SPOX: Mit 29 Jahren werden Sie nun in der Bundesliga debütieren. Dabei haben Sie eine interessante Vita vorzuweisen. Über Sandhausen, wo ihre Karriere begann ging es über Bahlingen, der zweiten Mannschaft von Hoffenheim, den VfR Aalen in die Türkei und nach Österreich. Hatten Sie die Bundesliga dennoch immer im Visier?
Sulu: Mit meinem Wechsel damals in die Türkei (Sulu wechselte 2011 vom VfR Aalen zu Genclerbirligi, Anm. d. Red.) wollte ich im Profifußball Fuß fassen. Es war immer mein Traum, in der Süper Lig zu spielen. Leider gelang das nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte. Ich kam in eine Mannschaft, die wohl das beste Jahr in ihrer Vereinsgeschichte hatte. Da war es natürlich schwer, sich einen Platz zu erkämpfen. Zumal die Konkurrenzsituation auf meiner Position damals sehr groß und die Mannschaft erfolgreich war. Der Trainer hatte keinen Grund zu wechseln und so kam ich nur auf zwei Einsätze in der Saison. Nachbetrachtet kann ich sagen, dass die Zeit in der Türkei mich trotz allem geprägt hat. Ich habe mich als Mensch entwickelt, wurde dadurch erfahrener und ruhiger. Als ich mit Darmstadt sportlich in die 4. Liga abgestiegen war, machte ich mir schon meine Gedanken. Es gab damals zwei Optionen: Entweder, ich versuche es noch einmal in der 3. Liga oder ich gehe meinem Beruf nach und spiele nur noch unterklassigen Fußball. Durch den letztlichen Klassenerhalt der Lilien 2013 bekam meine Karriere nochmals eine ganz neue Richtung und ich ging einen besonderen Weg. Dass ich am Ende mit Darmstadt in der Bundesliga spielen werde, hätte ich mir nie zu träumen gewagt.
SPOX: Stichwort persönliche Entwicklung. Welche Station hat Sie denn am meisten geprägt?
Sulu: Mein Auszug von Zuhause, als ich als 18-Jähriger zum Bahlinger SC gewechselt bin. Ich kam in eine Stadt, in der ich noch keine Freunde hatte und machte zeitgleich eine Ausbildung. Das war ein gewaltiger Schritt. Zwar war das sportlich nicht der Knaller, weil ich in der Verbandsliga spielte, aber für mich persönlich war dieser Schritt, der, der mich in meiner Entwicklung am meisten voran gebracht hat.
SPOX: Sie zogen also eine Ausbildung der Profikarriere zunächst vor. Haben Sie sich damals bewusst für diesen Weg entschieden?
Sulu: Das war der Hauptgrund. Ich hatte mich zwar in Sandhausen in den Fokus spielen können, aber für mich war es wichtig, dass ich nach meinem Schulabschluss eine Ausbildung machen wollte. Sandhausen konnte mir das damals nicht bieten, Bahlingen hingegen schon. Also wählte ich diesen Weg. Ich arbeitete dann von 8 bis 17 Uhr, ging um 18.30 Uhr ins Training und fiel um 22 Uhr todmüde ins Bett. So etwas prägt einen natürlich ungemein. 2007 kam dann das Angebot von Hoffenheim II, wo ich auch bei den Profis mittrainieren durfte und mit im Trainingslager war. So fand ich doch noch den Weg in den Profifußball.
SPOX: Nun scheine Sie in Darmstadt Ihr Glück gefunden zu haben. Ihren Vertrag verlängerten Sie vor kurzem bis 2018. Nach Ihren starken Leistungen in den letzten Jahren, gab es im Sommer keine Anfragen für Sie?
Sulu: Wenn man dort ist, wo man sich wohl fühlt, sollte man auch dort bleiben. Natürlich gibt es prinzipiell Vereine, die mehr zahlen, aber ich bin ohnehin kein Spieler, der den Millionen hinterherjagt. Zwar kann man im Fußball nichts ausschließen, aber ich fühle mich seit über zweieinhalb Jahren hier sehr wohl und ich hoffe, dass das auch noch lange der Fall ist.
SPOX: Bei welchem Verein würden Sie denn schwach werden?
Sulu: Darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich möchte mit Darmstadt 98 in der 1. Liga bestehen...
SPOX: ...aber wenn jetzt Real Madrid anruft?
Sulu: Dahin würde ich sogar mit dem Fahrrad fahren (lacht). Nein, meine Konzentration gilt einzig und alleine den Lilien und ich möchte meinen Teil dazu beitragen, dass wir das Wunder schaffen und die Klasse halten.
SPOX: Derzeit besitzen Sie nur die türkische Staatsbürgerschaft, sollen bald aber auch die deutsche annehmen. Mal hypothetisch angenommen, Fatih Terim und Joachim Löw würden sich bei Ihnen melden. Welches Trikot würden Sie sich überstreifen?
Sulu: Ich würde mich wahrscheinlich für die türkische Nationalmannschaft entscheiden. Das war schon immer mein Traum, den ich als kleiner Junge hatte. Zudem ist das Team mit den ganzen Legionären wie Arda Turan in Zukunft auch wieder mehr als konkurrenzfähig. Wenn ich also tatsächlich mal entscheiden müsste, würde ich mich voraussichtlich für die Türkei entscheiden.
SPOX: Neben Ihre Karriere studieren Sie auch noch Sportmanagement. Zudem wollen Sie den Fußball-Trainerschein in Angriff nehmen. Steht der Plan für die Karriere nach der Karriere schon?
Sulu: Ich hoffe, dass ich mein Studium im September beenden kann. Der Trainerschein soll dann irgendwann einmal folgen, aber da mache ich mir keinen Stress, zumal ich ja auch noch ab und an mal ins Training gehen sollte (lacht). Ich werde in diesem Jahr noch 30, von daher finde ich es wichtig, dass man über den Tellerrand hinausschaut und sich einmal Gedanken macht, was man nach der Profilaufbahn machen möchte. Es gibt dort einige Optionen, die mich reizen würden.
SPOX: Sie wurden in der vergangenen Saison als Mr. Unbreakable gefeiert. Anfang der Saison zogen sie sich mehrere Knochenbrüche im Gesicht zu und spielten lange mit einer Maske. Kurz darauf erlitten sie einen Cut am Kopf und zogen sich wenig später eigenhändig auf dem Platz einen Zahn. Sind Sie nicht kaputt zu kriegen?
Sulu: Solche Sachen passieren im Sport nun mal. Ich habe deswegen auch keine Angst, weil es verhältnismäßig kleine Verletzungen waren, ich nicht Monate aussetzen musste und auch alles mit den Ärzten abgestimmt war. Diese Sachen gehören dazu. Natürlich wird man zunächst etwas vorsichtiger, aber ich habe dann gemerkt, dass ich gar nicht vorsichtig sein kann. Ich hab auch schon gesagt, dass ich wohl einen kleine Dachschaden haben, dass ich zwei Wochen nach dem heftigen Zusammenprall mit Christian Mathenia (Sulu zog sich diverse Knochenbrüche im Gesicht zu, Anm. d. Red.) wieder auf dem Trainingsplatz stand. Insofern weiß ich nicht, ob da oben noch alles stimmt bei mir (lacht).
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Aytac Sulu im Steckbrief