SPOX: Zu HSV-Zeiten sagten Sie einmal, sie würden nie wieder einen Bundesliga-Klub trainieren. Wie oft wird Ihnen dieses Zitat noch um die Ohren geworfen?
Veh: Das hatte ich mal aus einer Laune heraus gesagt, das sollte man nicht zu ernst nehmen.
SPOX: Aber wie kam es dazu?
Veh (lacht): Vielleicht haben Sie mich in dem Moment wieder geärgert. Nein im Ernst: Das war in einer Saison, in der es nur Streitereien im Verein gab. Das hatte mit Fußball nichts mehr zu tun. Das war nur noch Theater, das ganze Jahr, von Anfang an. Nicht meine Person betreffend, sondern zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und so weiter.
SPOX: Haben Sie damals an Rücktritt gedacht?
Veh: Ich habe dem Klub schon früh gesagt: "So kann man nicht arbeiten." Es tut mir im Herzen weh, wenn dieser tolle Klub mit dieser tollen Stadt so an die Wand gefahren wird.
SPOX: Kommen wir zurück zu Ihrer Person. Sie sagten einmal, manchmal bräuchte es im Umgang mit Mannschaft Druck und Härte, manchmal das genaue Gegenteil. Woran erkennt man als Trainer, was man anwenden muss?
Veh: Das lernt man durch Erfahrungswerte. Im Normalfall sollte man seine Spieler immer schützen. Aber es gibt einzelne Situationen, in denen man andere Umgangsformen braucht. Zum Beispiel wenn ein Spieler nur an sich selbst denkt und die Mannschaft außen vor lässt. Dann ist es vielleicht auch mal nötig, ihn öffentlich darauf hinzuweisen, dass Fußball ein Mannschaftssport ist. Wenn jedoch die Mentalität im Team stimmt, dann sollte sich ein Trainer vor seine Mannschaft stellen. Die meisten Jungs heute sind in Ordnung, sie sind professioneller als früher. Wir waren damals noch größere Schlawiner (lacht).
SPOX: Wie meinen Sie das?
Veh: Man sagt ja immer: "Früher war vieles besser." Aber die Jungs heutzutage befassen sich mehr mit dem Beruf, als es damals der Fall war. Wir hatten mehr Flausen im Kopf, das können sich die Profis heutzutage gar nicht leisten.
SPOX: Gab es für Sie zu Ihrer Zeit als Spieler mal eins auf die Mütze?
Veh (lacht): Natürlich nie. Weil nie jemand davon erfahren hat.
SPOX: Spaß beiseite. Wie geht man beispielsweise als Trainer damit um, wenn das eigene Team sieben Spiele hintereinander in der Schlussphase noch herschenkt, wie letzte Saison in Frankfurt? Wie diagnostiziert man das Problem und wie löst man es?
Veh: Das war schon ein Mysterium. Ich habe mich selbst dabei ertappt, dass nach dem vierten oder fünften Mal beim Blick auf die Anzeigetafel dachte: "Oh mein Gott, jetzt kommt die ominöse 86. Minute. Hoffentlich passiert jetzt nichts mehr." Obwohl ich wusste, dass es blödsinnig war. Bei uns hing das Problem mit der Dreifachbelastung zusammen. Wir waren heiß darauf, im Europapokal weit zu kommen. Es war klar, dass uns der Umgang damit schwerfallen würde, da kaum ein Spieler darin Erfahrung hatte. Deshalb bin ich ruhig geblieben.
SPOX: War es also ein Kopfproblem? Oder, genauer gesagt: Geistige Erschöpfung durch die ungewohnt hohe Belastung?
Veh: Ja, aber nicht ausschließlich. Wir waren auch physisch nicht ganz auf der Höhe, in der Vorbereitung haben wir womöglich etwas zu wenig gemacht. Im Winter wurde dann anders trainiert. Das sind Dinge, die man als Trainer selbst beeinflussen kann. Andere Aspekte sind nur schwer zu ändern, wenn sie beispielsweise mentaler Natur sind.
SPOX: Nach der Zeit in Frankfurt sind Sie nach Stuttgart zurückgekehrt. Armin Veh, der Meistertrainer. Die Fans hoffen auf eine sportliche Wende. Wie nehmen Sie die traditionell hohe Erwartungshaltung in Stuttgart wahr?
Veh: Damit kann ich gut umgehen. Bei großen Klubs mit großer Anhängerschaft ist das überall gleich. Mir ist wichtig, dass ich die Mannschaft in aller Ruhe kennenlerne. Erst dann werde ich formulieren, was notwendig und was möglich ist. Ich kenne die Konkurrenz und kann mich selbst gut einschätzen. Aber man muss auch nicht immer genau sagen, wo man steht. Sonst kann man auch keine Überraschung schaffen.
SPOX: Eine Überraschung war der Abschied von Rani Khedira, der im Widerspruch zum gerne zitierten "Stuttgarter Weg" zu stehen scheint. Gab es denn keine Möglichkeit ihn zu halten?
Veh: Ich kann das nicht beurteilen, da ich in diese Personalie noch kaum involviert war. Das haben vor allem diejenigen bewertet, die Rani über die letzten Jahre begleitet haben. Aber er forderte mehr Einsatzzeit und die hat man ihm letztendlich dadurch ermöglicht, dass man ihn gehen ließ.
SPOX: Wie steht es um die anderen Nachwuchstalente? Robin Yalcin hat bereits Bundesliga-Erfahrung, aber ein Tim Leibold beispielsweise war schon in Trainingslagern dabei, wartet aber auf sein Debüt. Auch Tino Baumgartl klopft langsam an.
Veh: Ich habe junge Spieler immer erst dann hochgezogen, wenn sie weit genug waren, um auch zum Einsatz zu kommen. So habe ich es damals schon mit Sami Khedira oder Andreas Beck gehandhabt. Die Jungs brauchen immer erst eine Heimat. Talent bringt ihnen nichts, wenn sie die ganze Woche bei uns trainieren, aber dann in der zweiten Mannschaft spielen. Wir gehen da einen anderen Weg: Junge Spieler sollen so lange bei der zweiten Mannschaft trainieren und spielen, bis wir uns sicher sind, dass sie stark genug für Einsätze bei Profis sind. Ein Hin und Her bringt den Jungs nichts.
SPOX: Wie oft können Sie sich als Trainer überhaupt Spiele der zweiten Mannschaft ansehen?
Veh: Wichtig ist in erster Linie eine gute Kommunikation der Trainer. Ich sehe mir zwar so viele Spiele wie möglich an, aber ich kann nicht noch zu den Auswärtspartien reisen. Dann kann man mich irgendwann wegwerfen, das schaffe ich nicht. Deshalb ist die Einschätzung des Trainers, der jeden Tag mit dieser Mannschaft arbeitet, enorm wichtig. Auch deshalb ist Rainer Adrion zurückgekehrt, um diesen Prozess zu koordinieren. So können sich die Spieler bestmöglich entwickeln.
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