"Ich möchte immer noch Stürmer sein"

Jochen Tittmar
28. März 201418:25
Mitch Langerak kam nach dem Abgang von Routinier Marc Ziegler im Juli 2010 zum BVBgetty
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Mitch Langerak spielt seine vierte Saison bei Borussia Dortmund, ist beim BVB aber weiterhin Ersatztorhüter hinter Roman Weidenfeller. Der 25-Jährige über seine Jugend am australischen Strand, das Schicksal eines Torhüters und einen Anruf mitten in der Nacht.

SPOX: Herr Langerak, der Fußball in Australien ist in der Vergangenheit immer populärer geworden. Es gibt aber weiterhin eine Vielzahl an Sportarten wie beispielsweise Cricket, die mit dem Fußball konkurrieren. Wie sind Sie denn überhaupt zum Soccer gekommen?

Mitch Langerak: In der Gegend, in der ich aufwuchs, hat jeder Rugby gespielt - einschließlich mir. Fußball war nicht besonders beliebt. Ich weiß auch nicht wieso, aber ich habe Fußball schon immer gemocht. Ich war der einzige Fußballer meines Dorfes und habe ständig für mich alleine gespielt. Es gab zunächst einfach kein Team, dem ich mich hätte anschließen können.

SPOX: Haben Sie neben Rugby und Fußball noch andere Sportarten ausprobiert?

Langerak: Natürlich, ich habe alles versucht. Fußball war zunächst gar nicht meine Nummer eins. Am häufigsten habe ich Cricket gespielt. Ich bin auch gesurft und auch zum Schwimm-Training gegangen.

SPOX: Und irgendwann wurde dann endlich ein Fußball-Team gegründet?

Langerak: Genau, da war ich dann acht Jahre alt. Das war aber alles andere als intensiv. Wir hatten mittwochs Training und nur alle vier Wochen ein Spiel. Das waren die besten Samstage, die es für mich gab. Ab dann ging es so richtig mit Fußball los.

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar mit BVB-Keeper Mitch Langerakspox

SPOX: Sie sind letztlich in einem verschlafenen Nest an der Küste namens Bundaberg aufgewachsen. Was ging dort ab?

Langerak: Ich hing ständig am Strand herum, manchmal sogar noch vor der Schule. Nach der Schule wurde dann meistens gekickt. Sobald die Möglichkeit bestand, am Strand zu sein, haben das meine Kumpels und ich wahrgenommen. Wir haben dort ganze Wochenenden verbracht und Sport getrieben. Einfach nur am Strand zu chillen war nicht unser Ding. Ich traf in Bundaberg übrigens zum ersten Mal Deutsche, da es viele Backpacker dorthin verschlug.

SPOX: Ihre ersten Gehversuche als Fußballer absolvierten Sie noch als Stürmer, erst als 12-Jähriger sind Sie ins Tor gerückt. Wieso eigentlich, die meisten Kinder wollen doch lieber im Angriff oder zumindest im Feld spielen?

Langerak: Ich möchte immer noch Stürmer sein, daran hat sich seit meiner Kindheit nichts geändert (lacht). Anfangs wollte ich eben wie alle anderen derjenige sein, der die meisten Buden macht. Als Stürmer merkte ich mit der Zeit, dass ich häufig in die Bälle hineingesprungen bin und daran eine große Freude hatte. Mir tat es auch nicht weh, wenn ich dann auf dem Boden landete. Wenig später stand ich im Tor. Daraufhin entdeckte man mich und ich spielte in einer Auswahlmannschaft.

SPOX: Wie haben Sie damals zu Ihrer Jugendzeit eigentlich professionellen Fußball verfolgt?

Langerak: Es ist nicht schwer, die Partien der europäischen Spitzenteams in Australien anzuschauen. Ich habe das getan, seit ich zehn war. Vier oder fünf meiner Kumpels waren zusammen mit mir wirklich fußballverrückt. Wir haben uns ständig bei einem der Jungs zuhause getroffen und sind um vier Uhr morgens aufgestanden, um die Champions-League-Spiele zu schauen. Danach ging es direkt in die Schule. So machen es meine Eltern und Freunde übrigens immer noch, wenn der BVB spielt.

SPOX: Mit 17 sind Sie im Zuge Ihres Wechsel zu Melbourne Victory dann erstmals in eine Großstadt gezogen. Wie groß war der Schock?

Langerak: Ich war im Vorfeld schon unsicher, ob ich als relaxter Kerl aus der Kleinstadt die Umstellung bewältigen würde. Ich hatte ja keine Ahnung, wie es dort zugehen wird. Die Befürchtungen waren aber schnell für die Tonne. Nach etwas mehr als einer Woche habe ich mich in Melbourne richtig wohl gefühlt. Ich verstand mich mit meinen Teamkollegen sofort wunderbar und hatte dort drei richtig tolle Jahre. Melbourne ist mittlerweile mein zweites Zuhause geworden.

SPOX: Nach diesen drei Jahren wechselten Sie zum BVB. Wie lief es damals ab, als Sie vom Interesse der Dortmunder hörten?

Langerak: Mein Berater hat gute Verbindungen zu einem Berater in Deutschland. So kam überhaupt erst der Kontakt zustande. Ich habe dann aus dem Nichts mitten in der Nacht, es war 2 oder 3 Uhr morgens, einen Anruf meines Beraters bekommen. Ich war schon halb eingeschlafen, aber er rief aus Deutschland an und ihm war die Zeitumstellung wohl egal. Er meinte, dass Dortmund viele Videos von mir gesehen und Interesse habe.

SPOX: Wie haben Sie reagiert?

Langerak: Ich war ja im Halbschlaf und das Telefonat dauerte nicht lange. Ich habe im Grunde nur ein paar Mal "Ja, alles klar, cool" gesagt und aufgelegt. Als ich dann morgens aufgewacht bin, erinnerte ich mich unscharf daran und dachte nur: Ist das jetzt wirklich passiert? Ich habe dann tatsächlich auf mein Handy schauen müssen und konnte sehen, dass ich wirklich mitten in der Nacht einen Anruf angenommen habe. Ich rief trotzdem sofort zurück und ließ mir das noch einmal bestätigen.

SPOX: Gab es für Sie zuvor bereits Möglichkeiten, nach Europa zu wechseln?

Langerak: Das schon, aber es war einfach noch zu früh und für mich nicht der richtige Zeitpunkt, um die Zelte schon abzubrechen. Erst als ich vom Dortmunder Interesse hörte, war für mich klar, dass ich alles unternehmen werde, um zum BVB zu wechseln. Ich bin ja beinahe ausgeflippt (lacht).

SPOX: Es war nicht so einfach für die Borussia, Sie aus Melbourne loszueisen.

Langerak: Ja, es hat letztlich zwischen vier und acht Wochen gedauert, bis der Deal in trockenen Tüchern war. Es bedurfte einiger intensiver Gespräche zwischen den Klubs sowie zwischen meinem Berater, mir und Melbourne. Ich habe mich auch selbst darum bemüht, bin auf Präsident, Sportdirektor und Trainer zugegangen und habe ihnen meine Beweggründe geschildert. Ich liebte es in Melbourne, aber bei einem der größten europäischen Klubs zu unterschreiben, war eine einzigartige Gelegenheit für mich. Die konnte ich unmöglich verstreichen lassen.

SPOX: Melbourne liegt über 16.000 Kilometer Luftlinie von Dortmund entfernt. Sie sind zunächst ganz allein nach Deutschland gekommen. Fühlten Sie sich anfangs sehr einsam?

Langerak: Es war natürlich eine vollkommen andere Welt für mich, in vielerlei Hinsicht. Mein Glück war, dass es kurz nach meiner Ankunft sofort ins Trainingslager ging. Dort wurde ich von der täglichen Arbeit einerseits abgelenkt, andererseits konnte ich mich so Schritt für Schritt an die neue Umgebung gewöhnen.

SPOX: Es gab ja aber auch eine Zeit nach dem Training.

Langerak: Klar, das war etwas anderes und blieb erst einmal richtig ungewöhnlich. Es dauerte sicherlich länger, bis es sich anders anfühlte, nach dem Training nach Hause zu kommen und dort nur Stille vorzufinden. Ich lebte damals auch noch in einem ziemlich ruhigen Teil von Dortmund. Das war durchaus nicht einfach für mich, ich war das aus Australien natürlich überhaupt nicht gewohnt. Mittlerweile wohnt meine Freundin bei mir und es könnte uns kaum besser gehen.

SPOX: Wie lief es mit den täglichen Erledigungen?

Langerak: Das war anfangs auch nicht leicht. Ich konnte den Großteil meiner Post nicht lesen und war zunächst auch im Supermarkt überfordert, weil ich ja nicht wusste, wie die Lebensmittel heißen, wo sie zu finden sind und so weiter. Bananen habe ich aber problemlos finden können (lacht).

SPOX: Ihre erste Begegnung mit Schnee?

Langerak: Das erste Mal war eine völlig verrückte Erfahrung, das kann man einem Europäer kaum beschreiben. Einmal hat es vor dem Training geschneit, so dass die Oberfläche des Rasens ganz leicht mit Schnee bedeckt war. Ich war damals felsenfest davon überzeugt, dass das Training auf jeden Fall abgesagt wird. Es lag ja Schnee auf dem Feld (lacht). Das ist echt abgefahren, wenn ich jetzt daran zurückdenke.

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Mitch Langerak im Steckbrief

SPOX: Sie sagten einmal, Sie wären auch der schlechteste Autofahrer im Team gewesen?

Langerak: Ja klar, das Auto hatte ja auch plötzlich das Lenkrad auf der anderen Seite und dann war auch noch Rechtsverkehr. Es war für die Teilnehmer am Straßenverkehr in meinen ersten zwei Wochen nicht ungefährlich, wenn ich mich auf die Strecke gewagt habe. Einmal bin ich solange in einer Fußgängerzone gefahren, bis mir signalisiert wurde, dass ich dort nichts verloren habe. Ich musste dann quasi auf dem Dortmunder Marktplatz umdrehen.

SPOX: Der Australier gilt als sehr relaxter Zeitgenosse, wohingegen der Deutsche als sehr ernst wahrgenommen wird. Hatten Sie Probleme mit der deutschen Lebensart?

Langerak: Probleme würde ich nicht sagen. Ich musste mich einfach daran gewöhnen, wie die Deutschen an viele Sachen herangehen. In Australien herrscht sehr viel Selbstironie, wenn etwas schief geht. Man lacht dann darüber und kümmert sich nicht großartig, es ist einfach egal. Das ist in Deutschland natürlich anders, aber ich mag das. Deshalb hat die deutsche Gründlichkeit in der Welt ja auch einen solch hervorragenden Ruf. SPOX

SPOX: Welcher Mannschaftskollege würde am ehesten als Australier durchgehen?

Langerak: Das kann nur Neven Subotic sein. Bei ihm merkt man den amerikanischen Einschlag und der unterscheidet sich nicht wahnsinnig vom australischen. Wir machen sehr viele Witze über uns, da sind wir doch ziemlich ähnlich. Aber auch Marco Reus wäre ein perfekter Australier, er ist sehr gechillt.

SPOX: Sie haben in Dortmund eine ganz neue Trainingsintensität kennengelernt. Wie sind Sie damit umgegangen?

Langerak: Wir haben auch in Australien hart trainiert, aber das Niveau in Dortmund war dennoch um ein Vielfaches höher. Hier wird viel häufiger trainiert und man lernt, ständig ans Training und das nächste Spiel zu denken. Das war in dieser Form genauso neu für mich, wie dass wir vor den Spielen immer in ein Hotel fahren. Was das reine Torwarttraining angeht, habe ich in Deutschland noch einmal eine Schippe im Kraftraum draufgelegt, um einfach robuster zu werden.

SPOX: Mittlerweile sind Sie seit vier Spielzeiten in Dortmund. Es stehen acht Bundesligaspiele, sechs DFB-Pokal-Partien und zwei Auftritte in der Champions League zu Buche. Die reinen Zahlen sind jetzt nicht unbedingt hoch. Wie schwer ist es für Ihre Psyche, sich ständig auf die Spiele vorzubereiten und am Ende doch den Großteil der Zeit auf der Bank zu sitzen?

Langerak: Das ist natürlich nicht immer so leicht, weil man als Fußballer doch immer spielen möchte. Aber das gehört zum Schicksal eines Torhüters dazu. Ein Stürmer, der nicht von Anfang an ran darf und dann aber in den letzten zehn Minuten eingewechselt wird, hat zumindest die Möglichkeit, sich einigermaßen regelmäßig zu zeigen. Ich bin aber mit meinen Einsatzzeiten zufrieden, gerade mit den bislang sieben Pflichtspielen in dieser Saison. SPOX

SPOX: Ist es immer eine spontane Entscheidung, ob Sie auflaufen dürfen oder wird Ihnen vor der Saison eine bestimmte Anzahl an Partien garantiert?

Langerak: Nein, es gab noch nie feste Absprachen in dieser Hinsicht. Wenn Roman Weidenfeller verletzt ist, spiele ich. Ansonsten obliegt es dem Trainerteam zu entscheiden, ob sie im Tor einen Wechsel vollziehen möchten. Bei fünf meiner sieben Spiele saß Roman ja auch auf der Bank. Ich habe in diesen Partien dann einfach eine Chance bekommen, um Spielpraxis zu erhalten und mich zu präsentieren.

SPOX: Ihr Torwarttrainer Teddy de Beer hat gegenüber SPOX einmal erklärt, dass es nicht die Frage sei, ob, sondern wann Sie die Nummer eins beim BVB werden. Wie schwierig ist es mittlerweile, geduldig zu bleiben?

Langerak: Ein Torhüter muss warten, das gehört in den allermeisten Fällen einfach dazu. Davon ist man nie befreit, selbst als Nummer eins nicht. Ich warte daher weiterhin auf meine Chance und versuche, ein immer besserer Torhüter zu werden und mich in jeder Hinsicht weiter zu entwickeln. Es war mir vollkommen klar, dass der Weg in Dortmund nicht leicht sein wird. Deshalb ist es jetzt auch nicht schwerer für mich als in meiner Anfangszeit. Ich habe die Situation total angenommen und dabei wird es auch bleiben. Ich bin wirklich glücklich beim BVB, auch als Nummer zwei.

SPOX: Ihr Vertrag läuft 2016 aus, Weidenfeller wird dann 36 Jahre alt sein. Sind Sie davon überzeugt, sein Nachfolger zu werden?

Langerak: Ich will Dortmunds Nummer eins werden, das steht außer Frage. Das ist das Ziel. Ich arbeite darauf hin, dass der Trainer eines Tages davon überzeugt ist, mich ins Tor zu stellen. Ob das in fünf Tagen, fünf Wochen oder überspitzt ausgedrückt in fünf Jahren sein wird - es liegt einzig an mir.

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SPOX: In Ihren Worten schwingt auch eine große Begeisterung für den Verein Borussia Dortmund mit. War Ihnen anfangs klar, wie sehr dieser Klub in der Stadt gelebt wird?

Langerak: Nein, ich konnte das erst einmal nicht ganz verstehen, wie die Menschen hier diesem Fußballverein begegnen. So etwas kannte ich überhaupt nicht. Man muss nur einmal ein, zwei Tage in dieser Stadt verbringen, dann springt einem dieser ansteckende Enthusiasmus förmlich ins Gesicht. Ich bin verliebt in diesen Klub. Das hat der Trainer ja auch schon einmal stellvertretend für uns alle gesagt, aber jetzt nach fast vier Jahren ist es für mich nicht übertrieben, das zu behaupten. Ich bin einfach sehr stolz, ein Teil dieses Vereins zu sein und das schwarzgelbe Trikot tragen zu dürfen.

SPOX: Wie begegnet Ihnen Ihre alte Clique in der Heimat mittlerweile?

Langerak: Ganz normal, wie früher auch. Ich habe mich als Typ kein Stückchen verändert. Ich werde von den Kumpels oder meinen Kollegen bei der Nationalmannschaft aber auch gefragt, wie es denn möglich ist, dass in Dortmund zu jedem Heimspiel 80.000 Zuschauer kommen.

SPOX: Wie lautet dann Ihre Antwort?

Langerak: Ich sage immer, sie sollen hier mal vorbeikommen und sich das anschauen, dann werden sie es schon verstehen (lacht). SPOX

SPOX: Kurzfristig stehen Ihre Chancen, die Nummer eins zu werden, im Nationalteam besser als in Dortmund. Sie haben für die Socceroos debütiert, der neue Coach Ange Postecoglou hat bei seinem ersten Spiel aber Mathew Ryan vom FC Brügge den Vorzug gegeben. Wie sehen Ihre Perspektiven Richtung Weltmeisterschaft aus?

Langerak: Wir haben noch nicht viel miteinander gesprochen, da ja bislang nur ein Spiel unter ihm stattfand. Das ist für mich auch in Ordnung soweit, auch wenn ich natürlich gerne gespielt hätte. Die Karten bis zur Weltmeisterschaft werden jetzt neu gemischt und ich hoffe natürlich, dass ich bis dahin die Nase vorne haben werde.

SPOX: Australien hat eine echte Todesgruppe erwischt, es geht gegen Spanien, die Niederlande und Chile. Wenn die Socceroos weiterkommen, wird sicherlich ein neuer Nationalfeiertag eingerichtet?

Langerak: Gut möglich, es würden zumindest alle vollkommen am Rad drehen. Es wäre nun aber wahnsinnig zu behaupten, dass wir die Gruppe überstehen werden. In Brasilien möchten wir der Welt zeigen, dass die Australier auch professionellen Fußball spielen können und wir einige Spieler in unseren Reihen haben, die in großen europäischen Klubs spielen. Es wird jedem Einzelnen viel bringen, sich dort mit den besten Teams der Welt zu messen.

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