SPOX: Spieler wie Modeste, Jojic oder Bittencourt hatten auch andere Angebote. Mit welchen Argumenten ist es Ihnen gelungen, diese Spieler zu verpflichten?
Stöger: Wir sind weit davon entfernt, uns selbst beweihräuchern zu wollen. Aber die Spieler haben erkannt, dass man sich in Köln entwickeln kann. Es wird wahrgenommen, dass mit Kevin Wimmer ein Spieler von Tottenham engagiert wurde, der vor rund zwei Jahren noch in der zweiten Mannschaft des FC aufgelaufen ist. Wir können die Leute nicht ködern, indem wir ihnen versprechen, dass sie bei uns mehr verdienen als anderswo. Wir müssen die Spieler davon überzeugen, dass sie sich bei uns entwickeln können und ihnen ihre Rolle in unserem System klar darlegen. Vielleicht profitieren wir auch von der Mundpropaganda der Spieler, die schon hier sind. Ganz sicher profitieren wir vom Standort Köln, unserem Stadion und der Begeisterung der Fans.
SPOX: Befürchten Sie, dass gerade englische Vereine in Zukunft häufiger Spieler wie Kevin Wimmer abwerben?
Stöger: Ich halte nichts davon, sich darüber zu beklagen. Es war für Vereine wie den 1. FC Köln schon immer schwierig, Spieler zu halten, wenn Vereine, die einfach mehr Geld haben, diese Spieler holen wollen. Wir als Verein bekommen ja ordentlich Geld dafür. Dann geht es darum, dieses Geld vernünftig zu reinvestieren. In neue Spieler oder auch in die Jugendarbeit. Meine Einschätzung ist, dass wir in diesem Sommer super in neue Spieler investiert haben.
SPOX: Werden wir in der kommenden Saison einen offensiveren FC erleben?
Stöger: Im Lauf der letzten Saison ist es fast schon Mode geworden, das Spiel des FC als destruktiv zu beurteilen. Ich leugne nicht, dass wir neun Mal 0:0 gespielt haben und dass das nicht immer attraktiv war. Aber wir haben uns auch nicht ständig hinten eingebunkert. Gegen Mannschaften wie Leverkusen, Dortmund oder Mönchengladbach ist es nicht unsere Aufgabe, das Spiel zu gestalten. Da müssen sich diese Mannschaften hinterfragen, warum es ihnen nicht gelungen ist, den 1. FC Köln herzuspielen. Ich habe die Kritik an unserem Spiel immer als positives Zeichen für unsere gute Organisation gewertet. Das war für uns als Aufsteiger das A und O. Für die kommende Saison haben wir uns überlegt, was wir anbieten können, um unser Spiel nach vorne zu verbessern. Wir werden aber für mehr Attraktivität nie unsere Organisation opfern.
SPOX: Sind Sie nicht in gewisser Weise gezwungen, durch die namhaften Neuzugänge und fünf Stürmer, die für ein, zwei Positionen infrage kommen, vom Pragmatismus etwas abzuweichen hin zu mehr Attraktivität?
Stöger: Jeder unserer Spieler würde lieber 4:3 statt 1:0 gewinnen. Wir würden es auch alle akzeptieren, wenn wir 34 Mal 3:3 spielen und dadurch in der Liga bleiben. Aber es trägt niemand mit, 3:4 zu verlieren statt 0:0 zu spielen. Im Endeffekt entscheiden die offensiven Spieler, wie viele wir von ihnen aufstellen. Je mehr Offensivspieler bereit sind, dafür zu arbeiten, dass wir unsere Organisation behalten, desto mehr stehen in der Startelf. Wie jeder Trainer habe ich Vorstellungen, wie meine Mannschaft spielen soll. Wir ziehen diese Vorstellung aber nicht auf Teufel komm raus durch, sondern wir als Trainerteam möchten unsere Systematik mit den Spielern teilen. Wenn die Spieler die Vorstellungen nicht mittragen, macht es keinen Sinn, das durchzuziehen. Ich muss die Einstellung der Mannschaft zu meinen Ideen akzeptieren und dann gegebenenfalls ändern. Erfolg im Sport ist extrem abhängig von Spielertypen und Charakteren. Es funktioniert nur als Gruppe. Und wir als Gruppe haben ein Ziel: Wir wollen in der Bundesliga bleiben.
SPOX: Jörg Schmadtke hat kürzlich den "inneren Wunsch" geäußert, noch lange mit Ihnen in Köln arbeiten zu wollen. Sein Vertrag geht bis 2020. Wie sieht's aus?
Stöger: Ich habe noch zwei Jahre Vertrag in Köln, das ist lange genug. Ich fühle mich auch nicht sicherer oder besser, wenn ich noch vier Jahre Vertrag hätte. Bei Schmadtkes Aussage ist für mich entscheidend, was transportiert wird; dass wir gemeinsam etwas erreichen wollen und dass meine Arbeit und die meines Trainerteams wertgeschätzt wird. Das ist für mich viel wichtiger als Vertragslängen. Ich werde nicht nächste Woche vor der Geschäftsstelle stehen und fragen: 'Was ist jetzt mit meinem neuen Vertrag?' Ich muss die Mannschaft so vorbereiten, dass sie ab Mitte August Samstag für Samstag Punkte einfährt.
SPOX: Ist es als Trainer überhaupt möglich, mehr als ein, zwei Jahre vorauszudenken?
Stöger: Für mich war es immer wichtig, das Wohl des ganzen Vereins nicht zu vernachlässigen. Ich möchte keine verbrannte Erde hinterlassen, nur weil ich irgendetwas durchsetzen will, was dann eventuell nicht funktioniert. Deshalb haben wir auch wieder viele junge Spieler geholt, U21-Nationalspieler mit Perspektive. Vielleicht funktioniert alles auf Anhieb, vielleicht greifen unsere Investitionen erst in zwei Jahren. Aber sie geben dem Verein Perspektive. Idealerweise ist das jetzige Trainerteam bei dieser Perspektivplanung dabei, aber das kann man nicht wissen. Ich werde wöchentlich an Ergebnissen gemessen, der Verein sollte unabhängig davon langfristig im sportlichen Bereich funktionieren. Das ist auch meine Aufgabe als Trainer, auch wenn ich vielleicht irgendwann nicht mehr in Köln arbeite.
SPOX: Wie lange das tatsächlich sein wird, können Sie sicher nicht beantworten. Aber welche Ziele haben Sie noch in Köln? Und gibt es manchmal Überlegungen, was in Ihrer Trainerkarriere noch alles möglich ist?
Stöger: Natürlich hat man Träume. Aber als Trainer wird man schnell vom Tagesgeschäft eingeholt. Das ist die Basis dafür, dass man überhaupt die Chance bekommt, irgendeinen Traum umzusetzen. Ich überlege mir derzeit oft, was ist mit dem 1. FC Köln in zwei Jahren? Was können wir erreichen? Man darf in Köln nicht so laut vom Vorbild Mönchengladbach sprechen. (lacht) Aber ich überlege mir, ob es uns gelingen kann, sportlich irgendwann einen ähnlichen Weg zu gehen wie beispielsweise Mönchengladbach in den letzten Jahren. Ich fühle mich momentan in Köln super aufgestellt. Ich verspüre große Motivation und großen Reiz, diesen Klub mit unserem Team langfristig in der Bundesliga zu etablieren.
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