"Ich bin der Innenminister des BVB"

Thomas Treß kommt aus Schwaben, wohnt in Köln und arbeitet in Dortmund
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Thomas Treß ist bei Borussia Dortmund seit 2006 als Chief Financial Officer (CFO) verantwortlich für die Bereiche Finanzen und Organisation. Im Interview spricht Treß über einen Wettbewerb mit dem FC Bayern München, die BVB-Aktie als Fanartikel und den Wert von Tradition.

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SPOX: Herr Treß, können Sie sich noch an den Moment erinnern, als Jochen Rölfs, der damalige Vorstandsvorsitzende der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft "RölfsPartner", die die Sanierung des BVB begleitete, Sie damit beauftragte, das Finanzierungskonzept der Dortmunder Geschäftsführung zu bewerten?

Thomas Treß: Ich weiß noch sehr genau, wie er mich damals zu sich ins Büro bat. Er meinte, er hätte eine neue Aufgabe für mich. Das traf sich ziemlich gut, da ich kurz zuvor ein großes Fusionsprojekt hinter mich gebracht hatte. Rölfs meinte, es handle sich um Borussia Dortmund. Ich antwortete ihm: 'Können Sie da nicht jemand anderen nehmen? Ich habe von Fußball keine Ahnung.' Er meinte, ich müsse das leider machen, da es sich um einen sehr komplizierten Fall handelte.

SPOX: Von da an ging es Schlag auf Schlag.

Treß: Am 14. Dezember 2004 saß ich dann mit dem Präsidenten Dr. Gerd Niebaum zusammen. Er teilte uns mit, dass wir bitte bis Weihnachten ein Sanierungskonzept erarbeiten sollen. Das hat uns einige schlaflose Nächte gekostet. Am 23. Dezember hatte ich abends um 20 Uhr in meinem damaligen Büro in Düsseldorf einen Termin mit einer großen westdeutschen Bank. Dabei erklärte ich, dass das uns vorgelegte Konzept nicht trägt. Ich weiß das deshalb so detailliert, weil ich in der Nacht noch in den Schwarzwald zu meinen Eltern gefahren bin, um Weihnachten zu feiern.

SPOX: Sie hatten bis dato mit Fußball nichts am Hut.

Treß: Genau. Wir sind zu Hause zwar fünf Kinder, aber Fußball hat bei uns einfach nicht stattgefunden. Mein Vater und meine Brüder waren nicht begeistert von diesem Sport.

SPOX: Wie war es denn für Sie beim ersten Mal im Stadion?

Treß: Mein erstes Spiel war ein 1:0-Sieg gegen Werder Bremen in der Saison 2004/2005. Dabei wurde ein Spieler der Bremer vom Rasen getragen und einige Dortmunder Fans haben gejubelt. Ich fand es seltsam, sich darüber zu freuen, dass sich jemand verletzt hatte. Ich hatte gar keine Ahnung, wie so eine Partie genau abläuft.

SPOX: Das wird sich aber zügig gebessert haben, oder?

Treß: Als ich in die Geschäftsführung eintrat, habe ich mir dann genauer erklären lassen, wie das Spiel und die Regeln funktionieren. Der BVB war für mich infektiös, auch der Kopfmensch Treß konnte sich letztlich der Begeisterung des Publikums nicht entziehen. Ich muss allerdings auch sagen, dass ich mich in meiner Funktion nicht in die emotionale Achterbahn des Fußballs setzen kann.

SPOX: Wie konsumieren Sie diesen Sport mittlerweile?

Treß: Ich schaue jetzt auch Spiele ohne schwarzgelbe Beteiligung und gucke mir die Konkurrenten an, wenn ich am Wochenende genügend Zeit habe. Dann liege ich auf der Couch und sehe fern, wie jeder andere auch - zur Verwunderung meiner Familie. Damit versuche ich, mir einen gewissen Dilettanten-Status zu erarbeiten, um nicht ganz blind durch die Gegend zu laufen (lacht).

SPOX: Seit Januar 2006 sind Sie als Chief Financial Officer (CFO) verantwortlich für die Bereiche Finanzen und Organisation. Die breite Öffentlichkeit kennt aber nur Hans-Joachim Watzke, der mit Ihnen die Geschäftsführung bildet. Sie halten sich eher im Hintergrund auf.

Treß: Ich bin quasi der Innenminister des BVB, wenn man so will. Herr Watzke repräsentiert den Verein nach außen. Das ist ganz normal, denn die Menschen lieben Borussia Dortmund wegen des Fußballs und nicht wegen des CFO, der sich um Finanzen und Organisation kümmert. Das ist für die Leute nur dann ein Thema, wenn es ein Problem darstellt. Man sollte in meiner Funktion nicht nach außen drängen. Das käme bei den Menschen auch komisch an. Die meisten Menschen kennen den Finanzvorstand von Bayern München auch nicht.

SPOX: Wie froh sind Sie darüber?

Treß: Mir kommt es gelegen, dass ich mich zurücknehmen kann. Ich habe 13 Jahre lang als Wirtschaftsprüfer gearbeitet und hatte bei allen möglichen Projekten immer eine Funktion im Hintergrund inne. Ich selbst habe nicht das Bedürfnis, mich in den Zeitungen abgebildet zu sehen. Ich genieße es, mein Privatleben privat leben zu dürfen.

SPOX: Borussia Dortmund handelt seit einigen Jahren nach der Richtlinie, den sportlichen Erfolg maximieren zu wollen, ohne neue Schulden aufzunehmen und dazu die Altlasten sukzessive zu tilgen. Wie ist dieses Credo entstanden?

Treß: Anfang 2005, als Herr Watzke Geschäftsführer wurde und ich noch als Berater tätig war, lagen uns mit fast 200 Millionen Euro Schulden desaströse Finanzverhältnisse vor. Der Umsatz lag damals bei 75 Millionen Euro. Wir hatten ökonomisch keine Chance, mit den sechs oder sieben Bundesligisten in Nordrhein-Westfalen oder Klubs wie Bayern und Wolfsburg zu konkurrieren. Deshalb beschlossen wir, in die Infrastruktur der Nachwuchsförderung und Trainingsfacilitäten sowie in die Professionalisierung des Scoutingbereichs zu investieren - und dabei nicht mehr auszugeben als das, was wir einnehmen. Dazu mussten wir die Altlasten bedienen, wir konnten ja keine weiteren Schulden mehr draufsatteln. Wir haben jahrelang von dem Rest gelebt, den uns die Altlasten übrig gelassen haben.

SPOX: Wie sehr ist diese Maxime auch für die kommenden Jahre in Stein gemeißelt?

Treß: Es macht einfach keinen Sinn, sportlichen Erfolg durch Finanzverschuldung zu finanzieren. Das wären Pyrrhussiege, weil man immer einen Scheck für die Zukunft ziehen würde, der irgendwann einzulösen wäre. Das funktioniert in Teilen der Bundesliga nur dann, wenn man ständig massive Steigerungen auf der Erlösseite verzeichnen kann. Man braucht das Geld, das man jedes Jahr verdient, aber auch, um das aktuell laufende Jahr vernünftig zu finanzieren. Das haben wir getan, indem wir die Altlasten eben immer weiter abbezahlt und keine Neulasten aufgebaut haben. Ein Wettbewerb mit Bayern München, beispielsweise auf der Gehaltsseite, wäre fatal, weil man dann wieder Schecks für die Zukunft ziehen müsste. Wer zu sehr zockt, treibt die Risiken in nicht vertretbare Höhen.

SPOX: Den BVB belasten mit Stand zum 30. Juni noch 45,3 Millionen Finanzverbindlichkeiten. Bis wann werden diese getilgt sein?

Treß: Die Laufzeiten sind in unseren Geschäftsberichten für alle transparent einzusehen. Aus den bestehenden Kreditfazilitäten ist der letzte Euro 2026 zu zahlen. Das wird auch so lange dauern. Wir hätten zwar ab 2016 die rechtliche Möglichkeit, innerhalb von drei Monaten alles abzubezahlen - wenn wir wollen und können. Schnelles Schuldentilgen macht aber keinen Sinn, wenn man deshalb den sportlichen Bereich vernachlässigt.

SPOX: Borussia Dortmund ist immer noch der einzige Fußballverein Deutschlands, der an der Börse notiert ist. Die Leistungsbilanz der Aktie liest sich allerdings kläglich. Weil der Kapitalmarkt nicht auf den Schuldenabbau und die Umsatzsprünge reagiert hat?

Treß: Das muss man anders betrachten. Der Ausgabekurs im Oktober 2000 lag bei elf Euro, derzeit stehen wir bei 3,80 Euro. Wenn man bedenkt, dass man 2004 und 2006 vor und im Rahmen der Restrukturierung für 2 bis 2,50 Euro substanzielle Kapitalerhöhungen vorgenommen hat, liegt der durchschnittliche Ausgabekurs bei 4,98 Euro. Zu unserer Anfangszeit lag er bei 1,80 Euro. Im Verhältnis zu heute haben die Leute, die sich damals engagiert haben, Geld verdient.

SPOX: Da die meisten Aktionäre unter den genannten 4,98 Euro und auch unterhalb des Ausgabekurses gezeichnet haben?

Treß: So ist es. Wir haben gezeigt, dass wir den BVB durch Professionalisierung des Geschäftes sportlich und ökonomisch nach vorne gebracht und somit Wert geschaffen haben. In den ersten Jahren hat die Börse das nicht goutiert, da wurde unsere Strategie belächelt. Auch als wir 2011 Meister wurden, fragte man uns auf Kapitalmarktkonferenzen unterschwellig, wann wir die Hütte wieder anzünden und Schulden machen würden. Seit rund zwei Jahren sind Vertrauen und Interesse allerdings stark gestiegen. Uns erreichen viele Anfragen und es gibt mehr interessierte Zuhörer, auch Fonds, die bei uns investiert sind.

Seite 1: Treß über sein Desinteresse am Fußball und Dortmunds Schulden

Seite 2: Treß über die BVB-Aktie und den "idealen" Fußballklub

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