Trotz Top-Quote steht Mario Gomez weiter in der Kritik. Uli Hoeneß gibt ihm indirekt die Schuld am verlorenen Champions-League-Finale. Heynckes betont die neuen Alternativen.
Das Schöne im Fußball ist - und das wird auch in der 50. Spielzeit der Bundesliga der Fall sein: Die Wahrheit liegt auf dem Platz.
Mario Gomez kann aber wohl nur den Kopf schütteln, wenn er sich seine ganz persönliche Wahrheit anschaut: 93 Pflichtspiel-Tore hat er in drei Jahren bei Bayern München erzielt, einmal war er Bundesliga-Torschützenkönig und einmal knapp dahinter, in der Champions League lange auf Augenhöhe mit keinem Geringeren als Lionel Messi, bei der EM nur knapp vom Gewinn des Goldenen Schuhs entfernt - und trotzdem soll Gomez "nur gut und nicht sehr gut" sein?
Umstrittenster Spieler Deutschlands
So urteilt der Präsident des FC Bayern, Uli Hoeneß, über Gomez. Das Schicksal des 27-Jährigen ist es wohl einfach, der gegenwärtig umstrittenste Fußballer Deutschlands zu sein.
Als die vom ARD-Experten Mehmet Scholl bei der EM losgetretene Diskussion am Dienstag in Ingolstadt ihren vorläufigen Höhepunkt erlebte, hatte Gomez zum Glück anderes zu tun.
Keine zwei Stunden, nachdem Bayern-Präsident Uli Hoeneß dem Torjäger indirekt die Schuld an der Niederlage im Finale der Champions League gegen den FC Chelsea angehängt hatte, schoss Gomez beim 15:0 gegen eine Sponsorenauswahl fünf Tore.
Lieber im Finale gegen Chelsea
Hoeneß legte prompt nach: "Es reicht einfach nicht, da fünf, sechs oder sieben Mal zu treffen, sondern besser das 1:0 gegen den AC Mailand in der 88. Minute - oder im Finale gegen Chelsea. Das ist mir lieber", sagte der 60-Jährige der Münchner "Abendzeitung".
Böse Zungen mögen behaupten, dass Gomez die Kritik bei seinem schwachen Auftritt beim 3:2 gegen den 1. FC Kaiserslautern am Tag darauf bereits nahe gegangen war. "Ich glaube nicht, dass Mario ein Sensibelchen ist. Und ich fand schon die Diskussion bei der Nationalmannschaft während der EM sehr kontraproduktiv", sagte aber Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge.
Teuerster Transfer der Bundesliga
Gomez, der ehemalige Stuttgarter, mit 30 Millionen Euro der teuerste Transfer der Liga-Geschichte, hat gelernt, die Dauerdebatte um seine Person auszublenden. Es bleibt ihm auch nichts anderes übrig.
"Ich denke, dass Mario sich das nicht so zu Herzen nimmt. Er muss damit leben", sagte Trainer Jupp Heynckes am Mittwochabend. Hoeneß stehe es zu, "dass er hier und da mal was sagt".
Aber Heynckes kennt die Bayern-Welt genauso wie Gomez nach drei Jahren gut genug, um dem Gerede "nicht so große Bedeutung beizumessen".
Heynckes hat jetzt Alternativen
Nach außen kommt die Kritik von höchster Stelle allerdings tatsächlich so rüber, als müsse Gomez, der Torjäger der vergangenen beiden Spielzeiten, um seinen Stammplatz bangen.
Und es wirkt auch wie eine Bestrafung, dass ihm in Rückkehrer Claudio Pizarro und Mario Mandzukic zwei hochwertige Herausforderer zur Seite gestellt wurden, und Heynckes tagtäglich betont: "Ich habe jetzt Alternativen."
Dabei will Gomez niemand etwas Böses. Nicht die sportliche Führung mit ihren Verpflichtungen, und auch nicht Hoeneß, wenn er sagt: "Wäre Mario sehr gut, dann wären wir jetzt Champions-League-Sieger."
"Mario wie Gerd Müller"
Vielmehr macht Gomez, wenn er mit seinem durchtrainierten Körper und der perfekt gestylten Haartolle über den Platz trabt, tatsächlich den Eindruck, als könne er es noch besser.
"Mario ist ein Spieler, der in der Bundesliga 40 Tore schießen kann wie Gerd Müller", behauptet Hoeneß. Auch Ehrenpräsident Franz Beckenbauer ist sich sicher, dass "er doppelt so viele Tore schießen könnte" als die 26 Liga-Treffer in der vergangenen Saison.
Gomez ist dabei kein Angreifer wie Messi oder Cristiano Ronaldo. Er läuft oft "weg vom Ball, anstatt hin", sagt Beckenbauer.
Eigentlich kann er es ja
Seine Gefahrenzone ist der Strafraum, dort wartet er, trifft mal sehenswert, mal eher glücklich - aber er trifft. Das Stoßspiel aus dem Mittelfeld, die technisch starken Einzelaktionen, die nötige Defensivarbeit gehören allerdings nicht unbedingt zu Gomez' Lieblingsaktionen - obwohl er sie an sich beherrscht.
Genau darum geht es seinen Kritikern. "Ich muss Mario manchmal ein bisschen ärgern. Er hat ein gewisses Phlegma, das muss man ihm austreiben", verteidigt sich Hoeneß.
Die Kritik von Scholl ("hatte Angst, dass er sich wund gelegen hat") hatte Gomez bei der EM mit zwei technisch äußerst feinen Toren gegen Holland gekontert. Nur durch ähnliche Aktionen wird wohl auch Hoeneß zu überzeugen sein. Und wohl auch nur kurzzeitig.
Mario Gomez im Steckbrief