Mit der Verpflichtung von Thomas Schaaf ist Eintracht Frankfurt eine Überraschung gelungen. Die SGE sieht im 53-Jährigen den perfekten Erfüllungsgehilfen für das präferierte Konzept - es gibt aber auch noch einige Probleme und Vorbehalte.
Beim Pokalfinale in Berlin drängelte sich die Bundesligaprominenz nur so auf der Tribüne. Fast alle waren gekommen, um dem Abschluss einer bemerkenswerten Saison beizuwohnen und sich vielleicht auch noch ein wenig abzuschauen von den beiden besten deutschen Mannschaften.
Einer der nicht da war, war Bruno Hübner. Eigentlich hatte Eintracht Frankfurts Sportdirektor den Termin fest eingeplant. Vor ein paar Wochen hatte sich der 53-Jährige das alles so schön ausgemalt. Aber jetzt, wo die Saison gerade einmal ein paar Tage vorbei ist, stand Hübner ziemlich unter Druck.
Die Suche nach einem Trainer und in Folge dessen auch nach neuem Personal zog sich schon seit Wochen hin und nicht wenige im Umfeld der Eintracht wurden längst nervös. Rund ein Dutzend Namen wurden genannt, einige heiße Spuren waren darunter und andere nur haltlose Gerüchte.
Thomas Schaaf war ganz schnell eine ganz heiße Spur, ehe sie fast ebenso schnell wieder erkaltet schien und der Name des ehemaligen Bremer Trainers wochenlang nicht mehr in Erscheinung trat. Am Mittwochmorgen gegen 11 Uhr gab Eintracht Frankfurt dann quasi aus dem Nichts die Verpflichtung eines neuen Trainer bekannt: Die von Thomas Schaaf.
Warum dauerte die Trainersuche so lange?
Als Armin Veh im Sommer 2011 verpflichtet wurde, ging der Deal blitzschnell und ohne großes Rumpeln über die Bühne, auch die Presse stocherte lange im Trüben. Als Veh im Frühjahr seinen Abschied angekündigt hatte, wurden wöchentlich neue Wasserstandsmeldungen über die verschiedenen Kandidaten abgegeben, das Casting lief öffentlich und die Eintracht machte während der gesamten Zeit nicht immer die glücklichste Figur.
Dass gerade in der unmittelbaren Nachbarschaft in Mainz unter ähnlichen Voraussetzungen - auch der FSV wusste seit Monaten von Thomas Tuchels Vorhaben, am Saisonende aufzuhören; hatte aber durch die deutlich bessere Platzierung früher eine gewisse Planungssicherheit - im Handumdrehen ein neuer Trainer gefunden wurde, macht die Lage nur noch brisanter. "Das ist nicht fair, Mainz hatte viel länger als wir Planungssicherheit und wusste, welcher Liga es nächste Saison angehört", verteidigte sich Hübner.
Bis Mittwoch war Frankfurt der einzige Bundesligist, der für die kommende Saison ohne Trainer da stand. Hübner verwies zurecht auf die Tatsache, dass seine Mannschaft noch bis Mitte April vom Abstieg bedroht gewesen sei und es keine Planungssicherheit für einen potenziellen Nachfolger von Veh gegeben habe. Eine nachvollziehbare Erklärung, die aber nicht darauf eingeht, was in den Wochen danach alles passiert ist.
Nachdem unmittelbar nach Vehs Bekanntgabe einige Namen - darunter auch der von Schaaf - gehandelt wurden, schien die Eintracht mit Roger Schmidt schon handelseinig. Es soll eine mündliche Zusage des Trainers von Red Bull Salzburg gegeben haben. Den lockte dann aber die Aussicht auf mehr Gehalt und die Teilnahme an der Champions League und Schmidt entschied sich für Bayer Leverkusen.
Seit Schmidts Absage Ende April hing die Eintracht in der Luft. Die Nachfragen wurden bohrender, die Zeit für Hübner und Vorstandschef Heribert Bruchhagen immer knapper. Dabei sollen beide unterschiedliche Lösungsmodelle präferiert haben.
Während Roberto di Matteo als Hübners Favorit galt, soll Bruchhagen Bernd Schuster favorisiert haben. Neben den längst wieder verworfenen Kandidaten Bruno Labbadia, Andre Breitenreiter oder Franko Foda rückten zuletzt Thorsten Fink und am Sonntag auch Murat Yakin sowie Frank Kramer in den Fokus.
Da soll die Entscheidung für Schaaf aber längst schon gefallen sein. Nachdem Hübners Favorit Di Matteo vergangenen Mittwoch erneut eine ihm gesetzte Frist verstreichen ließ und es dem Sportdirektor schwante, dass Di Matteo die Eintracht offenbar auch dazu benutzte, sich bei anderen Interessenten zu positionieren (Tottenham und Basel sind interessiert), schwenkte Hübner um und nahm den Kontakt zu Schaaf wieder auf.
Im Frühjahr waren die Gehaltsvorstellungen Schaafs mit denen der Eintracht kaum kompatibel, nun erfolgten offenbar schrittweise die entscheidenden Annäherungen. "Wir haben in Person von Bruno Hübner mit mehreren Personen gesprochen, um uns einen Eindruck zu machen. Ich bin fest überzeugt, dass wir am Ende eine gute Wahl getroffen haben", sagte Bruchhagen am Wochenende bereits vielsagend. "Wer sich mit den Möglichkeiten der Eintracht identifiziert, der wird es. Das Bild ist noch nicht rund", sagte Hübner.
Am Dienstagabend gab es den Durchbruch, wenige Stunden später ließ die Eintracht die Bombe platzen. Keine einzige der ansonsten gut informierten Redaktionen, die rund um die SGE berichten, hatte noch mit Schaaf gerechnet. Hübner und Bruchhagen, die davor scharf in der Kritik standen, haben es tatsächlich geschafft, aus ihrem ehemaligen einen aktuellen Wunschtrainer zu machen und den Deal geräuschlos abzuwickeln.
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Was passiert nun auf dem Transfermarkt?
Das große Problem war bis Mittwoch, dass ohne einen feststehenden Trainer auch die Planungen am Kader auf Eis liegen mussten. Ohne die entsprechende Absprache mit dem neuen Übungsleiter kann kein Verein ernsthaft Spieler verpflichten. Ab sofort kann die Eintracht mit Hochdruck und in Absprache mit dem neuen Trainer an den dringend benötigten Transfers arbeiten.
Bisher stehen lediglich Aleksandar Ignjovski (Werder Bremen) und der Mainzer A-Jugendliche David Kinsombi als Zugänge fest. Nur der SC Freiburg hat bisher noch weniger Spieler verpflichtet, die Breisgauer konnten oder wollten bisher noch keinen neuen Spieler bekanntgeben.
Auf der anderen Seite muss die Eintracht aber mit einem enormen Aderlass leben, den es aufzufangen gilt. Mit Kapitän Pirmin Schwegler (1899 Hoffenheim), Sebastian Jung (VfL Wolfsburg) und Antreiber Sebastian Rode (Bayern München) verlassen drei Leistungsträger den Klub.
Die ausgeliehenen Tobias Weis (1899 Hoffenheim) und Marvin Bakalorz (SC Paderborn) sollen nicht gehalten werden. Anders sieht es bei Joselu aus.
Den Spanier würde Frankfurt gerne halten, von Joselus Klub Hoffenheim gäbe es dafür wohl grünes Licht. Nur hat auch der VfB Stuttgart mit Neu-Trainer Veh starkes Interesse am Torjäger, der in der abgelaufenen Saison mit neun Toren in 24 Bundesligaspielen gefährlichster Frankfurter Angreifer war.
Auch um Tranquillo Barnetta gibt es noch Rätselraten. Der Schweizer muss nach seiner Leihe eigentlich zum FC Schalke 04 zurückkehren, die Eintracht wollte sich bisher aber noch nicht festlegen, ob sie sich um die Dienste Barnettas weiter bemühen will. Jan Rosenthal, Stefano Celozzi oder Stephan Schröck dürfen wohl gehen, wenn sie einen passenden Verein finden.
Derzeit sind fünf oder sechs Verpflichtungen geplant, sagt Hübner. Frankfurt kann dabei allenfalls im mittleren Preissegment fischen, der Lizenzspieleretat soll mit rund 30 Millionen Euro für die kommende Saison eher im hinteren Drittel aller Bundesligisten liegen.
Hübner nennt bisher keine Namen, vom Augsburger Kevin Vogt ist die Rede, aber da ist der 1. FC Köln schon längst dran und besitzt beste Chancen auf eine Verpflichtung. Timothy Chandler von Absteiger Nürnberg ist ein Kandidat, der in Frankfurt ausgebildete Rechtsverteidiger wäre der Ersatz für Jung und kostet wohl eine Million Euro Ablöse.
In diversen Medien werden zudem Makoto Hasebe (Nürnberg), Daniel Caligiuri (Wolfsburg) oder Aaron Hunt (Bremen) genannt. Eine zusätzliche Hürde gibt es aber für Spieler, die die Eintracht nur behutsam an den Profibereich heranführen will oder kann: Frankfurt hat sich aus Kostengründen für die Abschaffung seiner U 23 entschieden, sie fällt als Auffangbecken für Talente oder verletzte Spieler, die sich nach und nach wieder an den Wettkampf gewöhnen müssen, ab der kommenden Saison weg. Neben Zugang Kinsombi könnte es auch mittelfristige Sicht auch für Talent Marc-Oliver Kempf noch zu einem Problem werden.
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Was ist von Schaaf zu erwarten?
Der Abgang von Veh bedeutete auch, dass die Eintracht das Gesicht der letzten (erfolgreichen) Jahre verliert. Bruchhagen hat sich medial deutlich zurückgezogen - ohne aber bei bestimmten Themen doch gerne auch vorzupreschen. Hübner ist eher der stille Arbeiter im Hintergrund, der stets zuverlässig und loyal dem Trainer gegenüber seine Arbeit verrichtet hat.
Nicht nur der Boulevard will einen Konflikt zwischen Bruchhagen und Hübner ausgemacht haben. "Machtspiele um den neuen Trainer", beschreibt die "Sport-Bild" am Mittwoch den angeblichen Zwist, den Bruchhagen mit den Worten "das ist komplett falsch" aber abwiegelt.
Dass Bruchhagen im März den Abgang von Veh voreilig angekündigt hatte, ohne den Gremien - und Hübner - vielleicht doch noch Zeit zu geben, den Trainer noch einmal umzustimmen oder im Hintergrund mit einem entsprechenden Plan B an die Öffentlichkeit gehen zu können, hat viele Beobachter verwundert.
Zumal die Eintracht-Führung Veh im Wintertrainingslager noch davon abgehalten hatte, seine Entscheidung zu verkünden. Veh hatte sich daran gehalten und wurde dann wie einige andere auch von Bruchhagen überrascht.
Hübner muss sich ohne seinen Vertrauten Veh neu positionieren im Klub. Auch wenn der ehemalige Trainer einige Dinge an Hübner vorbei und in Absprache mit Bruchhagen getroffen hat, war das Verhältnis zwischen beiden doch immer bestens und Hübner ein treuer Erfüllungsgehilfe von Veh und dessen Wünschen.
Mit der Entscheidung für Schaaf hat Eintracht Frankfurt mehr eingekauft als "nur" einen neuen Trainer. Mit Schaaf kommt auch die Erinnerung an jahrelange Erfolge an einem vergleichbaren Standort nach Frankfurt. In Bremen hat Schaaf zusammen mit Klaus Allofs mit eher bescheidenen Mitteln eine Meisterschaft, drei Siege im DFB-Pokal und fünf Champions-League-Teilnahmen in Folge geschafft.
Der 53-Jährige ist auch über die Stadtgrenzen von Bremen hinaus zu einer Ikone geworden, die für Attribute wie Zuverlässigkeit, Loyalität und Bescheidenheit steht. Die Vorzeichen stehen gut, dass nicht Bruchhagen oder Hübner, sondern Thomas Schaaf das neue Gesicht des Klubs werden könnte.
Es gibt aber auch Vorbehalte. In den letzten Jahren hat Schaaf in Bremen keine Lösungen mehr für eine ganze Reihe von Problemen gefunden. Wenn Hübner nun wie auf der Pressekonferenz bei Schaafs Vorstellung nochmal betont, dass die Eintracht "mutigen, offensiven und attraktiven Fußball spielen wolle und an den spektakulären Fußball des letzten Jahres anknüpfen" wolle, ist das eine Wunschvorstellung - aber noch kein greifbares Konzept.
"Thomas passt in das Profil, das wir erstellt haben, sagte Hübner noch. Er stehe für Kontinuität, aggressiven Fußball, Talentförderung, Erfolg und habe eine gewisse Menschlichkeit. Wenigstens zwei der genannten Vorzüge waren bei Schaafs altem Arbeitgeber zuletzt nicht mehr so klar zu erkennen.
Der Schaaf-Fußball in Bremen war zuletzt zwar immer noch mutig, aber nur noch selten spektakulär und am Ende schon gar nicht mehr erfolgreich. Die fehlende Durchlässigkeit junger Spieler aus dem eigenen Stall zu den Profis war ein großes Problem in Bremen, das nicht umsonst in Schaafs letzten Monaten und nach seinem Abgang zu tiefgreifenden Änderungen im Klub geführt hat.
Mit Schaaf, der sein altes Trainerteam aus Bremer Zeiten mit nach Frankfurt bringen darf mit Co-Trainer Wolfgang Rolff, Matthias Hönerbach sowie Torwarttrainer Michael Kraft, ersteigert Frankfurt auch gleich ein Konzept mit. So scheint zumindest die Hoffnung des Klubs.
Das birgt immer auch Gefahren. Es zeigt sich in den letzten Jahren immer wieder, dass jene Klubs in ihrem Rahmen erfolgreich sind, die selbst eine klare Unternehmensstruktur definiert und das Personal entsprechend ausgesucht haben. Momentan lebt das Frankfurter Konzept von ein paar schönen Schlagworten. Es ist nun an Thomas Schaaf und seinem Team, diese auch mit Leben zu füllen.
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