"Ich war auch ein schwieriger Fall"

Gertjan Verbeek trainierte in den Niederlanden Heerenveen, Almelo, Feyenoord und Alkmaar
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SPOX: Sie waren in Deutschland ein Unbekannter, als Sie beim Club unterschrieben. Ihre Erfolge in den Niederlanden hat man hier kaum wahrgenommen.

Verbeek: Das finde ich überhaupt nicht schlimm. Ich konnte außer Jürgen Klopp und Pep Guardiola auch nicht alle Bundesligatrainer auswendig aufsagen. Von einigen hatte ich sogar noch nie gehört. Das ist aber auch ein Stück weit normal, wenn man wie ich ausschließlich und so lange in nur einem bestimmten Land gearbeitet hat.

SPOX: Wie wichtig war Ihnen der Schritt ins Ausland?

Verbeek: Ich habe früher oft gesagt, dass ich gerne im Ausland arbeiten möchte, wenn sich die Chance ergibt. Ich verstehe hier die Sprache, auch die deutsche Mentalität spricht mich an. Ich denke, dass ich gut hier her passe.

SPOX: Hatten Sie früher schon einmal die Möglichkeit, Ihr Heimatland zu verlassen?

Verbeek: Als Spieler nicht, doch als Trainer hatte ich schon Angebote aus dem Ausland. Nürnberg ist für mich sozusagen das erste Mal konkret (lacht).

SPOX: Welche Entwicklung erhoffen Sie sich dabei als Trainer?

Verbeek: Holland ist klein. Ich habe dort schon jedes Stadion gesehen und mich in all den Jahren auch weiterentwickelt. Ich erhoffe mir nun in Deutschland, meinen Blickwinkel als Trainer und vor allem auch als Mensch weiter vergrößern zu können. Ich wollte in einer neuen Umgebung arbeiten und dazu auch die deutsche Kultur sowie das Lebensgefühl besser kennenlernen. Ich muss mich jetzt anpassen, niemand muss sich an mich anpassen. Das ist eine tolle Herausforderung.

SPOX: Der 1. FC Nürnberg ist mit zwei Bitten an Sie herangetreten: Sie sollen den Klassenerhalt schaffen und offensiveren Fußball spielen lassen. Wenn der Verein andere Wünsche vorgetragen hätte, wären Sie dann der Falsche gewesen?

Verbeek: Ja, das hätte nicht meiner Denkweise als Trainer entsprochen. In den Gesprächen mit den Verantwortlichen habe ich gesagt, was ich anbieten kann, wie ich über den Verein und den Fußball an sich denke.

SPOX: Beschäftigen Sie sich nun auch mit der Vergangenheit des Clubs, um seiner Identität näher zu kommen?

Verbeek: Es interessiert mich sehr, gerade auch die Entstehungsgeschichte des Vereins und weshalb er beispielsweise der Club genannt wird. Das sind Basis und Herz meines Arbeitgebers und diese Dinge muss ich studieren. Ich weiß aber, dass die Vergangenheit in der sportlichen Gegenwart nicht von Belang ist.

SPOX: In dieser spielt Nürnberg nun tatsächlich einen offensiveren Fußball. Haben Sie die Mannschaft gefragt, wie sie spielen möchte oder muss das eine klare Vorgabe des Trainers sein?

Verbeek: Ich habe mit den Spielern über die Spielweise diskutiert, weil sie ja diejenigen sind, die sie umsetzen müssen. Dennoch ist es auch so, dass ich meinem Auftrag vonseiten des Vereins gerecht werden muss und daher nicht alles über den Haufen werfen kann, sollten die Spieler Dinge anders sehen. Es wurden vor der Saison neue Spieler geholt, die viel Offensivpotential mitbringen. Wir brauchen daher den offensiven Gedanken in unserem Spiel. Wir haben das Spielermaterial dazu. Würden wir uns ausschließlich über die Defensive definieren, entspräche das nicht dem Geist des Kaders. Die Spieler pflichten dem bei, weil es nicht nur ihrem Naturell gut tut, sondern auch viel mehr Spaß macht, offensiv zu agieren.

SPOX: Hat es Sie überrascht, wie schnell das Team den offensiven Gedanken umsetzen konnte - auch wenn weiterhin noch kein Sieg auf der Habenseite steht?

Verbeek: Nein, zumindest war ich nicht total baff. Mir ist aufgefallen, dass die Mannschaft schon vor meiner Zeit trotz eines Rückstands in vielen Partien noch einmal zurückgekommen ist - mit einer offensiven Spielweise. Das Potential schlummert also in dieser Truppe. Ich habe sie gefragt, warum sie nicht gleich von Anfang an so gespielt haben wie nach einem Rückstand, also hoch stehend und zielstrebiger nach vorne.

SPOX: Wie sehr dosieren Sie jetzt noch Ihr Training, damit das Team nicht von zu vielen Neuerungen überfrachtet wird?

Verbeek: Das Basisprinzip ist kommuniziert, aber das größte Problem ist momentan, dass wir dringend Ergebnisse benötigen. Der totale Konkurrenzkampf kann da noch nicht ausgelobt werden, weil ich es mir nicht erlauben kann, zu viele Dinge auszuprobieren. Ich kann in unserer Situation nicht einfach einen anderen Spieler auf einer bestimmten Position testen und schauen, wie er sich schlägt. Das würde möglicherweise die aktuelle Balance der Mannschaft gefährden. Das ist für die Spieler, die momentan auf der Bank sitzen, keine einfache Situation. Diesbezüglich müssen wir uns jetzt einfach in die Winterpause retten. Und dann geht es für alle von Null los.

Gertjan Verbeek im Steckbrief

Seite 1: "Mit 13 Profisportler geworden"

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