Endlich raus aus dem Fahrstuhl

Benjamin Wahlen
27. Juni 201323:09
Zum zweiten Mal in vier Jahren: Die Hertha ist wieder erstklassiggetty
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Hertha BSC ist der Fahrstuhlverein der letzten Jahre. Nach dem erneuten Aufstieg versucht man nun, der Fortsetzung dieser Serie mit viel Bundesliga-Erfahrung entgegenzuwirken. Die Hoffnungen der Hauptstadt ruhen dabei vor allem auf Trainer Jos Luhukay, dem Phönix und zwei alten Bekannten.

"Als Fahrstuhlmannschaft werden Vereine im Sport bezeichnet, die häufig zwischen verschiedenen Spielklassen pendeln, das heißt, sie steigen nach einem Aufstieg in eine höhere Liga oft schon bald wieder ab und umgekehrt." So lautet die Definition des Wortes "Fahrstuhlmannschaft" in einer Internet-Enzyklopädie.

Derzeit wird damit kein Verein so treffend beschrieben wie Hertha BSC. Allein in den letzten vier Jahren wechselten die Berliner vier Mal die Spielklasse. In der kommenden Saison heißt es für Trainer Jos Luhukay und seine Mannschaft nun wieder: Erstliga-Fußball.

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Klar ist, dass Berlin 2013/2014 nicht nur gegen den Abstieg, sondern vor allem auch gegen die eigene Serie spielt. Man will endlich Konstanz in die Leistung der Mannschaft bekommen, den Fahrstuhl in der oberen Etage verlassen und sich in der Bundesliga etablieren.

"Die Hauptstadt gehört dauerhaft in die erste Liga", heißt es im Umfeld. "Wir wollen den Fluch endlich los werden und zeigen, dass in Berlin gute Arbeit geleistet wird", heißt es im Management. Luhukay trainiert Berlin erst seit Juni 2012 und beteiligt sich daher nicht an der Fahrstuhl-Diskussion: "Ich bin hier seit einem Jahr Trainer und wir sind aufgestiegen. Alles andere betrifft mich nicht."

Der Trainer spricht lieber über die Stärke seiner Mannschaft und betont, nicht freiwillig die graue Maus zu spielen: "Ich sehe sieben Mannschaften in der 1. Liga, mit denen wir absolut konkurrenzfähig sind. Wir werden alles dafür geben, dass wir am Ende nicht die sind, die unten stehen."

Tor

Neuzugang: Keiner

Abgang: Keiner

Offene Position: Keine

Situation: Im Berliner Tor hält es Trainer Luhukay getreu dem Motto "Never Change A Running System". Thomas Kraft ist seit seinem Wechsel von Bayern nach Berlin die unangefochtene Nummer 1 im Kasten der Hauptstädter. Urgestein Sascha Burchert spielt schon seit 2002 für die Hertha und ist Krafts Backup.

Daran ändert zumindest vorerst auch Philip Sprint nichts. Der talentierte 20-Jährige wurde von Luhukay bereits im letzten Jahr regelmäßig in den Kader der ersten Mannschaft berufen und ist der dritte Mann. Obwohl die Rangordnung der Keeper nicht in Stein gemeißelt ist, wird Thomas Kraft die Saison über zwischen den Pfosten stehen - vorausgesetzt, er bleibt von schlimmen Patzern und Verletzungen verschont.

Seite 1: Torhüter - Never Change A Running System

Seite 2: Abwehr - Zwei alte Bekannte

Seite 3: Mittelfeld - Viel Erfahrung und der Phönix

Seite 4: Sturm - Lasogga oder Ramos oder doch beide?

Abwehr

Neuzugänge: Johannes van den Bergh (Fortuna Düsseldorf), Sebastian Langkamp (FC Augsburg)

Abgänge: Shervin Radjabali-Fardi (Hansa Rostock), Felix Bastians (VfL Bochum)

Offene Positionen: Schon in der 2. Liga probierte Luhukay einige Abwehrvarianten aus. Mit der Verpflichtung von zwei weiteren potentiellen Stammkräften ist der Konkurrenzkampf in der Verteidigung noch größer geworden. Möglich, dass Berlin noch nach einem Backup für Peter Pekarik und die rechte Seite Ausschau hält.

Situtaion: Dass eine stabile Zweitliga-Abwehr in der Bundesliga oft nicht ausreicht, durfte Luhukay schon in Mönchengladbach und Augsburg am eigenen Leib erfahren.

Damit ihm dies in der kommenden Saison nicht erneut widerfährt, hat er die Hertha in der Defensive mit gestandenem Bundesligapersonal verstärkt, das er auf seinen vorherigen Stationen kennengelernt hat.

Johannes van den Bergh spielte schon in Gladbach unter Luhukay und kommt für die linke Seite, auf der Routinier Levan Kobisashvilli dringend Entlastung benötigt. Für die Innenverteidigung wurde Sebastian Langkamp aus Augsburg verpflichtet. Langkamp und Luhukay kämpften schon beim FCA erfolgreich gegen den Abstieg.

Mit der Vertragsverlängerung von Youngster John Anthony Brooks schloss die Hertha eine weitere wichtige Personalie noch vor Beginn der Vorbereitung ab. Brooks spielt ebenso in der Innenverteidigung wie Roman Hubnik , Christoph Janker und der zunächst gesperrte Maik Franz.

Auf den Außenverteidiger-Positionen geht es nicht weniger eng zu. Dort ringen Fabian Holland, Peter Pekarik, Levan Kobiashvili und Johannes van den Berg um die Plätze in der Startelf.

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Mittelfeld

Neuzugänge: Hajime Hosogai (Bayer Leverkusen), Alexander Baumjohann (1. FC Kaiserslautern), Fanol Perdedaj (Lyngby BK, war ausgeliehen), Daniel Beichler (SV Sandhausen, war ausgeliehen)

Abgänge: Daniel Beichler (SK Sturm Graz, war zuvor verliehen)

Offene Positionen: Das Mittelfeld der Hertha ist der am stärksten besetzte Mannschaftsteil. Sollten die Berliner nicht noch über ein echtes Schnäppchen stolpern, sind die Mittelfeld-Planungen nach der Verpflichtung von Hajime Hosogai und Alexander Baumjohann abgeschlossen.

Situation: Ein Jahr nachdem Spielmacher Raffael die Hertha in Richtung Kiew verließ, ist Berlin zurück im Oberhaus. Maßgeblichen Anteil daran hatte sein kleiner Bruder Ronny, der Raffael vor drei Jahren nach Berlin gefolgt war. Für Ronny, dessen erste beide Jahre in Berlin alles anderes als erfolgreich verliefen, erwies sich der Wechsel seines Bruders als Glücksgriff. Kaum hatte Raffael seine Zelte in Berlin abgebrochen, trat Ronny aus seinem Schatten wie Phönix aus der Asche. Mit 18 Treffern und 14 Vorlagen war er nicht nur der Topscorer der 2. Liga, sondern auch der Berliner Aufstiegs-Garant.

Ein weiterer Trumpf in der Hand von Hertha-Coach Luhukay ist sein für einen Aufsteiger ungewöhnlich bundesligaerfahrener Kader. Im Mittelfeld kann der Trainer auf Spieler wie Peer Kluge, Peter Niemeyer, Hajime Hosogai, Marcel Ndjeng und Alexander Baumjohann zurückgreifen, die allesamt über eine stattliche Anzahl von Erstliga-Begegnungen verfügen.

Eine Bank ist besonders das defensive Mittelfeld. Dort kann sich Luhukay sogar eine Dreierreihe mit Kluge, Hosogai und Niemeyer vorstellen. Auf den Außenpositionen sind von Nico Schulz, Marcel Ndjeng und Co. keinesfalls überragende, aber immerhin solide Leistungen zu erwarten.

Deutlich spannender geht es im offensiven Mittelfeld zu, wo die Hertha gleich drei Wundertüten aufzubieten hat. Das größte Fragezeichen steht natürlich hinter Topscorer Ronny. Schafft er den nächsten Sprung und bestätigt seine überragenden Leistungen auch in der Bundesliga? Gleiches gilt für Baumjohann, der in der Bundesliga zwar auch Licht, aber viel mehr Schatten erlebte. Die Hertha ist sein vierter Versuch, sich in der 1. Liga durchzusetzen - vielleicht auch sein letzter.

Die Nummer drei im Bunde ist Änis-Ben-Hatira, der trotz seiner schweren Verletzung in der letzten Saison zu den Leistungsträgern der Aufstiegsmannschaft gehörte. Für eine erfolgreiche Bundesligasaison ist die Hertha auch auf seine Flankenläufe und Dribblings angewiesen.

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Sturm

Neuzugänge: Keine

Abgänge: Marco Djuricin (SK Sturm Graz, war vorher ausgeliehen)

Offene Positionen: Auch der Sturm der Hertha ist für einen Aufsteiger durchaus prominent besetzt. Da Luhukay in der letzten Saison fleißig rotierte und meist mit zwei Stürmern auflief, teilten Sami Allagui, Adrian Ramos und Sandro Wagner die Einsatz-Zeiten unter sich auf, wodurch alle drei zu anständigen Torausbeuten kamen.

Deutlich enger wird es dagegen in der Bundesliga zugehen, weil Berlin vor allem auswärts mit nur einem Stürmer auflaufen könnte und U-21-Nationalspieler Pierre-Michel Lasogga nach seiner langen Verletzungspause in die Startelf drängt.

Situation: Ramos, Allagui, Lasogga und Wagner sind Stürmer, die ihre Klasse auch schon in der ersten Liga unter Beweis gestellt haben. Dementsprechend erheben alle vier den Anspruch, in der Bundesliga auf ähnliche Spielzeiten wie zuletzt zu kommen. Dabei wird es für Luhukay vor allem im Sturmzentrum kniffelig, wo Ramos und Lasogga um einen Stammplatz buhlen. Ramos kann zwar gelegentlich auch auf Außen eingesetzt werden, seinen Stärken als bulliger Strafraumstürmer wird diese Position allerdings nicht gerecht. Im Gegensatz zu Lasogga, der bei seiner Premieren-Saison in der Bundesliga weitestgehend unter seinen Möglichkeiten blieb, hat Ramos schon gezeigt, dass er auch in der ersten Liga für zehn Tore und mehr gut ist.

Da Wagner ebenfalls ausschließlich in vorderster Front agieren kann, bleibt ihm nur die Rolle des Backups. Bereits in der letzten Saison zeigte er jedoch, dass ihn auch seine Funktion als Joker durchaus wichtig für das Team machen kann. Nicht selten fand er von der Bank kommend gut ins Spiel und half, die ein oder andere Partie in der Schlussphase noch zu Gunsten der Hertha zu entscheiden.

Dem Deutsch-Tunesier Allagui könnte seine Flexibilität zu mehr Einsätzen verhelfen. Der 27-Jährige kann auch die Position hinter den Spitzen oder auf der rechten Außenbahn bekleiden. Setzt Luhukay bei Heimspielen auf ein System mit zwei schnellen Außenstürmern, streiten sich Allagui, Ndjeng und Ben-Hatira um die Plätze.

Der fünfte im Bunde ist Ben Sahar. Der Israeli spielt in den Planungen von Jos Luhukay allerdings nur eine untergeordnetere Rolle und wird sich mit Kurzeinsätzen zufrieden geben müssen.

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