Der Hamburger SV treibt den Kaderumbruch voran, hochbezahlte Bankdrücker sollen hochbegabten Perspektivspielern weichen. In der Chefetage fordert man indes trotz leerer Kassen das europäische Geschäft. Dabei bräuchte die Mannschaft vor allem eines - Zeit, um sich zu finden. Die Kaderanalyse zum Hamburger SV.
Der HSV will seinen Kader in diesem Sommer ordentlich ausmisten. Ein Vorgang, den man in den letzten Jahren immer wieder beim Bundesliga-Dino beobachten konnte. Ob Rajkovic, Mancienne, Scharner, Kacar oder Tesche, die Liste einstiger Hoffnungsträger, die zu personae non gratae wurden, ist lang. Bisher konnten lediglich Marcus Berg (ablösefrei nach Panathinaikos), Jacopo Sala (Hellas Verona) und Jeffrey Bruma (zurück zum FC Chelsea) abgegeben werden.
spoxAbgesehen vom Innenverteidiger Johan Djourou, der über Hannover 96 vom FC Arsenal kommt (750.000 €), wurden bisher ausschließlich Perspektiv- bzw. Ergänzungsspieler verpflichtet. Welche Rolle Lasse Sobiech bei den Hanseaten spielen kann, bleibt abzuwarten, seine Chancen auf einen Platz in der ersten Elf stehen aber nicht zuletzt durch den verletzungsbedingten Ausfalls Djourous zunächst gut.
Für den Angriff ist Sportchef Oliver Kreuzer noch auf der Suche nach einem einigermaßen adäquaten Ersatz für Heung-Min Son, den es nach Leverkusen zog. Neuzugang Jacques Zoua und dem Letten Artjoms Rudnevs traut man nicht zu, diese Lücke zu schließen. Und die beiden Angreifer tun bisher wenig, um diesen Eindruck zu revidieren: In der Vorbereitung sind beide bisher gänzlich ohne Treffer.
32 Mann umfasst die Lizenzspielerabteilung des HSV zurzeit. Darunter sind 17 (!) etatmäßige Mittelfeldspieler gelistet, allerdings werden einige der Jüngsten vor allem in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommen. Dennoch zu viel für einen Klub, in dem nicht nur die Sparziele ambitioniert sind. Denn sowohl in der Chefetage als auch in der Mannschaft spricht man trotz allem offen vom Saisonziel Europa.
Torhüter
Zugänge: Keine
Abgänge: Keine
Offene Positionen: Keine
Die Situation: Auf dieser Position erübrigt sich jede Diskussion: Nationaltorwart Rene Adler ist Leistungsträger, Führungs- und Identifikationsfigur der Hamburger und über jeden Zweifel erhaben. Ohne Adler hätte der HSV noch wesentlich mehr Gegentreffer als die 53 der Vorsaison kassiert.
Im Länderspiel des DFB-Teams gegen Ecuador zog er sich jedoch einen Kapseleinriss im Knie zu und wird noch einige Zeit brauchen, um zu alter Stärke zurückzufinden.
In Jaroslav Drobny haben die Hamburger aber eine solide Vertretung in der Hinterhand. Der Vertrag des Tschechen wurde kürzlich um zwei weitere Jahre verlängert, in den bisherigen Testspielen spielte er meist ordentlich.
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Seite 2: Abwehr - Erfahrung fürs Zentrum
Seite 3: Mittelfeld - Der Maestro und seine Entourage
Seite 4: Sturm - Alleskönner gesucht
Abwehr
Zugänge: Johan Djourou (FC Arsenal), Lasse Sobiech (Borussia Dortmund), Jonathan Tah (eigene Jugend), Paul Scharner (war ausgeliehen)
Abgänge: Jeffrey Bruma (FC Chelsea, war ausgeliehen), Janek Sternberg (Werder Bremen)
Offene Positionen: Keine
Die Situation: Die Innenverteidigung war eine der Achillesfersen des HSV in der letzten Saison. Besonders Michael Mancienne war ein stetiger Unsicherheitsfaktor, der zudem deutliche Schwächen im Aufbauspiel offenbarte. Aber auch Kapitän Heiko Westermann unterliefen einige haarsträubende Fehler, sodass Trainer Thorsten Fink den überforderten Abwehrchef schließlich der Kapitänsbinde entledigte. Eine ungewöhnliche Maßnahme, die aber spürbaren Erfolg mit sich brachte.
Mit dem Schweizer Johan Djourou soll Westermann nun ein Partner in der Innenverteidigung zur Seite gestellt werden, der sowohl für die nötige Stabilität sorgen als auch das Spiel nach vorne ankurbeln soll. "Er besitzt Führungsqualitäten, besticht aber auch durch Tempo, Kopfballstärke und seinen sehr guten Spielaufbau", schwärmt Kreuzer.
In Lasse Sobiech haben Westermann und Djourou jedoch ernstzunehmende Konkurrenz im Kader. Zudem soll mit dem 17-jährigen Jonathan Tah ein äußerst vielversprechendes Talent an die Profis herangeführt werden.
Auf den Außenpositionen setzte Thorsten Fink in den bisherigen Testspielen auf Variabilität und experimentierte munter drauflos. Neben den Stammkräften Dennis Diekmeier und Marcell Jansen durften sich dort auch der mittlerweile verkaufte Jacopo Sala, Michael Mancienne und Petr Jiracek versuchen.
Doch gerade hier zeigte sich der HSV in der Vergangenheit auch anfällig. Über die taktischen Vorgaben hinaus offenbarten Jansen und Diekmeier immer wieder Schwächen in der Defensive. Besonders gut war das gegen Anderlecht zu sehen, als letzterer überlaufen wurde und schließlich den Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:1-Ausgleich verursachte. Außerdem ein potenzielles Problem: Fällt Diekmeier mal aus, scheint gleichwertiger Ersatz nicht vorhanden zu sein.
Dazu kommt Dennis Aogo, der bisher mit Wadenproblemen zu kämpfen hatte und nun in die Mannschaft zurück drängt. Der Nationalspieler kann aber, ähnlich wie die zuvor genannten, auch im Mittelfeld auf verschiedenen Positionen eingesetzt werden.
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Mittelfeld
Zugänge: Hakan Calhanoglu (Karlsruher SC), Kerem Demirbay (Borussia Dortmund II), Robert Tesche (war ausgeliehen)
Abgänge: Keine
Offene Positionen: Keine
Die Situation: In Hamburg dreht sich alles um die alternde Nummer 23, Trainer Fink will Rafael van der Vaart in einem 4-2-3-1-System so weit wie möglich den Luxus eines reinen Spielgestalters gönnen. "Ich will, das Rafael weniger läuft, ich will ihn nur noch auf der Zehnerposition hinter der Spitze sehen", sagte er dem "Hamburger Abendblatt". Das bedeutet jedoch einen erheblichen Mehraufwand für den Rest der Mannschaft.
Denkbar ist für Fink auch eine doppelte Acht, in der Neuzugang Hakan Calhanoglu gemeinsam mit dem Holländer das kreative Zentrum besetzt. Offensive Varianten wären beispielsweise eine Raute mit hängender Spitze bzw. eine 4-1-4-1-Formation. Aber auch ein flaches 4-4-2 (mit Calhanoglu auf rechts) könnte Platz für beide bieten, allerdings ist dieses Experiment in der letzten Saison gründlich in die Hose gegangen und wird eher keine Option sein.
Fink jedenfalls hält große Stücke auf den 19-Jährigen Calhanoglu, der in Karlsruhe allerdings auch schon über rechts gekommen ist. Auf lange Sicht ist er aber als Nachfolger van der Vaarts auserkoren und wird daher wohl bevorzugt im Zentrum auflaufen.
Im defensiven Mittelfeld ist Milan Badelj absolut gesetzt, der Kroate ist der heimliche Schlüsselspieler der Rothosen. Besonders als abkippende Sechs ist Badelj eminent wichtig, um den Zusammenhalt der verschiedenen Mannschaftsteile zu gewährleisten. Dazu verfügt er über eine feine Technik, ein exzellentes Stellungsspiel und ein sehr gutes Auge für sich auftuende Räume.
Einen guten Eindruck in der Vorbereitung haben überdies Per Skjelbred, Kerim Demirbay, Ivo Ilicevic und Maximilian Beister hinterlassen, für den Platz neben Badelj bewerben sich vor allem Tolgay Arslan und Tomas Rincon. Insgesamt bleibt aber vor allem abzuwarten, wie schnell sich die blutjungen Talente in der höchsten deutschen Spielklasse zurechtfinden werden.
Vor allem für Robert Tesche und Gojko Kacar scheint hingegen der Zug abgefahren, Thorsten Fink plant die Saison ohne die beiden Mittelfeldmänner. Ihnen wird, ebenso wie Paul Scharner, Michael Mancienne und Slobodan Rajkovic, ein Wechsel nahegelegt.
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Sturm
Zugänge: Jacques Zoua (FC Basel)
Abgänge: Heung-Min Son (Bayer Leverkusen)
Offene Positionen: Keine
Die Situation: Die Lücke, die Heung-Min Son in der Offensive hinterlässt, ist groß. Der Südkoreaner war nicht nur (geteilter) Torschützenkönig der Hamburger, sondern als Außenstürmer auch am Offensivspiel der Hamburger aus dem Mittelfeld heraus beteiligt. Hohe Schnelligkeit, gute Technik, überragende Schusstechnik - die vielen Vorzüge des 20-Jährigen können vom robusten Zoua oder vom kaltschnäuzigen Rudnevs allein nicht kompensiert werden.
Was die Hamburger trotz der Verpflichtung von Jacques Zoua vom FC Basel noch suchen, ist ein Angreifer wie aus dem Bilderbuch. Mitspielend und robust, technisch stark und torgefährlich, all das sollte der neue Torjäger auf sich vereinen. Dass ein solcher Spieler nicht billig wird, liegt auf der Hand. Zuletzt kam man diesem Ideal mit Paolo Guerrero schon recht nah, der den Verein aber vor der letzten Saison verließ.
Bereits in der letzten Saison werkelte Fink an der Systemumstellung von der Raute im 4-4-2 zum 4-2-3-1. Gerade nach dem Abgang von Heung-Min Son dürfte letztere Variante (bzw. in defensiverer Ausrichtung als 4-5-1) künftig wohl häufiger zu sehen sein. Für eine Doppelspitze Rudnevs/Zoua scheint so richtig in keinem System Platz zu sein.
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