfB sei ein Ausbildungsverein, dürfte Bobic nicht geschmeckt haben.

Bobic fordert mehr Euphorie

Anders als beim BVB, wo die Führungstroika Watzke/Zorc/Klopp eine unzertrennliche Einheit darstellt, stehen sich in Stuttgart die sportliche und wirtschaftliche Führung oft konträr gegenüber.

Mäuser, der eher nach dem schwäbischen Stereotyp der Sparsamkeit handelt, gegen Bobic, der mit seiner Emotionalität eine Aufbruchsstimmung rund um den Verein erzeugen will.

"Ich würde mir wünschen, dass es mehr Euphorie um den VfB gibt", sagte Bobic vergangene Woche auf der Mitgliederversammlung in Richtung Vorstand und Aufsichtsrat, "die Mannschaft hätte das verdient, denn das ist eine richtig gute Truppe."

Präsident Mäuser gilt als Bremsklotz

Ohnehin gilt Mäuser vielen Fans als Bremsklotz in der Entwicklung des Vereins, der auch nach einjähriger Präsidentschaft die Anforderungen des modernen Spitzenfußballs nicht verinnerlicht hat.

Stellvertretend dafür steht sein irritierender Auftritt vor Studenten in Bad Cannstatt. Dort erklärte Mäuser, warum der VfB mit Eigengewächs Julian Schieber deutlich weniger Punkte auf dem Konto hätte, warum er die Stuttgarter Sportjournalisten für "Schmierfinke" hält und warum es ihm lieber sei, dass gar nicht über den Verein berichtet werde. Auch Sponsoren soll er mit seiner schroffen, herrischen Art schon verschreckt haben.

Auf der Jahreshauptversammlung wurden er und sein Vorstand zwar mit über 75 Prozent der Stimmen entlastet, die wichtigsten Anträge zur Änderung der Satzung verwehrten die Mitglieder Mäuser und seiner Vorstandschaft aber. Es ging um den Erwerb der Mitgliedschaft auf elektronischem Weg, den Versand Einladungen zur Hauptversammlung per Email und den Vorschlag, Beschlüsse künftig auch außerhalb der Mitgliederversammlung mittels elektronischer Abstimmungen zu treffen.

Warum hat der VfB Stuttgart kein Geld?

Die Frage aller Fragen in Fankreisen bleibt aber: Warum hat der VfB kein Geld, obwohl in den letzten Jahren Gomez, Khedira, Leno und andere teuer verkauft wurden? Das liegt zum einen an teuren Fehlkäufen wie Ciprian Marica und Pawel Pogrebnjak und laut Mäuser auch an Beraterhonoraren sowie Investitionen in die Jugendarbeit.

So errechnete er für den Zeitraum seit 2007 ein Minus von 16,1 Millionen Euro. Die Kosten für den Umbau des Stadions tauchen hier noch gar nicht auf. "Ohne Transferüberschuss kommen wir sofort in die Bredouille", sagt der Präsident. Deshalb sei klar, "dass wir auf die Jugend setzen müssen. Das ist sportlich attraktiv - und wirtschaftlich."

Droht der erneute Ausverkauf?

Im Umfeld ruft das zwiespältige Gefühle hervor. Zum einen kann sich unter Labbadia eine Mannschaft mit Stallgeruch entwickeln. Doch im Erfolgsfall droht der Ausverkauf. Eine Situation, die den Verein in den letzten Jahren zwar zu einer deutschen Meisterschaft aber nicht wirklich nach vorne gebracht hat.

Bobic wird auch im eigenen Verein noch Überzeugungsarbeit leisten müssen, dass der "Stuttgarter Weg" aus mehr besteht als Talente entwickeln und sie dann anderen Vereinen zuuzführen.

Die nächste Generation steht bereit. Sie soll in naher Zukunft den Stamm des VfB prägen und mit etablierten Kräften wie Sven Ulreich, Serdar Tasci und Cacau den dauerhaften Erfolg sichern. Nationalspieler Cacau sagte über seinen Verbleib zuletzt: "Die Geschichte beim VfB ist für mich noch nicht zu Ende." Vielleicht steht der Klub auch erst am Anfang.

Der Kader des VfB Stuttgart