"Null Punkte - setzen, sechs!"

SPOX
16. April 201513:20
Wiederholungstäter: Bruno Labbadia startet beim Hamburger SV in seine zweite Amtszeitgetty
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Der Hamburger SV hat die Rolle rückwärts vollzogen und entgegen eigener Ankündigung Trainer Peter Knäbel durch Bruno Labbadia ersetzt. Das Thema Thomas Tuchel ist beendet. Zwei SPOX-Redakteure, ein Goal.com-Redakteur sowie mySPOX-User Broich diskutieren die fünf wichtigsten Fragen zu Situation und Zukunft des HSV.

Ist es sinnvoll, dass der HSV nochmal einen neuen Impuls setzt?

Florian Schimak (SPOX): Absolut! Der Effekt mit Peter Knäbel war ja überhaupt nicht vorhanden. Zumal sich der eigentliche Sportdirektor am Wochenende mehr als unglücklich gegenüber der Presse präsentierte und eigentlich schon nach zwei Spielen nicht mehr tragbar war. Labbadia hat nun sechs Spiele Zeit, eine Mannschaft aufzurichten, die total am Boden liegt. Das Team lieferte gegen Wolfsburg eine blutleere Vorstellung, der Höhepunkt waren die Handgreiflichkeiten zwischen Behrami und Djourou. Wenn nicht jetzt, wann hätte der HSV denn sonst reagieren sollen? Die Lösung mit Knäbel war ein Schuss in den Ofen, der jetzt korrigiert worden ist. In zwei Wochen wäre es endgültig zu spät gewesen.

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Daniel Jovanov (Goal.com): Die Alternative wäre gewesen, es Peter Knäbel bis zum Ende machen zu lassen. Der hat immerhin sein Versprechen gehalten und die Arbeit seines Vorgängers fortgeführt. Das hätte allerdings den direkten Abstieg zur Folge gehabt. Die Entscheidung, einen "echten" Trainer zu installieren, ist nachvollziehbar. Wenngleich sie viel zu spät kommt.

Alexander Maack (SPOX): Der HSV braucht keinen Trainer. Der HSV braucht einen Psychologen. Die Mannschaft ist vollkommen verunsichert - und das ist noch untertrieben. Jedes Spiel beginnt ansprechend, doch Wochenende für Wochenende legt sich diese Mannschaft durch katastrophale individuelle Fehler den Ball selbst ins Tor. Deswegen war es richtig, dass Knäbel nach dem Wolfsburg-Spiel einzelne Spieler öffentlich anzählte. Sie sollen gekitzelt werden, weil die Appelle an die Gemeinschaft seit Jahren nicht fruchten. Die Hamburger müssen den Abstieg verhindern und greifen deshalb nach jedem noch so kleinen Strohhalm. Bei einem Abstieg wären die Löcher trotz Finanzspritzen der Investoren noch größer. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

mySPOX-User Broich: Fakt ist: Der HSV ist am Boden und taumelt dem ersten Abstieg der Vereinsgeschichte entgegen. Seit acht Spielen ist der Dino sieglos, das Torverhältnis dieser acht Partien lautete: 2:21 und auf ein eigenes Tor warten Olic und Co. seit fünf Spielen und insgesamt 495 Minuten. Das ist nicht nur schlecht, das ist desaströs - da ist eine Reaktion nicht nur sinnvoll, sondern zwingend notwendig.

Ist es sinnvoll, dass der HSV nochmal einen neuen Impuls setzt?

Ist Bruno Labbadia der richtige Feuerwehrmann für den HSV?

Wurde Peter Knäbels Standing beschädigt?

Wie ist die Rolle von Dietmar Beiersdorfer einzuschätzen?

Labbadia statt Tuchel: Was bedeutet das für die HSV-Zukunft?

Ist Bruno Labbadia der richtige Feuerwehrmann für den HSV?

Florian Schimak (SPOX): Labbadia hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er ein Team emotional packen kann und in der Lage ist, kurzfristig Erfolg zu erzielen. Genau das benötigt der HSV jetzt. Labbadias Problem ist eher das langfristige Arbeiten, aber darum geht es zunächst gar nicht. Wichtig ist, dass der HSV Punkte holt. Vor der Verpflichtung Labbadias hätte ich gesagt, dass die Hamburger mit Pauken und Trompeten aus der Bundesliga absteigen - nun gehe ich allerdings davon aus, dass der HSV mindestens die Relegation erreicht. Und dann trifft der gebürtige Darmstädter Labbadia auf die 98er...

Daniel Jovanov (Goal.com): Bei seiner Vorstellung hat Labbadia zumindest den souveränsten Eindruck hinterlassen. Knäbel und Beiersdorfer hingegen wirkten zermürbt. So wird es Labbadia auch irgendwann gehen. Der HSV schafft sie alle.

Alexander Maack (SPOX): Das stimmt schon. Egal ob Taktiker oder Motivator - der Erfolg der Trainer war zuletzt gleich null. In zwei Spielen brachte die Mannschaft unter Knäbel genau einen einzigen Schuss aufs Tor zustande. Theoretiker Knäbel hat die Blockade im Kopf der Spieler nicht gelöst. Auch wenn Labbadia in Stuttgart gezeigt hat, dass er eine Mannschaft im Abstiegskampf erfolgreich führen kann - er übernahm den VfB im Dezember 2010 auf Platz 17 und führte ihn bis zum Saisonende auf Rang 12 -, wird die Mission Klassenerhalt in Hamburg scheitern. Dieses Team ist nicht mehr zu retten. Das Problem ist der Kader und nicht der Übungsleiter. Labbadia bekommt jetzt Zeit, sich Gedanken zu machen, welche Spieler er nächstes Jahr noch trainieren will. Wenn er das Wunder schafft, dann können die Hamburger auf Neuwerk einen Leuchtturm nach seinem Abbild bauen.

mySPOX-User Broich: Ich halte nichts von unbegründeter Polemik gegen die Personalie Labbadia. ABER: Ihn jetzt zurückzuholen ist eine Entscheidung, die nicht nur den Fans übel aufstoßen sollte, sondern auch keinerlei Grundlage hat. Labbadia wurde 2010 beim HSV entlassen. Und heute soll er, der weder für Rhetorik und Leidenschaft, noch für taktische Finesse steht, zum Retter werden. Lachhafte Entscheidung!

Ist es sinnvoll, dass der HSV nochmal einen neuen Impuls setzt?

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Wurde Peter Knäbels Standing beschädigt?

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Wurde Peter Knäbels Standing beschädigt?

Florian Schimak (SPOX): Seine Außendarstellung am Wochenende war mehr als unglücklich. Wahrscheinlich hat er die ganze Lage unterschätzt und war letztlich mit der brenzligen Situation überfordert. Dennoch muss man den Hut vor seiner Entscheidung ziehen. Er übernahm Verantwortung in einer Zeit, als der HSV einen Notnagel brauchte. Gut möglich, dass sich Knäbel die Aufgabe auch anders vorgestellt hat und nun feststellen musste, dass er dem Job des Bundesliga-Trainers nicht gewachsen ist. Ich gehe davon aus, dass sein Arbeiten im Hintergrund besser ist. Sein Auftritt am Spielfeldrand war es leider nicht.

Daniel Jovanov (Goal.com): Extrem. Seine Kritik an den Spielern war indiskutabel. Die Aufgabe der Verantwortlichen muss es sein, ihre Spieler in der Öffentlichkeit zu schützen. Draufhauen hat einer verunsicherten Truppe noch nie geholfen. Hinter Knäbels Zukunft steht ein großes Fragezeichen.

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Alexander Maack (SPOX): Das sehe ich überhaupt nicht so. Seit Jahren schiebt der HSV Pleiten auf Fehler des Teams, dabei sind es meist kapitale Böcke einzelner Spieler, die zur Niederlage führen. Es war dringend nötig, den Spielern dieses Schutzschild wegzunehmen. Es darf keine Ausflüchte mehr geben, wenn der HSV noch die Klasse halten will. Knäbels Standing ist nicht im Geringsten beschädigt. Dass er sich trotz fehlender Erfahrung als Feuerwehrmann zur Verfügung stellte, war die einzige Lösung, um den Wunschtrainer zu bekommen: Thomas Tuchel. Wir können nur spekulieren, warum der HSV letztlich wirklich Abstand von dessen Verpflichtung nahm. Für mich sieht es so aus: Tuchel hielt sich Hamburg als Plan B in der Hinterhand und verhandelte so lange über Vertragsdetails, bis er wusste, ob Plan A funktioniert. Diese Taktik wurde dem HSV zu viel. Dafür kann Knäbel nichts. SPOX

mySPOX-User Broich: Bei dieser fragwürdigen Personal-Rochade haben sicherlich alle Verantwortlichen eine schlechte Figur gemacht, allen voran aber Knäbel. Klischeehafte Abstiegsrhetorik, maßlose Entscheidungen, null Punkte! Setzen, sechs! Vom umsichtigen, von den Fans geschätzten Experten zum widersprüchlichen Kurztrainer - Knäbel geht mit tiefen Kratzern im Ruf in den Endspurt.

Ist es sinnvoll, dass der HSV nochmal einen neuen Impuls setzt?

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Wie ist die Rolle von Dietmar Beiersdorfer einzuschätzen?

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Wie ist die Rolle von Dietmar Beiersdorfer einzuschätzen?

Florian Schimak (SPOX): Zumindest wirkte er in der letzten Zeit bedient. Die Euphorie, die rund um seine Rückkehr entstanden war, ist in den letzten Monaten komplett verflogen. Beiersdorfer hat auch gemerkt, dass es in Hamburg nicht immer einfach ist zu arbeiten. Er muss sich ankreiden lassen, dass er mit der Knäbel-Installation offensichtlich völlig falsch lag. Das schwächt seine Position deutlich. Auf der anderen Seite ist Beiersdorfer in Hamburg eigentlich unumstritten, sodass sich solch eine Diskussion verbietet. Unglücklich ist nur, dass man am Wochenende mit aller Macht an Knäbel festhalten wollte, nun aber reagierte. Das lag wohl zum einen am unglücklichen Auftreten Knäbels und zum anderen an den Begebenheiten, die in Dortmund so vonstatten gingen. Aber sind wir ehrlich: Beiersdorfer blieb kaum Spielraum.

Daniel Jovanov (Goal.com): Das Krisenmanagement des HSV ist amateurhaft. Beiersdorfer lag mit fast allen Entscheidungen daneben, hat sich bei Transfers oder der Trainerauswahl unglaublich verzockt. Dabei war die Hoffnung groß, dass er den HSV gemeinsam mit Peter Knäbel und Bernhard Peters aus der Krise führen würde. Die Unterstützung der Fans war riesig. Man hat die Kompetenz der Führung aber offensichtlich überschätzt. Bundesliga Spielplaner - Der Tabellenrechner von SPOX.com

Alexander Maack (SPOX): Das stimmt: Der HSV-Hoffnungsschimmer schlechthin hat schon zugegeben, die Situation vor der Saison falsch eingeschätzt zu haben. Der Umbau des Kaders lief nicht so reibungslos wie geplant. Die Personalie Knäbel war noch in der Schwebe, Beiersdorfer musste in Personalunion die Umwandlung in eine Aktiengesellschaft und die Kaderplanung vorantreiben. Diese Notlösung ist gescheitert, doch den Posten als Sportdirektor hat er schon wieder abgegeben. Er ist Vorstandsvorsitzender und in dieser Rolle hat er nichts falsch gemacht, sondern Millionen generiert. Den beteuernden Aussagen, es würde keinen weiteren Trainerwechsel nach Zinnbauers Freistellung geben, waren allein im Wunsch begründet gewesen, Tuchel in die Hansestadt zu lotsen. Ich erinnere mich noch, dass Klaus Allofs im Winter erzählte, Wolfsburg verhandle nicht mit dem FC Chelsea über einen Transfer von Andre Schürrle. Wer hält dem VfL-Manager diese Lüge heute noch vor?

mySPOX-User Broich: "Es wird keinen Trainer-Wechsel geben" - eine Aussage, die nur drei Tage später mit dem Labbadia-Coup negiert wurde. Getätigt hat sie Dietmar Beiersdorfer, der sich jetzt Spott und Kritik gefallen lassen muss. Mit Recht, denn Zugeständnisse im Abstiegskampf müssen zwingend eingehalten werden. Sonst leidet die Glaubwürdigkeit. "Das hier ist der HSV!" sagte er trotzig. Hinter dieser Aussage steht langsam Chaos, Unglaubwürdigkeit, Unfähigkeit.

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Labbadia statt Tuchel: Was bedeutet das für die HSV-Zukunft?

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Florian Schimak (SPOX): Das bedeutet zunächst einmal, dass der HSV nicht seinen Wunschkandidaten bekommen hat. Weiter als über den Sommer sollte man auch nicht denken. Für den HSV und die Stadt Hamburg sind die nächsten Spiele elementar. Wenn der Verein absteigt, muss man abwarten, wie man sich dann aufstellt. Aber auch dafür finde ich Labbadia den geeigneten Mann. Schaffen die Rothosen den Turnaround und bleiben in der Liga, muss man sehen, wie der HSV wirklich plant. Labbadia hat bisher lediglich bewiesen, dass er kurzfristigen Erfolg bringen kann. Weder in Leverkusen, noch in Stuttgart oder beim ersten Mal in Hamburg konnte er langfristig erfolgreiche Arbeit leisten. Mit Tuchel hätte der HSV einen Coach mit einem klaren Konzept und einer nachhaltigen Philosophie verpflichtet. Das wäre die 1a-Lösung gewesen. Labbadia ist die 1b-Variante für die kurzfristige Problemlösung. Und nur darum geht's jetzt.

Daniel Jovanov (Goal.com): Dass man nicht den Trainer bekommen hat, um den der HSV knapp ein Jahr gekämpft hat. Labbadia ist eine Notlösung. Und selbst bei einem Nichtabstieg bin ich skeptisch, ob er seinen Vertrag erfüllen wird.

Alexander Maack (SPOX): Notlösung? Nein. Ob in Leverkusen, Hamburg oder Stuttgart - überall startete Labbadia überzeugend, bevor die Mannschaften langsam in der Tabelle abrutschten. Das ist aber nur die halbe Wahrheit: Stuttgart kämpfte bei seiner Entlassung um den DFB-Pokal, der HSV um das Europa-League-Finale. Sicher ist: Nach dem möglichen Abstieg braucht der HSV einen furiosen Beginn, um nicht ähnlich zu straucheln wie der 1. FC Nürnberg in dieser Saison. Genau dafür könnte Labbadia die ideale Person sein: Im Sommer muss ein neu zusammen gestelltes Team schnell auf Erfolgskurs gebracht werden. Der Neuaufbau des HSV, der mit der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft eingeleitet wurde, hat die Mannschaft bisher doch noch gar nicht erreicht. Will ernsthaft jemand dem HSV vorwerfen, einen Vertrag abzuschließen, der nicht über zehn Jahre läuft? Wenn die Zusammenarbeit erfolgreich ist, werden beide Seiten verlängern wollen. Wenn nicht, spart sich der Klub eine hohe Abfindung.

mySPOX-User Broich: Selbst wenn Labbadia der Klassenerhalt glückt: Eine Ära, die sie sich in Hamburg so sehnlichst wünschen, wird mit dem 49-Jährigen nicht stattfinden. Das fehlende Vertrauen zeigt sein 15-Monatsvertrag. Was aber soll in diesen dunklen Tagen eine Rückholaktion eines Trainers ohne echtes Konzept? Sechs Trainer in zwei Jahren; diese Frequenz muss beendet werden, mit Labbadia wird dies nicht gelingen.

Ist es sinnvoll, dass der HSV nochmal einen neuen Impuls setzt?

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