"Ich hing der Zeit hinterher"

Jochen Tittmar
24. März 201422:03
Christoph Metzelder absolvierte in seiner Karriere 178 Bundesliga- und 47 Länderspieleimago
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Am Ende der vergangenen Saison beendete Christoph Metzelder seine aktive Karriere. Nun ist der ehemalige Nationalspieler vielfach engagiert. Im Interview vor dem 144. Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 (Di., 20 Uhr im LIVE-TICKER) spricht Metzelder über die Probleme mit der Zeit danach, teils fremdbestimmte Spieler innerhalb des Fußball-Kosmos und die Brisanz seines Wechsel als Ex-Dortmunder zu den Knappen.

SPOX: Herr Metzelder, nach Ihrem Karriereende als Spieler sind Sie sofort ins Arbeitsleben eingestiegen. Sie sind Experte bei "Sky", Geschäftsführer einer Sportmarketingagentur, Vize-Präsident bei der Vereinigung der Vertragsfußballspieler (VdV) und leiten Ihre eigene Stiftung. Wieso nicht erst einmal eine Auszeit?

Christoph Metzelder: Eine längere Auszeit war für mich nie ein Thema, das entspricht einfach nicht meinem Naturell. Meine Interessen waren schon immer breit gefächert und dazu arbeite ich auch sehr gerne. Es war also die logische Konsequenz, nach der Karriere die Dynamik der letzten Jahre weiter zu nutzen. Auch da habe ich mich neben dem Fußball schon vielfältig engagiert.

SPOX: Ihre Engagements sind sehr zeitintensiv. Geht die Reiserei nicht irgendwann mal an die Substanz?

Metzelder: Sie kostet Zeit und durchaus auch Kraft, das stimmt. Ansonsten empfinde ich das nicht als Belastung. Es ist ein vielfältiges Arbeiten und als Quereinsteiger in der Werbebranche gilt es, viel zu tun. Deshalb versuche ich, so viele Termine wie möglich wahr zu nehmen.

SPOX: Sie bezeichnen sich als Multifunktionär, was angesichts Ihrer vielen Projekte durchaus nachvollziehbar ist. Wieso fahren Sie nicht eindimensionaler?

SPOX-Redakteur Jochen Tittmar traf Christoph Metzelder bei seinem Heimatverein TuS Halternspox

Metzelder: Ich habe das auf diese Weise schon immer gebraucht, nur eine Sache hat mich nie komplett ausgefüllt. Ich gehe gerade mein zweites Berufsleben an und schlage neue Wege ein. Ich bin ehrgeizig und möchte bei den Dingen, die ich jetzt mache, genauso erfolgreich sein wie ich es als Sportler sein durfte.

SPOX: Ihre 2006 gegründete Stiftung befasst sich hauptsächlich mit Bildungsprojekten. Wie nehmen Sie Kinder und Jugendliche wahr, die mehr mit Smartphone und "Facebook" als mit Schulbüchern aufwachsen?

Metzelder: Ich bin völlig anders groß geworden, aber diese Zeiten sind unwiederbringlich vorbei. Entwicklungen wie das Internet oder Smartphones kann man Kindern einfach nicht mehr vorenthalten. Das sind Bestandteile des normalen Lebens geworden, teilweise auch der schulischen Ausbildung. Wenn ich aber die Arbeit innerhalb meiner Projekte betrachte, sehe ich Kinder, die trotz aller Probleme aufmerksam sind und ihre Aufgaben mit einer großen Lebensfreude angehen - und dort muss der Hebel angesetzt werden.

SPOX: Welche Probleme sind das?

Metzelder: Diese Kids kommen aus sozial schwierigen sowie bildungsfernen Milieus und bekommen zu Hause oder in ihrem direkten Umfeld wenig Unterstützung. Wenn ich etwas an der "jungen Generation" kritisiere, dann sind es eher diejenigen, die vom familiären Background her alles mitbringen und mit diesen Privilegien fahrlässig umgehen.

SPOX: Ihr Anliegen ist es, dass irgendwann der Bildungserfolg nicht mehr über die soziale Herkunft definiert wird. Halten Sie das wirklich für ein realistisches Ziel?

Metzelder: Es ist mit Sicherheit ein hehrer Gedanke. Auch in Zukunft wird es Unterschiede geben. Dennoch ist es unsere Pflicht als Gesellschaft zu versuchen, diesen Menschen zumindest dieselben Startchancen zu geben. Deswegen ist Kinder- und Jugendarbeit auch Familien- und Stadtteilarbeit. Wir gehen mit unseren Projekten direkt in die Stadtteile und holen die Kinder dort ab. Unsere Erfahrungen im Bildungsbereich zeigen, dass bei individueller Unterstützung signifikante Erfolge zu sehen sind.

SPOX: Ein weiteres Projekt ist Ihr Heimatverein TuS Haltern, den Sie unterstützen. Im vergangenen August haben Sie dort sogar ein Comeback in der Landesliga gefeiert. Nach 28 Minuten mussten Sie aber verletzt ausgewechselt werden und haben seitdem kein Spiel mehr absolviert. Wieso nicht?

Metzelder: Das wird wohl der erste und einzige Einsatz gewesen sein (lacht). Auch in der Landesliga macht es nur Sinn, wenn man regelmäßig trainieren kann. Da gilt für mich dasselbe Leistungsprinzip wie überall sonst auch. Ich bin jedoch so viel unterwegs, dass ich unter der Woche kaum trainieren kann. Ich versuche aber, bei den Spielen am Wochenende als Fan dabei zu sein und unterstütze die A-Jugend als Co-Trainer.

SPOX: Im Amateurfußball herrscht noch eine gewisse Ursprünglichkeit vor, auch was das Funktionieren einer Gemeinschaft angeht. Ist es auch das, was Sie nach all den Jahren im Fußball-Geschäft daran reizt?

Metzelder: Es ist schon bemerkenswert, mit welchem Zusammenhalt, welcher Begeisterung und Leidenschaft die Jungs, die tagsüber studieren oder arbeiten, ihrem Hobby nachgehen. Natürlich wollen auch sie Spiele gewinnen, aber das hat nichts mit diesem geschäftlichen Ernst zu tun, den man aus dem Profifußball kennt. Wenn ich überlege, über welche Themen wir uns als Profis in der Kabine unterhalten oder gemeckert haben! Diese ursprüngliche Freude des Amateurfußballs geht dort leider verloren.

SPOX: Lässt sich der Charme, dem man im Amateurfußball begegnen kann, heutzutage gar nicht mehr zumindest ansatzweise in den Profifußball implementieren?

Metzelder: In dem Moment, wo ein Beruf daraus wird und Gelder fließen, lässt sich das in dieser Form schlichtweg nicht mehr aufrecht erhalten.

SPOX: Steckt man als Aktiver so sehr in einer andersartigen Welt fest, dass es vielen im Anschluss daran schwer fällt einzusehen, dass die Rolle als Fußballer endlich ist?

Metzelder: Welcher 20-Jährige möchte sich denn damit beschäftigen? In diesem Alter denken die wenigsten daran, was mit 35 ist. Das ist also etwas, das man als Spieler immer vor sich her trägt und so lange es geht hinauszögert. Die Frage ist: Wie bereiten sich Fußballer auf den zweiten Lebens- und Berufsabschnitt vor, der ja deutlich länger ist als eine Fußballkarriere?

SPOX: Wie lautet Ihre Antwort?

Metzelder: In meinen Augen für den größten Teil mangelhaft.

SPOX: Wie kann man es besser machen?

Metzelder: Es beginnt schon mal mit der erwähnten Einsicht, dass der Job als Profifußballer definitiv zu Ende gehen wird.

SPOX: Dessen sollte sich aber doch ein jeder bewusst sein?

Metzelder: Klar, aber es will sich eben niemand damit beschäftigen. Die VdV bietet beispielsweise nachfußballerische Karriereplanung an. Das nehmen aber nur diejenigen in Anspruch, die wissen, dass das Geld, das sie in ihrer Karriere verdienen, nicht ausreicht, um davon die nächsten 50 Jahre leben zu können. Die existenzielle Frage 'Wie bilde ich mich weiter?' stellt sich für einen Zweit- oder Drittligaspieler schon während der Karriere - und für den Bundesligastar erst dann, wenn es nicht mehr weiter geht.

Seite 1: Metze über Amateurfußball-Romantik und das Thema "Karriere danach"

Seite 2: Metze über die Eigenheiten des Fußball-Kosmos und fremdbestimmte Spieler

Seite 3: Metze über die Brisanz des Schalke-Wechsels und eine dankbare Verletzung

SPOX: Wie sind Sie mit diesem Thema für sich umgegangen?

Metzelder: Ich habe mich frühzeitig und aus freien Stücken entschieden, meine Karriere zu beenden. Dennoch ist es ein durchaus schmerzhafter Prozess, sich von dem, was einen seit seiner Kindheit begleitet und antreibt, zu lösen.

SPOX: Weil einem der Fußball-Kosmos, in dem man jahrelang eingeschlossen war, den Blick verstellt?

Metzelder: Es ist eine in sich geschlossene Welt, die mit der Lebenswirklichkeit nichts zu tun hat. Die Ablösesummen und Gehälter steigen weiter an, es scheint für den Fußball keine Konjunktur zu geben. Es handelt sich um ein total überhitztes Geschäft, in dem keiner bereit ist, sich zu beschränken. Das ist Angebot und Nachfrage in absoluter Extremform. Wenn wir zum Beispiel die Personalkosten des FC Bayern nehmen und davon ausgehen, dass sie durch Neuverpflichtungen oder Vertragsverlängerungen zukünftig tendenziell höher werden, dann stellt sich schon die Frage, wie das dauerhaft weitergehen soll. SPOX

SPOX: Wie wirkt dieses Gebilde auf den Einzelnen? Hat man in jungen Jahren überhaupt eine Chance, sich dieser Maschinerie zu entziehen?

Metzelder: Schwierig. Man gerät dort früh hinein und wächst damit auf. Es ist für einen 20-Jährigen unglaublich schwer damit umzugehen, plötzlich Einkommensmillionär und von heute auf morgen prominent zu sein. Vor allem dann, wenn es das klassische Regulativ, zum Beispiel Familie und Freunde, nicht mehr gibt. Was soll ein Vater seinem Sohn sagen, der plötzlich das Hundertfache verdient und von 60.000 Zuschauern im Stadion bejubelt wird?

SPOX: Hängt das auch damit zusammen, dass man als Mensch in der Öffentlichkeit seine Freiheit abgibt und - sofern man sie wiedererlangt - Probleme kriegt, mit dem veränderten Blickwinkel klar zu kommen?

Metzelder: Das ist der entscheidende Punkt. Wenn man die Fußball-Generationen der letzten 30, 40 Jahre anschaut und sich fragt, wer seine Fußballzeit überdauert und eine gewisse Relevanz erreicht hat, sind das gefühlt zwei Leute pro Generation. Und was ist dann mit dem Rest, was macht der? Es kann sehr frustrierend sein, mit Anfang 30 zu erkennen, dass man die beste und erfolgreichste Zeit seines Lebens eigentlich hinter sich hat. Das gibt es in einer "normalen" Berufskarriere nicht, die läuft normalerweise langsamer, aber dafür linear.

SPOX: Ist die Fremdbestimmtheit mancher Spieler, die eine Armada an persönlichen Beratern um sich scharen, eine Gefahr?

Metzelder: Die Fremdbestimmtheit fängt bereits mit dem Verein an. Wann Training und sonstige Termine stattfinden, wird ja vom Klub vorgegeben. Dazu kommt der persönliche Beraterstab. Es wird von allen Seiten alles dafür getan, dass man sich auf seinen Beruf konzentrieren kann. Die Vereine wollen am Ende auch keine Persönlichkeiten ausbilden, die man mit Anfang 30 ins Berufsleben entlässt. Sie wollen in dem Zeitraum, in dem ein Spieler unter Vertrag steht, die bestmögliche Leistung für den Verein bekommen - und das ist auch vollkommen legitim. Eine ganzheitliche Berufsausbildung liegt nicht im primären Interesse eines Klubs.

SPOX: Heutzutage werden Spieler einerseits zu Marken stilisiert, andere werden dagegen von Ihren Vereinen regelrecht abgeschoben. Der Spieler verkommt zur Ware. Halten Sie das für bedenklich?

Metzelder: Es ist eine Gefahr, wobei sich das Mitleid auch in Grenzen hält. Ich habe das lange genug selber gemacht, ich war Teil des Business. Das Schmerzensgeld, das man dafür bekommt, ist enorm. So nüchtern muss man das letztlich betrachten.

SPOX: Wie beobachten Sie die Entwicklung, wie sich Spieler in der Öffentlichkeit äußern? Es wird ja häufig nur sehr pauschal geantwortet.

Metzelder: Die Medienbranche hat in den letzten fünf Jahren unter anderem durch die sozialen Netzwerke eine dramatische Wendung genommen. Das berührt natürlich auch die Protagonisten. Es ist nicht mehr wie früher, dass nur Sportjournalisten die öffentliche Meinung prägen. Mittlerweile kann quasi jeder frei äußern, was er will. Das ist gerade für einen jungen Menschen problematisch. Die Spieler wissen, wie das Geschäft funktioniert und verhalten sich sehr vorsichtig - so kann dann kaum eine gehaltvolle Aussage herumkommen.

SPOX: Wann mussten Sie ganz besonders darauf achten, was Sie sagen?

Metzelder: Das Lustige ist, mir fällt durch meine Arbeit bei "Sky" in den Antworten der Spieler auf: Ich habe in meinen 13 Jahren als Profi selbst viel weichgespültes Zeug erzählt (lacht). Man hinterfragt und limitiert sich als Spieler letztlich selbst in dem, wie man sich zu bestimmten Themen äußert. Das Wohl des Vereins stand immer über der eigenen Meinung.

SPOX: Ist es in der heutigen Zeit wie manchmal behauptet wird möglich, alles auszublenden, was über einen geschrieben wird?

Metzelder: Nein, das ist reine Utopie. Wenn ich zu meiner Anfangszeit die Tageszeitungen nicht gelesen habe, konnte ich mich vielleicht von Meinungen und Kritik frei machen. In einer Zeit, in der sich Spieler auch als digitale Marken präsentieren, ist dem ungefilterten Feedback nicht mehr zu entkommen. Es ist eine fatale Vorstellung zu denken, man könne in den sozialen Netzwerken Themen vorgeben oder nutzen, die negativen Aspekte aber nicht mitbekommen. Je mehr ich preisgebe, desto heftiger wird die Kritik, wenn es nicht so läuft. SPOX

SPOX: Was Ihrer Zeit jedoch gleich war wie heute, ist der Druck, der auf einem Leistungssportler lastet. Sie sagten, dass Versagensängste Ihre gesamte Laufbahn begleitet hätten. Wie fühlt sich Druck an?

Metzelder: Es ist dieselbe Anspannung und Nervosität, die man zum Beispiel vor einer wichtigen Prüfung hat. Das steigert sich beim Fußballprofi sukzessive zum Spiel hin. Und das ist auch notwendig, um die bestmögliche Leistung zu bringen. Ich amüsiere mich häufig - weil ich das auch selbst so geäußert habe -, wenn es in Interviews vor einem Spiel gegen einen hochkarätigen Gegner heißt: 'Wir können es genießen und haben nichts zu verlieren'.

SPOX: Inwiefern?

Metzelder: Es geht im Sport um Sieg und Niederlage. Entweder gewinnen wir - oder die! Entweder gewinne ich den Zweikampf oder mein Gegenspieler. Wenn man wie jetzt die Schalker gegen Real Madrid spielt und im Gang neben dir stehen Cristiano Ronaldo und Gareth Bale, dann hat das nichts mehr mit Genießen zu tun. Dann weißt du, dass du eine Topleistung bringen musst, um diese Spieler stoppen zu können.

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SPOX: Wie sehr hing die Befürchtung, Fehler zu machen, auch damit zusammen, dass Sie nach Ihrer zweijährigen Verletzungspause dem Ideal hinterher rannten, so gut wie vor der Blessur sein zu müssen?

Metzelder: Ich hing sicherlich der Zeit hinterher, in der ich mit 21 Jahren Meister sowie Vize-Weltmeister geworden bin. Ich dachte auch, dass ich dieses Niveau sofort wieder spielen könne. Deshalb war ich erst einmal erschrocken, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist und alle auf mich gewartet haben. Der Fußball und die Konkurrenz haben sich in den zwei Jahren weiterentwickelt. Ich hatte wirklich Mühe, wieder auf das Leistungsniveau zu kommen. Für mich war es schmerzhaft zu merken, dass ich vielleicht nie mehr in diesen Zustand der Leichtigkeit kommen werde, in dem Dinge fast wie von alleine laufen.

SPOX: Erschrocken war man 2010 auch in Dortmund, als Sie von Real Madrid zum FC Schalke 04 gewechselt sind. Was haben Sie denn mit Ihrer BVB-Vergangenheit im ersten Moment gedacht, als Schalke auf Sie zukam?

Metzelder: Das Kuriose ist, dass sich die Wege von Schalke und mir schon vor diesem Wechsel sehr häufig gekreuzt haben. Ich war dort ein Jahr in der B-Jugend, in der A-Jugend wollten sie mich zurückholen und in meinem ersten Seniorenjahr bei Preußen Münster haben sie mich beobachtet. Ich weiß, dass sich Rudi Assauer bis heute darüber ärgert, dass fünf, sechs Leute damals zu keiner einhelligen Meinung kamen und ich dann nach Dortmund gegangen bin. Auch als 2005 mein Vertrag beim BVB auslief, rief Manager Andreas Müller wieder an.

SPOX: Erst Felix Magath schaffte es, Sie zurück zu holen.

Metzelder: Er kam noch zu Wolfsburger Zeiten zu mir nach Madrid und wir sprachen miteinander. Er ging dann zum S04 und meldete sich erneut. Ich wollte nach meiner Zeit in Spanien zu einem Klub wechseln, bei dem ich sportlich wieder eine wichtige Rolle einnehmen durfte. Und Felix Magath wollte mich unbedingt haben. Das war mir das Risiko wert, auf der einen Seite Gräben aufzureißen und auf der anderen nie zu hundert Prozent anzukommen.

SPOX: Haben Sie sich damals auch Ratschläge eingeholt, ob Sie diesen Schritt wirklich gehen sollen?

Metzelder: Nein, ich habe Entscheidungen dieser Dimension immer allein getroffen. Ich gebe zu, dass ich ein wenig die romantische Vorstellung hatte, es als Kind aus dem Ruhrgebiet doch zu schaffen, mir den Respekt sowohl der Dortmunder als auch der Schalker zu verschaffen.

SPOX: Wie fällt Ihr Fazit im Nachhinein aus, ist Ihnen das gelungen?

Metzelder: Zum Teil. Ich glaube, viele Dortmunder sagen mittlerweile: Schwamm drüber. Und der Großteil der Schalker hat respektiert, dass ich auch für Schalke alles gegeben habe. Außerdem habe ich Raul nach Gelsenkirchen geholt (lacht). Mehr war unter dem Strich auch nicht zu erreichen.

SPOX: Auf Schalke hatten Sie vom Start weg einige Teile der Fanszene gegen sich. Sie waren damals Feindbild sowohl bei den Dortmundern als auch bei den Schalkern. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Metzelder: Ich hatte zwei Dinge unterschätzt, weil ich sie zu diesem Zeitpunkt einfach nicht mehr auf dem Schirm hatte. Das war zum einen die T-Shirt-Aktion nach dem Derbysieg 2007, als wir mit dem BVB den Schalkern die Meisterschaft verdorben haben.

SPOX: Man konnte damals auf den Homepages von Roman Weidenfeller, Sebastian Kehl und Ihnen T-Shirts mit dem Aufdruck "Meister der Herzensbrecher" kaufen...

Metzelder: Keiner von uns hatte das initiiert. Die Web-Agentur, die unsere Homepages betreut hat, ließ diese T-Shirts damals drucken und vertreiben. Wir wussten davon nichts. Daraufhin hieß es: Wir verderben den Schalkern die Meisterschaft und machen uns dann auch noch lustig über sie. Wir haben dann die Verkäufe gestoppt. Das wurde mir nach meinem Wechsel zu Schalke aber zur Last gelegt.

SPOX: Was war die zweite Geschichte?

Metzelder: Es gab ein Shooting für den BVB-Fanartikelkatalog, bei dem Spieler und Anhänger die Rollen gewechselt haben. Dabei wurde ein Bild gemacht, wie ein paar Spieler aus unserem Team in Fanutensilien gehüllt auf der Südtribüne standen. Ich hatte wohl eine Jeans-Kutte der Dortmunder Ultra-Gruppierung "The Unity" an. Das war mein Outfit für das Shooting, ich zog es an, wir machten die Fotos und fertig. Die Schalker Anhänger sagten mir deshalb eine Nähe zu den BVB-Ultras nach.

SPOX: Wie bitter war diese Erfahrung für Sie?

Metzelder: Das hat mich natürlich getroffen, zumal ich in den ersten Spielen für Königsblau auch keine guten Leistungen gezeigt habe. Alles fokussierte sich extrem auf mich. Das war eine harte Zeit. Ich habe aber nie lamentiert, sondern versucht, bessere Leistungen zu bringen.

SPOX: Das erste Aufeinandertreffen für Sie als Schalker mit dem BVB fand gleich am 4. Spieltag statt. Sie fehlten aber wie schon ein paar Tage zuvor in der Champions League wegen muskulären Problemen. Gab es die wirklich?

Metzelder: Ja, die Kernspinaufnahmen zeigten einen Muskelfaserriss.

SPOX: Wie froh waren Sie darüber?

Metzelder: Ganz ehrlich?

SPOX: Klar!

Metzelder: Niemand verletzt sich gerne, aber ich war froh. Das Spiel ging 1:3 verloren und der Unmut hätte sich mit Sicherheit im großen Maße gegen meine Person gerichtet.

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