"Heutzutage wird nichts mehr repariert"

Thomas Schaaf steht seit Juli 2014 bei Eintracht Frankfurt an der Seitenlinie
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SPOX: Thema Entschleunigung.

Schaaf: Ich glaube, dass man nicht alles aufhalten, dafür aber ein bisschen ausbremsen kann. Bei all diesen Entwicklungen muss man auch sehen, dass wichtige inhaltliche, persönliche oder emotionelle Dinge zwischendurch kaputt gehen. Dessen sollte man sich bewusst sein, um darauf aufpassen zu können.

SPOX: Was heißt das für den Anspruch des Profis und an den Profi?

Schaaf: Anspruch ist einerseits wunderbar. Er soll sich mit seinem Job beschäftigen. Doch das beinhaltet auch Anforderung. Das ist das, was heute gesellschaftlich ganz schwierig ist. Ich behaupte, der junge Mensch möchte sich heute nicht mehr so verpflichten. Er fühlt sich gewissen Situationen nicht mehr verpflichtet. Sich zu verpflichten, Dinge anzunehmen und in unserem Beispiel zu sagen: Ich bringe die Eintracht nach vorne und bleibe so lange hier, bis ich es geschafft habe - das ist heute nur noch selten gegeben.

SPOX: Was sich während Ihrer Zeit als Trainer auch enorm entwickelt hat, ist die immer größer werdende Rolle von sozialen Medien.

Schaaf: Wenn ich das auf mich persönlich beziehe, komme ich da in so vielen Bereichen vor, von denen ich gar nichts weiß. Ich kann es nicht vermeiden, dass dort über mich gesprochen oder geschrieben wird. Ich kann es noch nicht einmal vermeiden, dass irgendwelche Accounts unter meinem Namen laufen, von denen ich mich distanzieren muss. Man kann das nicht mehr aufhalten.

SPOX: Bedeutet für die Spieler?

Schaaf: Ich kann als sportlich Verantwortlicher einen Rahmen vorgeben, aber ich setze auch auf Eigenverantwortung und Mitdenken, um sensibel damit umzugehen. Mehr eingreifen sollte man aber nicht, da die Kommunikation mittlerweile auch von den sozialen Netzwerken bestimmt wird.

SPOX: Braucht's das in Ihren Augen, wenn ein Spieler ein Foto aus dem Mannschaftsbus postet und mitteilt, sich auf das Spiel zu freuen?

Schaaf: Die Frage ist nicht, ob es das braucht, sondern wer sich das anschaut. Und dann haben Sie die Antwort (lacht).

SPOX: Finden Sie persönlich, dass es sich lohnt, sich das anzuschauen?

Schaaf: Es bedürfte einer hohen ideellen Diskussion, um dies zu beantworten. Es läuft doch aber immer so: Irgendwann geht so etwas los, der Nächste findet es gut, der Übernächste auch und auf einmal ist das angesagt und verselbständigt sich. Schauen Sie sich die Ice Bucket Challenge an: Das hatte einen sinnvollen Hintergrund und konnte Menschen für eine gute Tat begeistern. Wie wäre das früher möglich gewesen?

SPOX: Ist der Fußball aufgrund der Schnelllebigkeit zu einem gesellschaftlichen Ereignis geworden, das sachliche Diskussionen kaum mehr entstehen lässt?

Schaaf: Natürlich. Nehmen Sie die gängige Berichterstattung zu einer Bundesligapartie und schauen Sie sich an, wie viel inhaltlich über das Spiel und wie viel über alles andere berichtet wird. Da besteht ein klares Missverhältnis. Aber das ist so. Man sollte das aber auch nicht ausschließlich negativ bewerten, denn der Fußball lebt auch von den Diskussionen und dem Drumherum. Wenn das nicht wäre, hätten wir auch nicht diese Aufmerksamkeit und diese Bereiche rund um den Fußball würden verblassen.

SPOX: Wieso besteht in Ihren Augen dieses Missverhältnis in der Berichterstattung?

Schaaf: Gegenfrage: Wer will das Inhaltliche überhaupt lesen, was ist wichtiger?

SPOX: Ist Ihnen die journalistische Begleitung im Fußball zu unsachgemäß?

Schaaf: Das ist unterschiedlich. Der eine setzt sich sehr gerne mit dem Inhaltlichen auseinander und ist daran interessiert. Der andere legt den Fokus nicht nur auf das Spiel, sondern auch auf das Drumherum im Stadion, auf die Emotionen der Fans und so weiter.

SPOX: Würden Sie es sich wünschen, dass es mehr ums Inhaltliche geht?

Schaaf: Klar, aber besteht daran wirklich ein Interesse? Ich glaube nicht. Ich würde eine solche Berichterstattung natürlich gerne unterstützen, dennoch es ist eben so, dass das Inhaltliche ja erst einmal ein sehr trockenes Thema ist. Welcher Journalist will aber ein trockenes Thema verkaufen? Das kriegt er bei seinem Chefredakteur nicht durch.

SPOX: Weil vor allem Boulevard-Themen eine größere Reichweite erzielen.

Schaaf: So entwickelt sich ja auch unsere Gesellschaft. Auch dort sind Sachen sehr plakativ. Jedes Jahr gibt es im Fernsehen den Superstar, das Supertalent, Big Brother, das Dschungelcamp - und das findet in der breiten Masse auch Anklang.

SPOX: Als Sie zu Beginn Ihrer Zeit in Frankfurt Alex Meier, der aus einer Verletzung kam und zunächst keinen guten Eindruck hinterließ, auf die Bank setzten, war der Aufschrei groß. Was hat Sie mehr verwundert: Die Wucht der Diskussion oder die Tatsache, dass sie überhaupt aufkam?

Schaaf: Nichts davon. Ich war überhaupt nicht verwundert, weil mir völlig klar war, dass es so kommen wird.

SPOX: Fanden Sie, dass Sie gut erklären konnten, warum Sie diese Maßnahme ergriffen haben? Sie wurden ja sehr häufig danach gefragt.

Schaaf: Die Frage ist vielmehr, ob man es verstehen oder lieber eine Story haben will. Es gibt unterschiedliche Intentionen. Alex nimmt in der Frankfurter Gesellschaft, was den Fußball betrifft, sehr viel Raum ein. Wenn dann eine Situation entsteht, die nicht jeder bereitwillig abnickt, ist klar, dass es am einfachsten ist, daraus auch eine Story zu machen.

SPOX: Was wäre gewesen, wenn Sie zu diesem Thema durchgängig geschwiegen hätten?

Schaaf: Das kann ich ja gar nicht. Wenn ich nichts dazu gesagt hätte, würde man es so deuten, dass da irgendetwas nicht stimmen kann. Es ist also gewissermaßen vollkommen egal, ob oder was ich dazu sage. Das Verrückte ist: Es war zu jedem Zeitpunkt alles in Ordnung (lacht).

SPOX: Wie war es früher?

Schaaf: Weniger extrem. Sie müssen berücksichtigen, dass derjenige, der die Fragen stellt, sich nun mit einer völlig anderen Situation auseinanderzusetzen hat. Das Internet hat große Veränderungen mit sich gebracht. Die Konkurrenz ist immens gewachsen. Früher wurde einer in die USA geschickt, um vom dortigen Sport zu berichten. Heute kommt das frei empfänglich im Fernsehen oder im Internet. Wenn in Australien ein Känguru umfällt, wissen Sie fünf Minuten später, wie das passiert ist - weil es fünf Minuten später schon Bilder davon gibt.

SPOX: Wie glauben Sie wird diese Entwicklung weitergehen?

Schaaf: Ich denke, man wird noch mehr versuchen, an so vielen Dingen wie möglich teilzunehmen. Der Einzelne wird mehr auf sich selbst gestellt sein und sich dann seine Häppchen heraussuchen. Er wird mehr bestimmen können, was er wirklich haben möchte und das Erlebnis nicht so sehr über die Gemeinschaft suchen.

Seite 1: Schaaf und wie sich Gesellschaft und Fußball gegenseitig beeinflussen

Seite 2: Schaaf über die Ice Bucket Challenge und die Berichterstattung im Fußball

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