Prüfung geht vor Aufgabe

Jürgen Klopp erlebt als BVB-Trainer derzeit seine bislang größte Krise
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Es kann auf Fragen dieser Art nicht die eine allgemeingültige Antwort geben. Dazu verlaufen die einzelnen Partien zu verschieden und sind weiterhin bis zu einem gewissen Grad dem Faktor Zufall unterworfen.

Klopps Replik, der mit Fragestellungen dieser Art noch nie etwas anfangen konnte und der Meinung ist, dass Außenstehende solche Entwicklungen sowieso nicht abschließend beurteilen können: "Ich bin im Moment ein besserer Trainer als ich es war, als wir 2012 Meister geworden sind. Das Problem ist, man kann es an der Tabelle nicht ablesen."

Ob Klopp trotz des offensichtlichen Widerspruchs Recht hat, ist müßig zu erörtern. Festzuhalten ist allerdings, dass Dortmund mit eigenem Ballbesitzspiel schon längere Zeit Probleme hat. Sich einen defensiven Gegner zu Recht zu legen und nach zielstrebigem Passspiel immer tiefer in Richtung dessen Gehäuses vorzudringen, gelingt dem BVB meist nur innerhalb einer bestimmten personellen Zusammensetzung.

Ballbesitzspiel noch nicht in der DNA verankert

Fehlen die Schlüssel- oder Kreativspieler wie beispielsweise besonders deutlich in den beiden Heimspielen gegen Stuttgart und Hamburg, zeigt sich, dass es das Trainerteam noch nicht schaffte, das Ballbesitz- und Aufbauspiel in der DNA des Kollektivs zu verankern. Dann wirkt der Vortrag eindimensional, uninspiriert, manchmal kopflos - und ist damit leicht zu verteidigen.

Dies stellt sich bei Gegnern, die offener stehen und Dortmunds konternde Treibjagd eher ermöglichen, gänzlich anders dar. Dieser Ansatz ist vom gesamten Kader längst verinnerlicht worden. Völlig egal, welche elf Spieler auf dem Platz stehen. Paradebeispiel sind das CL-Rückspiel im Vorjahr gegen Real Madrid oder das Hinspiel gegen Arsenal in dieser Saison.

Auch in der laufenden Spielzeit werkelt Klopp daran, eine gesunde Mischung beider Ansätze herzustellen. Unendlich weit weg vom Ideal ist man definitiv nicht, auch Wille und Einstellung der Spieler sehen nicht nachhaltig belastet aus. Derzeit würden die Profis an seinen Lippen hängen, bekannte der Coach in Frankfurt. Doch obwohl er Personal, Systeme oder Spielideen austauschte, es scheint diesmal nichts auf Dauer zu funktionieren.

Rücktritt und Entlassung weiterhin absurd

Diese Erkenntnis hat Klopp in letzter Zeit für seine Verhältnisse ziemlich ratlos zurückgelassen. Seine Souveränität hat Schlagseite bekommen. Er wirkt auf einmal nachdenklich und muss neben allen handwerklichen Schwierigkeiten, die er in seiner Funktion als Fußballlehrer zu bewältigen hat, nun auch Fragen nach einem möglichen Rücktritt über sich ergehen lassen. Alles Dinge, die vor einem halben Jahr undenkbar schienen.

Es macht die Lage der Borussia nicht weniger skurril, dass ein Rücktritt oder die Entlassung Klopps weiterhin absurd erscheinen. Dass der BVB mit Klopp und Klopp mit dem BVB durch diese Talsohle schreitet, ist allerdings die einzig glaubwürdige und richtige Maßnahme.

Es ist weniger zielführend aufzuzählen, welche Verdienste Klopp um den BVB hat oder wie sehr das Unternehmen Borussia Dortmund auf allen erdenklichen Ebenen von seiner Arbeit profitierte. Schaut man mit vollkommen nüchternem Blick auf die Fakten, steht da: Für Klopp und Dortmund läuft es erst seit 13 Bundesligaspielen fatal.

Die Krise als Chance für Dortmund

Dafür gibt es nicht den einen einzig sinnvollen Grund. Es kamen mehrere nicht besonders günstige Umstände zusammen, die obendrein noch eine Eigendynamik entwickelten, so dass der gesamte Klub unvorbereitet erzitterte. Klopp konnte die Summe daraus bislang noch nicht aufhalten, keine Frage. Dass er jedoch bereits zu diesem Zeitpunkt am Ende seines Lateins angekommen ist, erscheint bei einem Trainer seiner Klasse ein vorschnelles Urteil.

Die Krise bietet dem Verein vielmehr die Möglichkeit, die häufig bemühten Schlagworte Zusammenhalt und Kontinuität mit Leben zu füllen. Klopps vorzeitige Vertragsverlängerung bis 2018 - zweieinhalb Jahre bevor der alte Kontrakt ausgelaufen wäre -, die postulierte Prämisse, ihn niemals zu entlassen, mit ihm notfalls auch in die 2. Liga zu gehen - an der Glaubwürdigkeit dieser Aussagen kann sich der Klub jetzt messen lassen. Im Erfolgsfall demonstrierte man nach außen, dass der nicht-aktionistische Weg den vielerorts gehegten Wunsch nach Kontinuität aufrecht erhalten kann.

Der Sturz auf den letzten Tabellenplatz eröffnet zudem Klopp die Chance, wenn auch ungewollt sein vorzeitiges Meisterstück als Trainer abzulegen. Das Thema Abstiegskampf begleitete ihn seine gesamte Spieler- und auch den Großteil seiner Trainerkarriere. Es steht ihm nun aber die Prüfung ins Haus, sich dieser Herausforderung auch als Übungsleiter einer Spitzenmannschaft anzunehmen und zu beweisen, dass der Glanz, der ihn in den letzten Jahren selbst auf internationaler Ebene umwehte, auch solch widrigen Zeiten Stand hält.

Zäsur steht ins Haus

Daher erschiene derzeit ein Ende der Ära Klopp beim BVB überhaupt nicht sinnhaft. Es käme viel zu abrupt. Selbst wenn jetzt schon klar ist: Durch den Verlauf der aktuellen Saison steht Trainer und Verein eine Art Zäsur ins Haus, die sowohl Gegenwart wie Zukunft betrifft. Wie sehr der kloppsche BVB langfristig unter dem Eindruck der aktuellen Katastrophe bröckelt, bliebe jetzt nur Spekulation. Für den Moment und bis zum Ende der Hinrunde scheint es, dass Klopp noch einmal ein letztes Feuer 2014 entfachen möchte.

Seine Ausführungen am Mittwoch auf der Pressekonferenz vor dem "High-Noon-Spiel" gegen Hoffenheim waren wie zuletzt kämpferisch. Es schwang aber so viel Überzeugung mit wie schon lange nicht mehr.

Dass das Publikum beim Heimspiel am Freitagabend Klopps Ansagen in Motivation für sich und den Glauben an die Mannschaft ummünzen wird, dürfte trotz der Pfiffe in Frankfurt feststehen. Jetzt, das hatte schon Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke in seiner "Blut, Schweiß und Tränen"-Rede auf der Mitgliederversammlung deutlich gemacht, muss sich die Mannschaft ein weiteres Mal überwinden und beweisen, dass auch auf Platz 18 der Funke überspringen kann.

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