Rückwärtsbewegung: Fouls als Stilmittel und kalkuliertes Risiko
Wie bereits eingangs erwähnt folgt Leverkusens Gegenpressing klar vorgegebenen Richtlinien und nachvollziehbaren Automatismen - meistens. Doch sobald ein Spieler zu langsam mit aufrückt, das Pressingkommando zu spät begreift oder einen falschen Laufweg wählt, können sich verhängnisvolle Lücken bilden.
Bayers Pressingfallen können auch die eigenen Leute ins Verderben reiten, sobald einer ausschert - besonders gegen spielstarke Teams, deren Defensivleute sich auch unter Druck spielerisch befreien können. Ist die erste, wild angreifende Pressingreihe überspielt, bieten sich dem Gegner vielversprechende Räume.
Ein Problem, dem Schmidt mit einem simplen aber effektiven Mittel beizukommen versucht: Fouls. Selbstverständlich sind diese nicht alle taktischer Natur, sondern oft bloß ungünstigem Timing oder mangelnder Konzentration geschuldet. Doch Anzahl und Ort der Leverkusens Fouls geben in dieser Hinsicht reichlich Aufschluss.
Ohnehin haben nur drei Teams mehr Fouls und lediglich zwei Teams mehr Gelbe Karten als Bayer auf dem Konto. Zudem ist auch ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur Vorsaison zu erkennen. Während Bayer letztes Jahr noch auf durchschnittlich 15 Fouls und exakt zwei Gelbe Karten pro Spiel kam, sind es unter Schmidt bisher 17,9 Fouls und 2,3 Verwarnungen.
Das Ziel der Strategie ist offensichtlich: Wenn der Gegner sich dem eigenen Pressing entzieht oder sich vielversprechende Lücken im Leverkusener Verbund auftun, sollen einfache taktische Fouls solche Chancen bereits im Keim ersticken. Dabei werden die Gegenspieler meist noch in der gegnerischen Hälfte attackiert, um Gelegenheiten möglichst früh und sicher zu unterbinden.
Die hohe Anzahl an (taktischen) Fouls ist ebenfalls ein unverzichtbarer Aspekt von Schmidts Philosophie. Sie sind als Absicherung einkalkuliert, falls die mutige und oft riskante Balljagd schiefgeht.
Gegnerische Chancen früh unterbinden: Leverkusens Fouls im Spiel gegen Freiburg
Wenn mal kein Bayer-Spieler rechtzeitig Zugriff bekommt, kann es schnell brandgefährlich werden. Bayer lässt zwar die zweitwenigsten Schüsse aufs eigene Tor zu (89), doch die Chancen, die Leverkusens Gegner erhalten, sind aufgrund der weiten Räume und Bayers behäbigem Umschalten auf Defensive meist sehr erfolgsversprechend.
Die Zahlen untermauern diese Theorie mit Nachdruck. Während die Bayer-Gegner vergangene Saison noch durchschnittlich 11,1 Torschüsse brauchten um zu treffen, reichen in der aktuellen Spielzeit bereits 5,9 Schüsse für ein Tor.
Eine gewisse Formschwäche von Keeper Bernd Leno, der mit 64,1 Prozent abgewehrter Bälle nur auf Platz 16 der Bundesliga-Torhüter rangiert, ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Wenngleich man zu Lenos Verteidigung betonen muss, dass er oft in Kontersituationen auf sich allein gestellt ist.
Zwar kann die hohe Anzahl an Gegentoren keineswegs im Interesse von Trainer Schmidt sein, doch auch sie ist zwangsläufig ein Element seiner Spielidee, das kaum abstellbar scheint. Denn wer in der Offensive derart viel Chaos stiftet, wird mit ein wenig Anarchie in der eigenen Defensive leben müssen.
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