SPOX: Dennoch hat die Aktie eines Fußballvereins für viele das Image eines Wettscheins.
Treß: Unsere Aktie ist kein Fanartikel, sondern eine Kapitalanlage. Das wurde aufgrund unseres Erfolgs mittlerweile akzeptiert. Es gibt aber weiterhin Menschen, die unsere Aktie wie eine Sportwette betrachten und auch so mit ihr umgehen. Das merkt man daran, dass der sportliche Erfolg häufig eine höhere Auswirkung auf den Kurs hat als ein wirtschaftliches Ergebnis. Das müssen wir einfach akzeptieren und dem Kapitalmarkt auch weiterhin Rede und Antwort stehen. Wenn wir unsere Arbeit weiter verstetigen, wird sich die Aktie auch weiter nach oben entwickeln.
SPOX: Der Sport siegt über die Wirtschaft - glauben Sie, dass sich diese Beobachtung bezüglich des Aktienkurses künftig verändern wird?
Treß: Ja, dazu kann ich Ihnen auch ein Beispiel liefern: Mit Feststehen der Meisterschaften 2011 und 2012 ist der Kurs jeweils deutlich abgeschmiert. Das lag daran, dass plötzlich manche Zocker ihre Aktien auf den Markt geworfen haben und Gewinnmitnahmen für sich realisieren wollten. Sie dachten, dass ja in der Sommerpause nichts mehr passieren wird und wollten daher Kasse machen. Im Unterschied dazu haben Fonds, mit denen wir im Mai rund um das Champions-League-Finale in Luxemburg, Italien und London gesprochen haben, Aktien aufgekauft. Der Kurs konnte somit bis Saisonbeginn bei über drei Euro gehalten werden. Es gibt also auch Investoren, die nachhaltig an unserer Aktie interessiert sind, weil sie sie bezogen auf unsere Ertragskraft auch für zu günstig halten.
SPOX: Ist einem Fußballverein somit zu raten, an die Börse zu gehen oder lieber nicht?
Treß: Es besteht hier eine besondere Problematik. Anders als ein Industrieunternehmen, das mit relativ wenigen Schwankungen zukünftige Wachstumspotentiale aufzeigen kann, ist es für einen Fußballverein nicht möglich, einem Aktionär die Planung sowie mögliche Dividendenzahlungen der nächsten fünf Jahre vorherzusagen. Was die Ergebnisprognosen angeht, ist der Fußball sehr an den sportlichen Erfolg und die Frage gebunden, ob man international spielt oder Transfererlöse realisiert. Die Kontinuität in der Planbarkeit ist also eine vollkommen andere, das macht es für einen Fußballklub schwer an der Börse.
SPOX: Schwer zu durchblicken ist auch, wie die UEFA mit der Einführung des Financial Fairplay umzugehen gedenkt. Spielergehälter und Ablösesummen haben sich in fragwürdige Höhen entwickelt. Denken Sie, dass sich diese Größenordnungen dank FFP in baldiger Zukunft verschieben werden?
Treß: Wenn die UEFA das Financial Fairplay ernsthaft umsetzt, bin ich davon überzeugt, dass russische Oligarchen, amerikanische Milliardäre oder Scheichs nicht mehr ihr Ego auf dem Rücken von Fußballklubs ausleben können und ohne Sinn und Verstand Geld in den Fußball-Kreislauf pumpen. Durch diese externe Befüllung mancher Klubs sind die Transfersummen in die Höhe getrieben worden, weil das Geld ja in Umlauf bleibt. Sobald dem Einhalt geboten wird, werden sich die aktuellen Volumina auch normalisieren. Auf welchem Niveau sie sich dann einpendeln, kann ich Ihnen allerdings nicht vorhersagen.
SPOX: Die Frage wird sein, wie stringent die UEFA vorgehen wird.
Treß: Michel Platini hat seinen Namen stark mit der Umsetzung von FFP verknüpft. Ich glaube aber erst dann daran, wenn Klubs wie Manchester City, der AS Monaco oder Paris Saint-Germain, die aus unserer Sicht gegen das Financial Fairplay verstoßen, auch einmal aus der Champions League ausgeschlossen würden. Dann glauben wir, dass es die UEFA ernst meint. Wenn man sich dagegen wie bisher ausschließlich mit kleineren Klubs wie dem FC Malaga beschäftigt, überzeugt mich das nicht wirklich.
SPOX: Es gibt bislang noch keinen statuarisch festgelegten Strafenkatalog für Vereine, die gegen die Richtlinien des FFP verstoßen. Woran hapert es?
Treß: Die UEFA lässt das noch offen, um erst einmal Erfahrungen mit dieser Thematik zu sammeln und für sich eine eigene Transparenz zu schaffen. Es gilt die Frage zu klären, welche Vorgehensweisen der Klubs verhindert werden müssen. Einen Strafenkatalog zu definieren, ohne zu wissen, welche Auswirkungen dies auch auf die Attraktivität eines Wettbewerbs wie der Champions League hat, wäre unvernünftig. Deshalb wurden nun drei Jahre lang Daten der Klubs gesammelt, um zu sehen, in welche Richtung das läuft und um den Vereinen auch die Möglichkeit zu geben, sich anzupassen und zu professionalisieren. Nun hat man eine gewisse Kenntnis gewonnen und dürfte im nächsten Jahr dann mögliche Sanktionen festlegen.
SPOX: In den meisten Fällen beweisen die Klubs, die von ihren Besitzern finanziell stark unterstützt werden, dass Geld eben doch Tore schießt. Wie könnte man diese Emporkömmlinge vorzeitig ausbremsen?
Treß: Die grundlegende Frage ist immer: Was schafft man eigentlich? Jemanden auszubremsen, weil er etwas aufbaut und Menschen für den Fußball begeistert, wäre a priori nicht sinnvoll. Wenn beispielsweise in Hoffenheim eine eigene Marke und Identität entwickelt würde, die die Menschen begeistert und dazu beiträgt, dass die Stadien gefüllt werden und somit die Attraktivität der Bundesliga ausgebaut wird, dann kann man das nicht als schlecht bezeichnen.
SPOX: Es wird ein Aber geben.
Treß: Natürlich, denn wenn nur Geld in einen Klub gepumpt wird, um ihn durch die Ligen zu schießen, diese Klubs dann aber kaum Fans generieren und Vereine mit breiten Fanbasen zurückgedrängt werden, dann wird der Wettbewerb verschoben und der Fußball verliert an Attraktivität. Zu viele Plastikklubs, die die Menschen nicht auf ihre Seite ziehen können, schädigen den Fußball.
SPOX: Das heißt aber auch, dass der "ideale" Fußballklub nicht unbedingt auf eine jahrelange Tradition zurückblicken müsste.
Treß: Nein, nicht zwingend. Er muss Menschen für das Thema Fußball begeistern, somit die Stadien füllen, einen Mehrwert für die Liga bringen und sich in ökonomischen Gesichtspunkten wettbewerbsangemessen verhalten.
SPOX: Eintracht Frankfurts Vorstandsvorsitzender Heribert Bruchhagen spricht seit Jahren vom zementierten Tabellenbild der Bundesliga und schlägt daher vor, den Verteilungsschlüssel der UEFA zu verändern, damit die kleineren Klubs der Liga einen größeren Anteil bekommen. Aus welcher Warte heraus wird dieser Ansatz von Bayern München und Borussia Dortmund kritisiert?
Treß: Sich das Büßerhemd anzuziehen und zu sagen, wir haben als kleiner Klub gar keine Chance gegen die Großen, kann nicht das Ziel der Veranstaltung sein. Borussia Dortmund hatte in den Jahren der Krise mehr als damit zu kämpfen, ökonomisch und sportlich wieder aufzustehen. Wir haben gezeigt, dass man das kann, wenn man tragende Konzepte entwickelt und sich als Verein professionalisiert. Es ist niemandem verboten, ebenfalls diesen Weg zu gehen. Es gibt noch genügend Klubs, die dazu auch mit einer etwas geringeren Fanbasis als der BVB in der Lage sind. Deshalb ist es auch nicht in Beton gegossen, dass die Verhältnisse in der Tabelle auch in fünf Jahren noch dieselben sind. Man darf dazu nicht verkennen, dass die von der UEFA verteilten Gelder an die Klubs gehen, die auch massiv investieren. Man kann nicht sagen, dass die Einnahmeseite verteilt wird und die Klubs die Ausgabeseite für sich behalten dürfen. Die Gelder sind verursachungsgerecht und nicht nach sozialistischen Überlegungen zu verteilen.
SPOX: Der BVB schlägt dagegen vor, die TV-Gelder nach holländischem Vorbild unter Berücksichtigung des Markenwerts, also der Fanbasis und der Einschaltquoten eines Klubs, zu verteilen. Das wurde aber so verstanden, dass man damit ausschließlich Traditionsvereine stärken möchte.
Treß: Ich drücke es mal etwas härter aus: Tradition an sich ist nichts wert. Es geht darum, dass sich Tradition entwickelt und die Menschen erreicht. Es hilft nicht, dass sich im Namen eines Vereins ein Jahr aus dem 19. Jahrhundert befindet. Der Wert der Bundesliga insgesamt steigt, wenn sehr viele Menschen aus verschiedensten Klubs die Stadien füllen oder sich vor den Fernseher setzen, um diesem Fußball zu folgen. Also befruchtet es mehr, wenn Klubs, die Menschenmassen bewegen, in der Bundesliga vertreten sind. Deshalb sollten die Klubs, die daran arbeiten, ihre eigene Marke zu entwickeln und dadurch zu einem gesteigerten Wert der Bundesliga beitragen, auch einen Nutzen davon haben. Wir wollen den sportlichen Erfolg nicht bei der Verteilung außen vor lassen, sondern die Marken- und Fanbildung miteinbeziehen.
SPOX: Ist es messbar, welchen Beitrag die Klubs zu einem gesteigerten Wert der Bundesliga leisten?
Treß: Ja, beispielsweise durch die Ermittlung von Sympathiewerten, die Anzahl der Auswärtsfans, die Auswertung der Einschaltquoten.
SPOX: Weshalb setzen sich Vereine mit vielen Fans, die in der Tabelle aber weiter unten stehen, nicht deutlicher für eine Einführung dieser Regelung ein?
Treß: Das verstehe ich teilweise auch nicht. Nehmen wir nur als Beispiel Borussia Mönchengladbach oder den 1. FC Köln, die jeweils recht große Fanbasen besitzen. Diese bekommen relativ kleine Anteile ab und haben deshalb nicht die gleichen Möglichkeiten, sich weiter nach oben zu entwickeln. Das sind Klubs, die einen Beitrag für den Wert der Bundesliga leisten, aber unterhalb des Anteils partizipieren, den sie dazu beitragen. Auf der anderen Seite gibt es Klubs mit geringem Fanpotential, die aufgrund wirtschaftlicher Möglichkeiten sportlich oben mitspielen und überproportional partizipieren. Der Wert der Bundesliga steigt, desto mehr Klubs mehr Menschen begeistern - da helfen auch keine 200 Jahre Historie. Unseres Erachtens nach ist es daher nur fair, wenn das ökonomische Konsequenzen hat und sich im Verteilungsmodus widerspiegeln würde.
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