Loris Karius ist einer der jüngsten Stammkeeper der Bundesliga. Im Interview vor dem Spiel gegen den BVB (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) spricht er über seinen Kampf um die Position als Nummer 1 beim FSV Mainz 05, seine Fehler in der Vergangenheit und Erfahrungen bei Manchester City. Zudem: Seine Ansprüche im DFB-Team und die Verbindung zu Jerome Boateng.
SPOX: Herr Karius, am letzten Samstag erwischten Sie bei der 0:2-Niederlage gegen Hertha BSC einen gebrauchten Tag: Sie verursachten einen Elfmeter und flogen mit Rot vom Platz. Wie beurteilen Sie diese Szene im Nachhinein und wie enttäuscht sind Sie, dass Sie nun aussetzen müssen?
Loris Karius: Mein Fehler. Ich bemerke in der Szene zu spät, dass mir der Herthaner so nahe kommt, und treffe dann beim Versuch den Ball wegzuschlagen Ball und Gegner. Wenn der Schiedsrichter das als Foul wertet, ist es nach den Regeln wohl auch Rot. Ärgerlich für mich und für die Mannschaft, ärgerlich, dass wir das Spiel verloren haben.
SPOX: Der FSV hat zum Rückrundenstart vier Punkte aus drei Partien geholt, doch der Abstand zu den Abstiegsrängen ist weiterhin sehr gering. Welche Aussagekraft hat in Ihren Augen die aktuelle Tabelle?
Karius: Es geht um den Klassenerhalt. Wir hätten uns von dieser Zone etwas distanzieren können, wenn wir alle drei Spiele gewonnen hätten. Das war zwar nicht der Fall, aber ich erkenne trotz der Niederlage gegen Berlin einen positiven Trend bei uns.
SPOX: Zumindest durchbrach man gleich im ersten Spiel gegen Paderborn die Negativserie von zuvor neun Partien ohne Sieg. Die Vorrunde glich einem Auf und Ab: der Start gelang, dann kam nur noch wenig. Wie wankelmütig ist die Mannschaft noch?
Karius: Bei unserem bisherigen Saisonverlauf sind mehrere Faktoren zusammen gekommen. Zu Saisonbeginn hatten wir manchmal etwas Glück, da wir enge Partien gewonnen oder zumindest einen Punkt geholt haben. Es gab aber auch Spiele wie das 1:2 gegen Bremen, wo man sich fragen musste, wie man eine solche Partie verlieren kann. Wir sind dann langsam in eine Negativspirale geraten, aus der wir uns nicht so leicht heraus manövrieren konnten, da sich zusätzlich noch wichtige Spieler verletzt haben. Das nagte am Selbstvertrauen, so dass wir keine Ergebnisse holen konnten. Ich bin jetzt deshalb zuversichtlich, weil wir den Trend eben durchbrochen haben und einfach weiter sind als am Ende der Hinrunde.
SPOX: Gegen Borussia Dortmundsteht am Freitagabend nun erstmals Ihr Vertreter Stefanos Kapino im Kasten. Welches Verhältnis haben Sie zu ihm?
Karius: Ein professionelles. Wir arbeiten jeden Tag zusammen und sind Konkurrenten. Dass wir dann nicht darauf aus sind, auch noch gemeinsam Kaffee trinken zu gehen, ist normal. Zwischen Torhütern entstehen eigentlich selten Freundschaften. Aber es geht am Freitag nicht um uns, es geht um Mannschaft und Verein. Ich wünsche ihm ein tolles Debüt und glaube, dass er seinen Mann stehen wird.
SPOX: Im Sommer absolvierten Sie mehr oder weniger die erste Vorbereitung, in die Sie als uneingeschränkte Nummer eins starteten. Wie breit ist mittlerweile Ihre Brust geworden?
Karius: Ich freue mich natürlich sehr, dass ich nun schon seit einem Jahr der Mainzer Stammtorhüter bin. Ich hatte anfangs große Konkurrenz vor mir und mich letztlich durchgesetzt. Das gibt einem natürlich Selbstvertrauen. Ich denke, dass ich mir das verdient erarbeitet habe. Ich will mich aber nicht auf diesem Status ausruhen, sondern weiter versuchen, mich täglich zu verbessern.
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SPOX: Sehen Sie sich als Führungsspieler?
Karius: Ich bin selbstbewusster geworden, muss aber nicht zu allen Themen meinen Mund aufmachen. Als Torwart nimmt man auch eine spezielle Rolle im Team ein. Ich kommuniziere viel auf dem Spielfeld und marschiere in manchen Situationen sicherlich vorneweg, aber ich tue mich schwer damit, mich als Führungsspieler zu bezeichnen.
SPOX: Ihre Konkurrenten hießen 2011 nach Ihrem Wechsel zum FSV Heinz Müller und Christian Wetklo. Das sind durchaus Alpha-Tiere...
Karius: Es war keine einfache Situation für mich. Ich hatte natürlich Respekt vor ihnen. Es sind beides spezielle Typen, die ihre Ecken und Kanten haben. Wir hatten ein gutes Verhältnis, ich habe immer ihre Unterstützung gespürt. Für sie war ich aber sozusagen der Kleine, der sich erst einmal hinten anstellen muss. Mir fiel es anfangs schwer, mich da zu behaupten. Es war Geduld gefragt - und Glück. Einer hat sich verletzt, der Andere war gesperrt - und ich bin ins Team gerutscht.
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SPOX: Bis das passierte, mussten Sie zwei Jahre lang warten. Die Warterei wurde Ihnen auch bei Manchester City zu viel. Wie kam damals denn der Kontakt nach Mainz überhaupt zustande?
Karius: Ganz klassisch über meinen Berater. Ich wollte in einem Profiteam spielen, doch diese Perspektive sah ich in Manchester irgendwann nicht mehr. Ich wollte dann den Verein wechseln, um nicht noch länger nur in der Reserve-Mannschaft aufzulaufen. Das Angebot vom FSV hat letztlich einfach am besten gepasst, da ich dort die größte Möglichkeit sah, als junger Keeper durchstarten zu können.
SPOX: Wie sind Sie dann mit der Wartezeit in Mainz umgegangen, Ihr Vorhaben ließ sich ja auch dort nicht sofort umsetzen?
Karius: Ich war anfangs zu ungeduldig. Ich dachte, ich würde einen Schritt zurück gehen, um gleichzeitig zwei nach vorne machen zu können. Deshalb war ich zunächst schon ein wenig geknickt, nicht sofort die Nummer eins geworden zu sein. Das war aber der falsche Ansatz, wie ich jetzt weiß. Ich habe vergessen zu bedenken, dass ich noch sehr jung war und einfach noch etwas Zeit brauchte.
Loris Karius im Steckbrief
SPOX: Wie kamen Sie zu dieser Einsicht?
Karius: Schleichend (lacht). Ich habe mit der Zeit gelernt, meine Situation anzunehmen und versuchte dann, einfach kontinuierlich hart zu trainieren. Nur so und nicht anders kann man die Entscheidung des Trainers beeinflussen. Ich weiß jetzt, dass ich nur auf mich zu schauen habe und gucke nicht mehr so sehr auf die anderen.
SPOX: Wann war Ihnen klar, dass es in England nichts mehr für Sie wird?
Karius: Kurz bevor ich nach Mainz wechselte, fiel ich wegen eines Handbruchs aus. City hat sich deshalb entschieden, einen weiteren Torhüter zu verpflichten. Sie wollten nicht nur mit Joe Hart und mir in die Champions-League-Saison gehen. Ich sah meine Chancen allmählich einfach schwinden und dachte mir dann: Soll nur deshalb bleiben, um sagen zu können, dass ich bei Manchester City spiele? Ich wollte eine Nummer eins werden. Das bin ich nun und deshalb kann ich jetzt sagen, dass der Schritt nach Mainz genau richtig war. Es ist aber auch beileibe nicht so, dass ich die Zeit in England bereue. City hat mich sportlich und privat sehr geprägt.
SPOX: In Manchester haben Sie Freundschaften zu Jerome Boateng und Mario Balotelli geschlossen. Haben Sie zu beiden noch einen Draht?
Karius: Mit Mario weniger, mit Jerome dagegen schon. Wir waren damals die beiden einzigen Deutschen und haben viel zusammen unternommen. Ihn würde ich als Freund bezeichnen. Wir schreiben uns ab und zu und tauschen bei unseren Duellen die Trikots (lacht).
SPOX: Wie war's denn so mit dem sagenumwobene Balotelli?
Karius: Ganz normal, er ist ein völlig normaler Typ. Er kam damals neu zum Verein und war ungefähr in meinem Alter, so dass wir einiges an Zeit miteinander verbracht haben. Ihm hängt aktuell seine Vergangenheit etwas nach, er erscheint medial fast immer in einem falschen Licht. Für mich gehört er rein sportlich zu den besten Stürmern der Welt. Er ist jetzt auch im besten Alter, das allen zu beweisen - aber es liegt an ihm.
SPOX: Das könnte man beim Thema U-21-Nationalmannschaft auch über Sie sagen. Im Sommer steht die EM in Tschechien an. Bislang steht für Sie ein Länderspiel zu Buche. Inwiefern schielen Sie auf dieses Turnier?
Karius: Ich will mit dabei sein, keine Frage. Aber ich denke, dass ich nicht in der Position bin, irgendwelche Forderungen zu stellen. Es ist, wie Sie sagen: Es liegt an mir, dauerhaft meine Leistung in Mainz zu bringen und mich weiter zu entwickeln. Alles andere liegt nicht in meiner Hand. Man wird sehen, inwiefern mir das hilft, mit nach Tschechien fahren zu dürfen.
SPOX: Ihre Konkurrenten im Team von Horst Hrubesch heißen Marc-Andre ter Stegen, Timo Horn und Bernd Leno. Das ist ein ganz schönes Pfund, oder?
Karius: Natürlich. Am Ende können nur drei von uns vieren mitfahren. Natürlich rechne ich mir Chancen aus, mache mich deswegen aber auch nicht verrückt. Im Fußball kann dir niemand eine Garantie für irgendetwas geben, es ist wirklich ein reines Tagegeschäft. Wenn man sich in der Gegenwart zu sehr mit der Zukunft beschäftigt, hilft es einem nicht sehr weiter. Schon morgen können sich Situationen plötzlich ganz anders darstellen.
SPOX: Denkt man da nicht manchmal, dass die hohe Qualität deutscher Torhüter Fluch und Segen zugleich ist?
Karius: Nein. Man muss das als Ansporn verstehen, sich in diesem Kreis durchsetzen zu wollen, um irgendwann auch einmal in der A-Nationalmannschaft dabei sein zu können. Für ein Land zu spielen, das keine Chancen auf Titelgewinne hat, ist auf Dauer vielleicht auch nicht ausschließlich reizvoll. Momentan haben wir mit Manuel Neuer eine klare Nummer eins, die gesetzt ist. Für mich gilt: Ich bin erst 21 Jahre alt und habe hoffentlich noch einige Jahre vor mir. Ich habe für meine Karriere keinen Zeitplan, weiß aber, dass es im Fußball Geduld braucht und es auch schnell gehen kann. Schauen wir mal, was noch alles kommt (lacht).
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