"Die Null muss stehen" - Dieses Credo predigt nicht nur Huub Stevens, sondern es gilt seit jeher als oberster Grundsatz im Abstiegskampf. Dass es aber nicht nur alleine auf die Defensive ankommt, beweist der Niederländer derzeit nicht nur mit dem VfB Stuttgart, sondern zuletzt auch der Hamburger SV. In der Harmlos-Diskussion geht allerdings ein Verein gerne mal unter: Der SC Freiburg.
Ginge es nach der reinen Defensivleistung, die Freiburger würden ligaweit auf einem gesicherten neunten Rang stehen. Die seit Jürgen Klopps Kilometerfresser-Taktik so hochgelobte Laufleistung kann auch nicht der Grund für die schlechte Platzierung sein. Mit 118,2 Kilometern pro Spiel rangiert die Elf von Christian Streich derzeit auf Rang vier im internen Bundesliga-Vergleich.
Es fehlt ein Goalgetter. Ein Goalgetter, wie es Max Kruse vor zwei Jahren oder Admir Mehmedi in der Vorsaison war. Sinnbildlich für die gesamte Offensivabteilung steckt der vier Millionen Euro teure Schweizer im Formtief. Ein Tor hat Mehmedi im Ligaalltag geschossen, müde fünf Treffer gehen auf das Konto der gesamten Sturm-Abteilung. Für Christian Streich ist die Ladehemmung Mehmedis hingegen nur eine Frage der Zeit: "Admir muss in die Spiele gehen und darf nicht so viel erwarten."
Sturmlauf nach der Winterpause
Dabei schienen die altbekannten Gespenster der Tormisere nach der Winterpause bereits ausgetrieben zu sein. Mit Nils Petersen holte Freiburg auf Rang 18 einen klassischen Strafraumstürmer, der sich prompt mit drei Treffern gegen Eintracht Frankfurt einführte. Freiburg sprang aus der Abstiegszone und wähnte sich auf einem guten Weg.
Dann jedoch verletzten sich sowohl Petersen als auch Nachwuchsjuwel Mats Möller-Daehli und Christian Streich wurde zum Experimentieren gezwungen. Seit dem 18. Spieltag trafen die Badener in sieben Spielen nur drei Mal. Am 4-4-2-System mit zwei defensiven Sechsern hielt er bis auf das Gastspiel beim FC Bayern dennoch die gesamte Saison lang fest.
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Änderungen wurden nur am Personal vorgenommen, im Sturm seit der Rückrunde satte fünf Mal. "Ich bin froh, wieder viele Möglichkeiten zu besitzen", zeigte sich Streich nach der Rückkehr von Mehmedi Angang März erleichtert. So folgte auf Petersen/Möller-Daehli Youngster Maximilian Philipp im Verbund mit Mehmedi, Schmid oder Karim Guede. Zuletzt durfte sich Mike Frantz wieder an der Seite des Schweizers ausprobieren.
In Schönheit sterben
Verändert hat sich seitdem wenig. Bis zum Strafraum kombiniert sich die Offensivabteilung vorbildlich durch die gegnerischen Abwehrreihen. Bis dahin funktioniert Streichs Vorliebe für das Spiel mit falschen Neunern a la Frantz oder Schmid wunderbar. Dann jedoch fehlt dem SC jemand, der auch den Abschluss sucht.
Gegen Bremen wurden teilweise Freistöße über die Mauer gelupft, ohne dass sich dabei eine Abschlusssituation, sondern nur eine Flankengelegenheit ergab. In Wolfsburg wurden beste Schussgelegenheiten ausgelassen, nur um im Strafraum den eventuell noch besser postierten Mitspieler zu finden.
"Wir haben einfach nicht die allerletzte Durchschlagskraft", weiß auch Christian Streich. Das größte Problem ist dabei so simpel wie ausschlaggebend: Freiburg schießt zu selten auf das Tor. Acht Schüsse auf das gegnerische Tor feuert der SC laut Opta im Durchschnitt pro Spiel ab, hinter Hertha und dem 1. FC Köln ist das der schlechteste Wert der Liga. Wer sich dann auch in Sachen Chancenverwertung mit 12,6 Prozent im hinteren Drittel des Fußball-Oberhauses einreiht, braucht sich über den 15. Tabellenplatz nicht zu wundern.
Schießt doch!
Schuldlos sind die Stürmer daran keineswegs. Admir Mehmedi kommt gerade einmal auf 1,5 Torschüsse pro Spiel, Maik Frantz auf 1,4 Versuche und Maximilian Philipp gar nur auf 1,1 Abschlüsse. Zum Vergleich: Alex Meier versucht sich 2,8 Mal, Arjen Robben gar 3,9 Mal pro Spiel.
In dieser Kategorie wurde vor allem Nils Petersen schmerzlich vermisst. Wenn dem Ex-Bremer auch nicht immer alles gelingt, für eines ist er in jedem Fall bekannt: Petersen schießt aus allen Lagen. Drei Mal zieht der 26-Jährige immerhin pro Spiel ab. Wie Möller-Daehli nähert sich Petersen langsam wieder seiner 100-prozentigen Fitness. Die Länderspielpause ist für beide derzeit Gold wert.
Wende gegen Augsburg?
Dass es auch anders gehen kann, bewies der SC beim 2:0 gegen Augsburg. Nach über 400 torlosen Minuten ebneten Schmid und ausgerechnet Petersen den Weg für den Sprung aus dem Abstiegsrängen. Von ungefähr kam die Entwicklung keineswegs: Auch wenn die Chancenverwertung einmal mehr suboptimal war - bei 15 Torschüssen musste einfach irgendwann einmal der Knoten platzen.
Ebenso wenig verwundert es, dass mit Schmid und Petersen ausgerechnet die abschlussfreudigsten Freiburger an diesem Tag ins Netz trafen. Nichtsdestotrotz: Will der SC wie im vergangenen Jahr mit einer starken Rückrunde die Klasse halten, sollte man die Heimschwäche schnell abstellen.
Rang 15 in dieser Statistik belegt, dass der Sportclub vor allem dann Probleme hat, wenn er vor heimischen Publikum das Spiel machen soll. "Es ist ja nicht so, dass wir 0:4 oder 0:5 verlieren. Es geht um Kleinigkeiten, du musst von Anfang an noch einen Tick mehr investieren, das Quäntchen Glück müssen wir uns erarbeiten", kommentiert Frantz die derzeitige Lage.
Neuer Rasen, neues Spiel?
Chancen dazu ergeben sich für die Breisgauer in den nächsten Wochen zur Genüge: Vier Mal muss der SC noch zu Hause ran. Gegen Köln, Mainz und Paderborn werden die Weichen für den Ausgang der Saison gestellt. Drei der weiteren fünf Gegner kommen aus der unteren Tabellenhälfte. Auch deswegen macht sich im Südwesten der Republik noch keine Verzweiflung breit. Streich betonte nach dem Sieg gegen den FCA: " Wir haben großen Druck mit der Situation, stehen mit dem Rücken zur Wand. Aber die Mentalität der Mannschaft ist großartig und wir können nun wieder ein wenig durchatmen. "
Ein Abstieg würde den SC Freiburg gerade jetzt empfindlich treffen, verkündete man doch zu Jahresbeginn erst den Neubau des Stadions für 110 Millionen Euro. 35.000 Zuschauer werden dann die Heimspiele besuchen können.
Die derzeit 24.000 Fans hoffen aktuell auf den frisch verlegten Rasen. "Die Spieler trauen sich mehr, wenn sie auf einem Teppich spielen", hoffte Streich gegenüber der "Bild": "Wir nehmen jetzt Geld in die Hand, damit wir noch besser Fußball spielen können." Springen nebenher noch ein paar Abschlüsse heraus, dürfte im Breisgau auch 2016 noch Bundesliga gespielt werden.
Der SC Freiburg in der Übersicht