SPOX: Herr Verbeek, Sie sind nicht verheiratet, haben dafür aber einen Pflegesohn, der auch Fußball spielt. Seit wann ist das der Fall?
Gertjan Verbeek: Ich habe ihn kennengelernt, als er 13 Jahre alt war und habe ihn zwei Jahre lang in der Fußballschule des SC Heerenveen trainiert. Er heißt Orlando Smeekes. Er war in einer Pflegefamilie, doch da hat es dann nicht mehr so gut funktioniert. So kam er mit 15 in ein Internat, dort lief es letztlich aber auch nicht zufriedenstellend.
SPOX: Daraufhin haben Sie ihn aufgenommen?
Verbeek: Genau. Er hat drei Jahre lang bei mir im Haus gewohnt.
SPOX: Wie gut hatten Sie sich das im Vorfeld überlegt?
Verbeek: Ich habe mir schon gründlich Gedanken gemacht, zumal mein Haushalt ja auf eine Person ausgerichtet war und er in dieser Zeit auch noch durch die Pubertät ging. Zwischen uns hat es aber auf Anhieb gut funktioniert und er hatte damals ja auch keine andere Möglichkeit. Ich bin froh, dass ich ihn durch diese Phase seines Lebens begleiten und ihm helfen konnte. Ich war für meine Eltern damals auch ein schwieriger Fall (lacht).
SPOX: Wie ging es mit Orlando weiter?
Verbeek: Als er 18 wurde, erlosch die Vormundschaft seiner Pflegeeltern und er war rein rechtlich gesehen selbst für sich verantwortlich. Ich habe damals in einem kleinen Dorf im Norden Hollands gewohnt, da war der Hund begraben. Er wollte deshalb in Richtung Westen gehen. Ich habe ihn dann bei Stormvogels Telstar unterbringen können, einem Klub in der 2. Liga. Dort ist er U-21-Nationalspieler geworden, doch er hatte dann wieder einen Rückfall.
SPOX: Inwiefern?
Verbeek: Er hatte in seinem Leben durchgängig mit Problemen zu kämpfen. Er hatte eine Psychose und kam dann für ein halbes Jahr zunächst zu mir zurück. Ich war zu dieser Zeit bereits Cheftrainer bei Heracles Almelo und habe ihn in meiner Freizeit individuell trainiert. Ich bekam ihn wieder so weit, dass er in der 2. Liga untergekommen ist. Seitdem geht es für ihn bergauf. Kurz danach ist er nach Deutschland gewechselt. Er spielte für die Stuttgarter Kickers, Carl-Zeiss Jena und Wehen Wiesbaden, seit der letzten Saison läuft er für Maritzburg United in Südafrika auf. Wir telefonieren jede Woche und wenn er mal Urlaub hat, verbringt er ihn bei mir.
SPOX: Diese Geschichte ist mindestens genauso bemerkenswert wie die Tatsache, dass Sie neben Ihrer Lizenz als Fußballcoach auch Trainerscheine im Judo, Boxen, Leichtathletik und Handball besitzen.
Verbeek: Ich habe schon sehr früh in meinem Leben viele Sportarten ausgeübt. Ich spielte auch Basketball und bin viel geschwommen. Dennoch war es immer mein einziges Ziel, Profifußballer zu werden. Es sah aber zunächst danach aus, dass ich dafür zu wenig Talent mitbrachte.
SPOX: Und deshalb haben Sie sich auf anderen Gebieten umgesehen?
Verbeek: Wenn das nicht geklappt hätte, wollte ich in jedem Fall etwas mit Sport machen. Das ist einfach meine große Leidenschaft. Ich bin dann mit 19 oder 20 auf eine Sportschule gegangen und habe mich dort hinsichtlich der Sportarten breiter aufgestellt. Zu dieser Zeit begann ich mit dem Judo und besitze nun den schwarzen Gürtel im dritten Dan. Auch mit Handball, Volleyball, Sportmassage oder Krafttraining hat es damals angefangen.
SPOX: Ist bei so viel Beschäftigung das Ziel Profifußball nicht auch einmal in den Hintergrund gewichen?
Verbeek: Das nicht, aber ich hatte damals in der Tat im Kopf, vielleicht eine eigene Sportschule zu gründen. Ich hatte neben meinem Studium bereits eine Boxschule in Heerenveen betrieben. Doch zum Glück wurde die Sache mit dem Fußball dann konkreter. Ich musste mich entscheiden, ob ich den Gedanken mit der Sportschule weiterverfolgen soll oder jetzt doch lieber voll auf die Karte Fußball setze. Ich habe dann parallel zu meiner Zeit als Profifußballer auch als Jugendtrainer gearbeitet.
SPOX: Wie viel Zeit blieb denn neben dem Sport für andere Dinge, die man so in seinem Privatleben macht?
Verbeek: Eigentlich gar keine. Ich sage immer, dass ich mit 13 Profisportler geworden bin (lacht). Der Sport war für mich schon ganz früh wie eine Sucht. Ich wollte jeden Tag Sport treiben und trainieren gehen. Das war das, was mir Spaß gemacht hat. Daher war es für mich kein Problem, dass andere Sachen auf der Strecke blieben.
SPOX: Welche Einflüsse haben diese unterschiedlichen Sportarten auf Ihre Denkweise als Fußballtrainer?
Verbeek: Ich habe wie jeder Trainer meine Lizenz beim holländischen Verband erworben, war aber auch auf der Sportschule. Diese Einflüsse stecken in meinem Training. Ich bin auch weiterhin sehr interessiert an anderen Sportarten und tausche mich regelmäßig mit verschiedenen Trainern aus. Daneben lese ich viel, beispielweise über Ernährung und Mentaltraining. Dieser Durst wird auch niemals nachlassen. Ich muss mich ja als Trainer ständig weiter entwickeln, um den Anschluss nicht zu verlieren.
SPOX: In den Niederlanden hatten Sie den Ruf, der Erste auf dem Trainingsgelände zu sein und auch als letztes zu gehen. Auch aus Nürnberg hört man schon Ähnliches. Sind Sie mittlerweile vom Fußball besessen?
Verbeek: Wenn Besessenheit etwas Gesundes bedeutet, dann antworte ich mit ja (lacht).
SPOX: Wie schwer ist es dann für Sie, auch einmal vollkommen vom Fußball los zu lassen?
Verbeek: Mein Problem in Nürnberg ist derzeit, dass ich mein anderes Hobby noch nicht ausüben konnte. Ich fange um 8 Uhr an zu arbeiten, bereite das Training vor und nach, schaue mir Spiele der Nachwuchsmannschaften an und bin rund um die Uhr mit dem Fußball beschäftigt. Momentan ist es schwierig für mich, davon loszulassen.
SPOX: Welches ist denn Ihr anderes Hobby?
Verbeek: Ich bin gerne handwerklich kreativ und habe an meinen freien Tagen in Holland unter anderem ein Holzhaus im Wald gebaut. Wenn ich werkle, muss ich mich darauf konzentrieren. Dann rücken die Gedanken an den Fußball in den Hintergrund. Ich gehe auch gerne joggen, boxen oder Motorrad fahren, doch da denke ich währenddessen an den Fußball.
SPOX: Aber Sie gönnen sich schon auch mal ein gutes Essen in einem Restaurant?
Verbeek: Natürlich. Mit meinen Freunden in Holland, die sich zwar auch für Fußball interessieren, gehe ich auch mal ins Kino gehe oder zum Skifahren. Das passiert jedoch zugegebenermaßen nicht häufig. Richtig abschalten kann ich dabei sowieso nicht.